Prozess gegen NSU-Helfer: „Absolute Vertrauensperson“ des Trios
Für den Mitangeklagten Ralf Wohlleben zeichnet sich eine lange Haftstrafe ab. Ihm wird Beihilfe zu neunfachem Mord vorgeworfen.
Mit verschränkten Armen hatte sich am Dienstagmorgen ein halbes Dutzend Neonazis auf der Zuhörertribüne niedergelassen. Von unten lächelte ihnen einer der Angeklagten entgegen: Ralf Wohlleben. Der hatte auch direkt neben sich Unterstützung, seine Frau Jacqueline. Auch sie war extra angereist, hielt nun fest die Hand des 42-Jährigen.
Mehr Erbauliches brachte der Dienstag für Wohlleben indes nicht. Denn im NSU-Prozess setzte die Bundesanwaltschaft an diesem Tag ihr Plädoyer fort – und fiel über den Thüringer und früheren NPD-Mann ein vernichtendes Urteil. Das „Mastermind“ der NSU-Helfer sei er gewesen. Und der „Spiritus Rector“, als es darum ging, für die Terroristen die Mordwaffe, eine Ceska, zu besorgen.
Beihilfe zu neunfachem Mord – den NSU-Erschießungen von neun Migranten – wirft die Anklage Wohlleben vor. Und Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten sieht diese voll bestätigt, wie er über Stunden untermauerte.
Schon gleich nach dem Abtauchen von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt aus Jena im Januar 1998 habe Wohlleben, der zuvor mit dem Trio die Kameradschaft Jena anführte, Unterstützer zusammengeschart. Ihm habe die „zentrale Steuerung“ oblegen, so Weingarten. Er ließ sich Aufträge der Abgetauchten übermitteln, er schickte Boten mit Waffen oder Spendengeldern zum Trio, er meinte immer wieder zu Konspiration. „Skrupellos“ habe er Bekannte für Botengänge ausgenutzt und „alle Fäden zusammengehalten“.
„Absolute Vertrauensperson“
Für das Trio sei Wohlleben die „absolute Vertrauensperson“ gewesen, sagt Weingarten. Auch deshalb bekam er persönlich von den Untergetauchten 10.000 Mark zur Verwahrung. Damit habe Wohlleben schließlich die 2.500 Mark für die Ceska bezahlt, die das Trio geordert hatte. Auch diesen Deal habe er „ganz allein“ eingefädelt.
Wohlleben hatte genau das bestritten. Bis Dezember 2015 schwieg er im Prozess. Dann behauptete er, nicht er, sondern der Mitangeklagte Carsten S. sei der Waffenbeschaffer gewesen. Zwar habe ihn Böhnhardt tatsächlich mal nach einer Waffe gefragt: einer Pistole deutschen Fabrikats. Er habe dies aber abgelehnt. Schon weil Böhnhardt die Waffe für einen Suizid habe verwenden wollen, sollte er von der Polizei geschnappt werden.
Weingarten fand dazu klare Worte: „Das ist alles Unsinn.“ Warum solle Böhnhardt ausgerechnet eine deutsche Waffe für einen Selbstmord gewollt haben? Wo dieser doch auch sonst „flexibel“ gewesen sei und etwa ein Auto ausländischen Fabrikats fuhr? Und wozu brauchte es für einen Suizid eine Waffe mit 50 Schuss und Schalldämpfer?
„Das stimmt von vorne bis hinten nicht“, wurde Weingarten deutlich. Wohlleben habe vielmehr den fanatischen Rassismus des Trios gekannt und schon aus Kameradschaftszeiten deren Pläne, „mehr zu machen“. Er musste also einkalkuliert haben, wofür es die Waffe brauchte: zum Morden. Und er habe auch nichts dagegen gehabt. Weil er selbst rechtsextrem dachte.
Die Szene hält zu ihm
Wohlleben verfolgte die Worte immer wieder kopfschüttelnd und tuschelnd mit seiner Frau. Seine Unterstützer auf der Empore dagegen blieben wie versteinert. Die Szene hält bis heute zu Wohlleben, der im Prozess bekräftigte, seinen „Idealen“ treu geblieben zu sein.Als sich zuletzt 6.000 Neonazis zu einem Konzert im Thüringer Themar trafen, tauchten auch dort die „Freiheit für Wolle“-Shirts auf. Vor Ort war auch: der ebenfalls als NSU-Helfer angeklagte André E. Der plauderte nun in den Prozesspausen mit Wohllebens Frau. Das Netzwerk hält.
André E., genauso wie dem Mitangeklagten Holger G., wird sich die Bundesanwaltschaft nun erst nach der Prozesssommerpause widmen. Beiden wird vorgeworfen, dem Trio Papiere überlassen und Wohnmobile angemietet zu haben. Danach wird die Bundesanwaltschaft auch ihr gefordertes Strafmaß für alle Angeklagten verkünden. Es dürfte erneut ein bitterer Tag für Ralf Wohlleben werden.
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