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Prozess gegen mutmaßliche PKK-MitgliederTerrorismusvorwurf nach Kadertreffen

Der Kurde Nihat Asut und ein weiterer kurdischer Aktivist aus dem Raum Lübeck sollen Mitglieder der PKK gewesen sein. Jetzt stehen sie vor Gericht.

Noch vor acht Uhr morgens trafen sich etwa 50 Menschen, um Solidarität mit Nihat und allen politischen Gefangenen zu zeigen Foto: Leo Schurbohm

Hamburg taz | Als der unscheinbar wirkende Nihat Asut am vergangenen Mittwoch den Sitzungssaal des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg betritt, wird er mit Applaus begrüßt. Er dreht sich zum Zuschauerraum, grinst und zeigt das Victory-Zeichen. Seit einem halben Jahr hat er seine Ge­noss:in­nen aus Kiel nicht mehr gesehen. Asut sitzt seit dem 12. März in Untersuchungshaft.

Die deutschen Sicherheitsbehörden halten ihn für einen Terroristen. Ihm wird vorgeworfen, seit Oktober 2020 in „herausgehobener Stellung“ in der kurdischen Arbeiterpartei PKK (Partiya Karkerên Kurdistanê) tätig gewesen zu sein. Er habe seit September 2024 als Leiter des PKK-Gebiets Kiel an Kadertreffen teilgenommen, sei Ansprechpartner für interne Streitschlichtungen gewesen und habe nach neuen Immobilien für die Gruppe gesucht.

Auch ein weiterer angeklagter kurdischer Aktivist sitzt im Saal. Er ist noch auf freiem Fuß, lebt bei Lübeck und muss sich wegen angeblicher Mitgliedschaft in der PKK seit dem Januar 2020 verantworten. Um sich und seine Familie zu schützen, möchte er nicht namentlich genannt werden.

Die PKK wurde 1978 in der Türkei als Untergrundorganisation gegründet und kämpfte für kurdische Rechte und Autonomie. Jahrzehntelang war es in der Türkei verboten, Kurdisch zu sprechen, etwas auf kurdischer Sprache zu veröffentlichen oder auch nur anzuerkennen, dass die kurdische Ethnie existiert. Auch heute werden Kur­d:in­nen politisch, sozial und wirtschaftlich benachteiligt.

Kundgebung vor Prozessbeginn

Die PKK ging mit Gewalt gegen den türkischen Staat vor, auch in Deutschland kam es zu Gewaltaktionen. Seit 1993 ist sie in Deutschland verboten, seit 2002 wird sie von der Europäischen Union als Terrororganisation gelistet. Aktivitäten für die PKK sind strafbar.

Gewalttaten werden den beiden Angeklagten in Hamburg nicht vorgeworfen. Sie sollen „Propagandaveranstaltungen“ wie Demonstrationen und Feierlichkeiten in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern organisiert und für diese mobilisiert haben. Zudem hätten sie Spendengelder gesammelt und verwaltet. Die Anklage wirft Asut vor, 178.000 Euro verwahrt zu haben. Im Falle des anderen Angeklagten seien es 87.500 Euro.

Vor Prozessbeginn trifft sich eine Gruppe von etwa 50 Menschen zu einer Kundgebung vor dem Strafjustizgebäude. Mit kurdischer Musik, Redebeiträgen, Bannern, Plakaten und Flaggen zeigen sie sich solidarisch mit den Angeklagten, fordern ihre Freiheit und ein Umdenken in Deutschland: Das PKK-Verbot müsse aufgehoben, und die Organisation von der EU-Terrorliste gestrichen werden. Alle laufenden Verfahren müssten eingestellt werden.

Prozesse wegen Mitgliedschaft in der PKK gibt es in Deutschland immer wieder. Vor einem Jahr wurde der Kurde Kenan Ayaz in Hamburg zu vier Jahren Haft verurteilt. Vergangene Woche begannen Prozesse gegen kurdische Aktivisten in Berlin und Stuttgart. Auch weitere Verfahren laufen noch.

Immer wieder schlossen sich auch Deutsche dem Kampf der PKK an. Einige kommen dabei zu Tode. Erst im April wurde die Hamburgerin Kelly Freygang mutmaßlich bei einem Drohnenangriff der Türkei in Südkurdistan getötet.

Bundesregierung lehnt Aufhebung des PKK-Verbots ab

Die Forderung nach einer Aufhebung des PKK-Verbots ist in Deutschland nichts Neues. Bereits 2014 stellte die Linke im Bundestag einen Antrag zur Aufhebung des Betätigungsverbots. Zuletzt hatte die Linke die Forderung nach der Ankündigung der Auflösung der PKK im Mai 2025 wiederholt.

Die Bundesregierung lehnte die Forderung ab: Ankündigungen und Beschlüsse allein reichten nicht, um die Einstufung der PKK als Terrororganisation zu widerrufen. Nun müssten Taten folgen.

Am Mittwoch findet der zweite Prozesstag statt. Bis zum Ende des Jahres sind noch 13 weitere Termine angesetzt.

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