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Prozess gegen Schauspieler Alec BaldwinVerfahren eingestellt

Baldwin stand wegen eines tödlichen Schusses auf eine Kamerafrau vor Gericht. Das kam zu dem Schluss, dass seiner Verteidigung Beweismittel vorenthalten wurden.

Trost von Ehefrau Hilaria: Alec Baldwin nach Verkündung des Urteils in dem Prozess gegen ihn Foto: Eddie Moore/dpa

Los Angeles afp | In einer spektakulären Wendung ist der Prozess gegen US-Schauspieler Alec Baldwin wegen eines tödlichen Schusses auf eine Kamerafrau eingestellt worden. Die Richterin in Santa Fe im US-Bundesstaat New Mexico begründete die Entscheidung am Freitag (Ortszeit) damit, dass der Verteidigung vorsätzlich Beweismittel vorenthalten worden seien. Der Hollywood-Star, dem bei einer Verurteilung bis zu 18 Monate Gefängnis gedroht hätten, brach in Tränen aus.

Richterin Mary Marlowe Sommer sagte, die Polizei und die Staatsanwaltschaft hätten den Anwälten von Baldwin Kugeln vorenthalten, die möglicherweise mit dem Tod der Kamerafrau Halyna Hutchins in Verbindung stehen. Sie sprach davon, dass das Vorenthalten vorsätzlich gewesen sei. Dies schade dem Angeklagten in hohem Maße.

Während der Dreharbeiten zu dem Western „Rust“ im Jahr 2021 war die Kamerafrau Hutchins durch eine Kugel aus einem von Baldwin gehaltenen Revolver tödlich getroffen worden. Durch dieselbe Kugel wurde der Regisseur Joel Souza verletzt. Die Waffenmeisterin am Filmset, Hannah Gutierrez-Reed, wurde bereits wegen fahrlässiger Tötung zu einer 18-monatigen Haftstrafe verurteilt.

Baldwin sah sich mit dem gleichen Vorwurf konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn, er habe grundlegende Waffensicherheitsgesetze missachtet und sich am Set rücksichtslos gegenüber den Kollegen verhalten. Der Schauspieler betont seine Unschuld und beteuert, den Abzug der Waffe nicht betätigt zu haben.

Baldwins Anwalt Alex Spiro argumentierte, dass der Schauspieler keine Verantwortung für die Überprüfung des tödlichen Inhalts der Waffe hatte. Selbst wenn er den Abzug versehentlich betätigt hätte, würde dies aus seiner Sicht keine Verurteilung rechtfertigen.

Die Verteidigung stützte sich jedoch stark auf die Diskreditierung der polizeilichen Ermittlungen. Spiro legte Beweise dafür vor, dass der Polizei möglicherweise in Verbindung mit dem tödlichen Schuss stehende scharfe Munition übergeben worden war, deren Existenz den Anwälten Baldwins aber nicht mitgeteilt worden sei.

Staatsanwältin gab keine plausible Erklärung ab

Wie nun bekannt wurde, erhielt der Sheriff von Santa Fe Anfang des Jahres, zweieinhalb Jahre nach dem Vorfall, einen Satz Kugeln von einem ehemaligen Polizisten. Darunter soll sich auch die tödliche Kugel befunden haben. Die Kugeln wurden jedoch nie an die Verteidigung weitergeleitet, die sie daher auch nicht untersuchen lassen konnte.

Baldwins Anwälte stellten daraufhin am Donnerstag einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens. „Es ist an der Zeit, den Fall zu den Akten zu legen“, forderte ein weiterer von Baldwins Anwälten, Luke Nikas, am Freitagmorgen. Die Anwälte warfen der Polizei vor, Beweise zur Erklärung des tödlichen Schusses „verborgen“ zu haben, indem sie diese nicht in der „Rust“-Akte abgelegt und damit der Verteidigung die Möglichkeit genommen hätten, sie zu sehen.

Die Staatsanwältin Kari Morrissey sagte dem Gericht, sie habe die Kugeln vor dieser Woche weder gesehen noch von ihrem Vorhandensein gehört. Als sich jedoch herausstellte, dass Morrissey bei den Gesprächen anwesend war, in denen beschlossen wurde, die Kugeln nicht in die „Rust“-Akte aufzunehmen, meldete sie sich freiwillig als Zeugin in einem letzten Versuch, ihren Fall zu retten. Sie gab jedoch keine für die Richterin ausreichende Erklärung dafür ab, warum die Verteidigung nicht informiert wurde.

Aus Sicht von Rechtsexperten ist es sehr unwahrscheinlich, dass Baldwin wegen des tödlichen Schusses noch einmal vor ein Strafgericht gestellt wird. Ihm könnten allerdings zivilrechtliche Klagen drohen.

Das Strafverfahren sei vorbei, dies könne nicht wieder aufgenommen werden, sagte der Anwalt Tre Lovell aus Los Angeles. Ähnlich äußerte sich Carl Tobias, Jura-Professor an der University of Richmond. Er denke, auf der Seite des Strafrechts sei der Fall erledigt.

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10 Kommentare

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  • Hab keine Kenne von 🇺🇸 StrafProzeßrecht. Kann ein Florist im around genauer erklären - was da wie zusammengeht? Dank im Voraus.

    • @Lowandorder:

      14. Zusatzartikel der Verfassung, Recht auf faires Verfahren, näher ausgeführt in "Case Law".



      Brady v. Maryland und Giglio v. United States

      Aus Brady folgt, die Anklage muss der Verteidigung alle Beweise, vor Beginn des Verfahrens, zugänglich machen.



      Aus Giglio folgt, auch solche Information sind zu übermitteln, die die Glaubwürdigkeit von Zeugen betreffen.



      Dies gilt unabhängig von der Bewertung, oder sonstigen Überlegungen, der Anklage. Hier hatte Morrissey die Information über die Herkunft der Patronen als irrelevant betrachtet.



      Hinzu kommt für New Mexico Rule 5501 über die Offenlegung von Beweisen, eine gesetzliche Festlegung und Präzisierung dieser Regeln.

      Der Richter muss das Verfahren zurückweisen, wenn die Rechte des Angeklagten erheblich und unheilbar im Verfahren, verletzt wurden. Verletzung der Grundrechte führt zu einer Zurückweisung mit bindender Wirkung (mistrail with prejudice) für diese Anklage, mit Ausnahme eines Obersten Gerichtes.

      • @Octarine:

        Danke. Dunkel dämmerts. Aber in der Schärfe & im Detail nicht gewußt.



        Grundsatz des fairen Verfahrens - mühselig in den 60ern auf‘s Tapet gebracht in der BRD - hat dieses Ausschließfunktion erkennbar nicht.



        Frage zumE: ”mit Ausnahme eines Obersten Gerichtes“ - hat welche Konsequenz?



        Dank im Voraus

        • @Lowandorder:

          Ob und wieweit Brady/Giglio funktioniert, hängt sehr stark vom Richter ab, das wird allgemein beklagt. Wird langsam besser.

          Die USA legen sehr großen Wert auf die Einhaltung formaler Kriterien, das ist das englisch/römische Erbe. So ist es alles ein komplexes Kunstbauwerk, an dessen Fundamenten niemand auch nur rütteln will.

          Die Ausnahme bedeutet hier, es wird kein weiteres Verfahren geben und auch kein weiteres, abgeleitetes Verfahren, das auf den gleichen Beweisen beruht.

          Hier könnte man an die Verletzung des Regisseurs denken.



          Aber wir sind hier nur auf der Strafrechtsseite, die Zivilrechtlichen Ansprüche sind etwas anderes.

          • @Octarine:

            Danke für die Ergänzung.

            Gerechtigkeit durch Verfahren - Freiburger Schule Ehmke Hesse Häberle.



            Kann aber - meine Frage - in 🇺🇸 ein Oberstes Gericht das - überspielen - „overrulen“? Wenn ja - woraus ergibt sich das?

  • "Der Schauspieler betont seine Unschuld und beteuert, den Abzug der Waffe nicht betätigt zu haben."



    Es war also kein Fingerabdruck am Hebel nachweisbar?



    Der Hebel hat eine Zugkraft von mind. 0,800 - 2 Kg.



    Der Schuss hat sich selbstständig gelöst? Wo ist da die forensische Beweiskraft?

  • Wie kommt denn scharfe Munition zu einem Drehort? Das habe ich von Anfang an nicht verstanden.

    • @Lars Sommer:

      Die Filmindustrie verwendet zwei unterschiedliche Arten von Patronen, die scharfen Patronen ähnlich sehen.

      Das sind "Dummys"dies sind Patronen, deren Zündhütchen inaktiv ist und die keine Treibladung aufweisen. Sie sind angebohrt und enthalten kleine Objekte, um durch Geräusche beim Schütteln erkennbar zu sein. Sie gleichen optisch scharfen Patronen.



      "Blanks" sind Patronen ohne Geschoss, aber mit einer Teilladung, die nur unter sicheren Bedingungen zur Darstellung eingesetzt werden.

      Scharfe Patronen haben auf einem Filmset nichts zu suchen.

      Die Vermutung geht dahin, dass Behälter, die sowohl scharfe Patronen, als auch gleich aussehende Dummys enthielten, von der Waffenmeisterin bei sorglosen Händlern, besorgt wurden.

      Weder die Händler, noch sie, haben die notwendige Prüfung durchgeführt. Sie hat schließlich sogar, mindestens eine scharfe Patrone in die Waffe geladen.

    • @Lars Sommer:

      Der Hauptgrund war wohl, dass für manche Szenen ganz bewusst scharfe Munition in die Waffen geladen wird, weil die Schüsse dann echter aussehen.



      Ja, das Mündungsfeuer könnte auch nachträglich in den Film eingefügt werden, ja, der Unterschied ist so gering, dass er 99,9% der Zuschauer gar nicht auffällt, aber dieser Grad von Perfektionismus scheint in den waffenverliebten USA wohl gang und gäbe.

  • Das tödliche Geschoss (umgangssprachlich Kugel) befindet sich unter den Beweisstücken, im Asservatenraum, es kann also nicht dem Sheriff Department von Santa Fe übergeben worden sein.



    Übergeben wurden, scharfe Patronen, mit Zündhütchen und Treibladung, die jenen gleichen, die auch am Set gefunden wurden und von denen, mindestens eine, in der Waffe war, die dann den Tod von Halyna Hutchins verursachte.

    Die Staatsanwältin Kari Morrissey sagte, sie habe diese Patronen und die damit verbundene Ermittlungen über die Herkunft der Patronen am Tatort als irrelevant, für den Tathergang erachtet. Daraus folgt die Zuteilung einer anderen Beweiskennzeichnung, sowie das Unterlassen der Informationsweitergabe an die Verteidigung.