Prozess gegen Letzte Generation: Aktivist scheitert in der Berufung

Landgericht bestätigt Urteil gegen ein Mitglied der Letzten Generation. Dieser will nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Eine Person hat sich mit der Hand auf eine Straße geklebt.

Klimaschutz ist Handarbeit. Das nimmt die Letzte Generation wörtlich Foto: Michele Tantussi/reuters

BERLIN taz | Es geht vor dem Landgericht am Mittwoch um eine Grundsatzfrage, so weit sind sich die Beteiligten einig. Ist es strafbar, eine Straße zu blockieren, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen? Der Andrang bei den Be­su­che­r:in­nen ist groß, nicht alle kommen in den Gerichtssaal.

Ein Aktivist der Letzten Generation hatte sich am 4. Februar 2022 auf die Straße gesetzt und damit eine Auffahrt zur A100 blockiert. Das Amtsgericht verurteilte ihn dafür im Oktober wegen Nötigung zu 600 Euro Geldstrafe. Begründet ist das Urteil damit, dass die Au­to­fah­re­r:in­nen für rund anderthalb Stunden feststeckten und der Blockade nicht ausweichen konnten. Gemeinsam mit seinem Anwalt Lukas Theune legte der 21-Jährige Berufung ein.

Das Urteil sei fehlerhaft, Theune forderte darum Freispruch für seinen Mandanten und beruft sich auf Artikel 20a des Grundgesetzes: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen“, und zwar „nach Maßgabe von Gesetz und Recht“, heißt es da.

Theune appellierte besonders an die Rechtsprechung in Form des Vorsitzenden Richters Ralf Vogl, der mit dem Fall ein Beispiel setzen könnte. Die friedlichen Blockaden der Ak­ti­vis­t:in­nen „sind nicht verwerflich, sondern notwendig“, sagte Theune. Grund dafür sei der höhere Zweck, den sie damit verfolgten: die Regierung zum Handeln in der Klimakrise aufzufordern.

Der Aktivist steht zu seiner Tat

Im Nachgang des Protestes hatte die Polizei die blockierten Au­to­fah­re­r:in­nen dazu aufgerufen, sich bei ihnen zu melden. Dem Aufruf gefolgt sei aber nur eine Person, die sich nach eigener Aussage nicht dadurch gestört gefühlt habe.

In einer emotionalen Rede erklärte der Aktivist seine Beweggründe: „Ich leugne nicht, was ich getan habe, ich stehe dazu“, sagte er. Es habe nie danach ausgesehen, dass er einmal vor Gericht stehen würde, doch die Klimakrise lasse ihn verzweifeln. „Ich habe das Vertrauen verloren, dass die Regierung die Krise im Griff hat.“ Darum sehe er sich in der Pflicht, das „Weiter so“ mit friedlichen Protesten zu stören.

Der Richter will damit auch ein Exempel statuieren

Seine Unterstützer:innen, die dem Geschehen im vollen Besucherbereich des Gerichtssaals folgen, applaudierten ihm. Davon zeigte sich Richter Vogl wenig begeistert. Er drohte den Besucher:innen, sie rauszuwerfen und ein Ordnungsgeld zu verhängen. „Das ist ein Gerichtsprozess, keine politische Veranstaltung“, sagte Vogl.

Er wolle sich nur auf den Straftatbestand und weniger auf den Grund konzentrieren – und ein Exempel statuieren. Das wurde auch darin deutlich, dass er den Klimafolgenforscher Wolfgang Lucht als Sachverständigen ablehnte. Lucht ist unter anderem im Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung.

Andere Protestformen gewünscht

Immer wieder bekommt der Angeklagte zu hören, man verstehe die Sorgen. Die Folgen der Klimakrise seien nicht abzustreiten, aber er und die Letzte Generation sollten andere friedliche Protestformen wählen.

„Man kann anderen nicht seinen eigenen Willen aufzwingen“, sagte Staatsanwalt Uwe Storm in seinem halbstündigen belehrenden Plädoyer. In seiner Erfahrung erreichten die Ak­ti­vis­t:in­nen mit ihren Blockaden wenig Zuspruch. „Danach wird nur über die Idioten, die die Straße blockieren, gesprochen.“

Es ginge in der Entscheidung um eine Grundsatzfrage. Spreche das Gericht ihn frei, weil er ein übergeordnetes Ziel verfolge, müsse es das auch bei anderen tun, die andere Ziele verfolgten. Als Beispiel nannte er Reichsbürger.

Am Ende bestätigte Vogl das Urteil des Amtsgerichts. Der Aktivist habe bewusst Gewalt angewendet und damit strafbare Nötigung begangen. Das verfolgte Ziel sei dabei nicht von Bedeutung. Bei dem 21-Jährigen sehe er Verbitterung und die Gefahr einer weiteren Radikalisierung.

Aktivist will Verfassungsbeschwerde einreichen

Über das Urteil zeigte sich der Aktivist enttäuscht. „Es hätte ein Zeichen gesetzt werden können“, sagte er zum Richter. Noch eine Woche lang kann das Urteil mit einer Revision angefochten werden. Die Letzte Generation kündigte im Nachgang in einer Pressemitteilung an, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

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