Prozess gegen Osman Kavala in der Türkei: Letzte Runde vor dem Urteil

Nächste Woche soll ein Urteil gegen Osman Kavala fallen. In einem politischen Prozess wird ihm Unterstützung des Putschversuchs vorgeworfen.

Osman Kavala spricht in ein Mikrofon

Osman Kavala, undatiertes Archivfoto Foto: Anadolu Kultur/reuters

Istanbul taz | In Istanbul ist am Freitag einer der international am meisten beachteten politischen Prozesse der Türkei in die letzte Runde gegangen. Angeklagt sind der Kulturmäzen Osman Kavala und sieben weitere BürgerrechtlerInnen, denen vorgeworfen wird, dass sie die Regierung stürzen wollten. Osman Kavala wird darüber hinaus noch Spionage vorgeworfen. Alle Angeklagten bestreiten die Vorwürfe kategorisch.

Der Vorwurf, einen Staatsstreich versucht zu haben, geht auf die sogenannten Gezi-Proteste im Sommer 2013 zurück. Damals hatte eine Bürgerinitiative dagegen protestiert, dass einer der letzten Parks in der Istanbuler Innenstadt, eben der Gezi-Park, abgeholzt und mit einem Einkaufszentrum bebaut werden sollte. Aus diesen lokalen Demonstrationen hatte sich ein landesweiter Protest gegen die Regierung Erdoğan entwickelt, der damals noch Ministerpräsident war.

Kavala, ein reicher Erbe, der sein Geld in eine Kulturstiftung investiert hat, die vor allem für eine Versöhnung zwischen Armeniern, Griechen und Türken eintritt, soll die Gezi-Proteste auf Anweisung aus dem Ausland finanziert haben (er wird als Handlanger des US-Milliardärs Soros denunziert), die anderen Angeklagten sind Mitglieder der Bürgerinitiative gegen die Abholzung des Gezi-Parks.

Als einziger Angeklagter sitzt Osman Kavala seit nunmehr viereinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Wie schon bei vorangegangenen Prozessen gegen Kavala und einen Teil der jetzt erneut Angeklagten konnte die Staatsanwaltschaft auch bei ihren Abschlussplädoyers im aktuellen Verfahren keinerlei Beweise für ihre Behauptungen vorbringen. Das hatte selbst ein türkisches Gericht schon festgestellt und Kavala im Februar 2020 wegen Mangels an Beweisen freigesprochen.

Türkei missachtet Europäischen Gerichtshof

Wie sehr dieser Prozess politisch motiviert ist, zeigte sich im Anschluss an den Freispruch. Erdoğan persönlich sorgte dafür, dass die Staatsanwaltschaft Kavala unverzüglich erneut anklagte und ihn direkt wieder festnehmen ließ, dieses Mal wegen seiner angeblichen Beteiligung an dem Putschversuch der Armee 2016. Auf politischen Druck wurde das Urteil über seine Freilassung von einer höheren Instanz kassiert und gegen die Richter der ersten Instanz selbst Verfahren eingeleitet.

Schon 2020 hatte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg einer Beschwerde Kavalas stattgegeben und seine Freilassung aus der U-Haft gefordert. Doch in Abstimmung mit der Regierung weigert sich die Justiz, das Straßburger Urteil zu vollziehen.

Im letzten Jahr appellierten daraufhin zehn westliche Botschafter in Ankara, darunter der deutsche, amerikanische und französische Botschafter, Kavala freizulassen. Erdoğan drohte daraufhin damit, die zehn BotschafterInnen zu unerwünschten Personen erklären zu lassen, was er erst zurücknahm, als die größten Länder einen Rückzieher machten.

Mittlerweile droht der Europarat mit einem Ausschluss der Türkei, wenn diese den Gerichtshof weiterhin missachtet.

Die Hartnäckigkeit, mit der Kavala verfolgt wird, erklären die meisten Beobachter damit, dass Erdoğan glaubt, durch Kavala eine ausländische Steuerung der Gezi-Proteste beweisen zu können. Am Freitag kamen die Angeklagten und ihre Anwälte noch einmal zu Wort, am Montag soll das Urteil verkündet werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.