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Prozess gegen Laurent GbagboDie Narben sind nicht gut verheilt

In Den Haag steht nur Laurent Gbagbo, der Expräsident der Elfenbeinküste, vor Gericht. Doch auch Verbrechen seiner Gegner sind dokumentiert.

Gewalt von beiden Seiten: Protest gegeb Gbagbos Wahlbetrug im Jahr 2011 in Abidjan. Foto: dpa

Abidjan taz | Kadi Coulibaly hat einen großen zerknitterten Briefumschlag mitgebracht. Etwas umständlich kramt sie ihn aus ihrer Handtasche. Die Frau in dem blauen Kleid muss aufpassen, dass ihr nicht die ganzen Zettel, Rechnungen und Briefe auf den Boden fallen oder vom Wind weggeweht werden. Mit jedem davon verbindet sich eine Erinnerung an die Gewalt in Elfenbeinküste in jener Zeit nach den Wahlen 2010.

„Da fing es an“, sagt die Mutter von vier Kindern, „das ist die erste Rechnung des Krankenhauses.“ Dorthin kam sie, als sie am 28. November, dem Tag der Stichwahl, zusammengeschlagen wurde. In die zweite Runde waren damals Amtsinhaber Laurent Gbagbo und sein Herausforderer Alassane Ouattara eingezogen. Nach Jahren des Bürgerkriegs war der Urnengang extrem umkämpft. Ouattara gewann ihn schließlich, was Gbagbo jedoch nicht akzeptieren wollte. Bis zu dessen Verhaftung am 11. April 2011 starben mehr als 3.000 Menschen bei Krieg und Unruhen. Ab heute steht Gbagbo dafür beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vor Gericht.

Kadi Coulibaly wollte keine Gewalt, sondern nur in Ruhe ihre Stimme abgeben. „Für Gbagbo“, sagt sie. „Der hatte für mich das bessere Programm“, sagt sie. Gewählt hat sie in ihrer Heimatstadt Korhogo im Norden, einer Hochburg Ouattaras. An das, was genau im Wahllokal geschah, hat sie nur noch verschwommene Erinnerungen. „Irgendjemand nahm mich mit. Ich musste mich ausziehen, wurde geschlagen. Später kam ich ins Krankenhaus und schließlich nach Abidjan.“

Sie zeigt auf ihre Beine. Die Haut ist vernarbt. Ein schlecht verheilter Knochenbruch sorgt wohl dafür, dass ihr bis heute das Laufen große Schmerzen bereitet. Sie raschelt in ihrem großen Umschlag. „Das sind die ganzen Rechnungen für Untersuchungen und Behandlungen. Glaub nicht, dass mich irgendjemand unterstützt hatte.“

Ich wünsche mir, dass Präsident Ouattara Gbagbo die Hand reicht

Kadi Coulibaly, Gbagbo-Wählerin

Wer hinter dem Angriff steckte, weiß die 45-Jährige nicht. Sie geht davon aus, dass es Anhänger des Wahlsiegers und heutigen Präsidenten Ouattara waren. „Die Leute haben uns vorgeworfen, Geld zu bekommen, wenn wir für Gbagbo stimmen. Und sie haben gesagt: Ouattara wird gewinnen.“

Wie Kadi aus Korhogo verstehen viele in Abidjan heute nicht, dass in Den Haag nur das Gbagbo-Lager vor Gericht steht. Denn es gilt als sicher, dass auch Ouattaras Truppen für Verbrechen verantwortlich sind. Sie sind teilweise gut dokumentiert. Doch gegen einen amtierenden Präsidenten zu ermitteln – das ist für den ICC so gut wie unmöglich. Schließlich werden Zugänge zu Archiven und Zeugen sowie Kooperation mit der Regierung benötigt.

Gbagbo in Den Haag

Der Wahlstreit: Im November 2010 verlor in Elfenbeinküste Präsident Laurent Gbagbo die Wahlen gegen Oppositionsführer Alassane Ouattara. Er ließ das Wahlergebnis annullieren, Gewalt breitete sich aus, Tausende Menschen starben. Im April 2011 nahmen Ouattara-treue Rebellen mithilfe französischer Eingreiftruppen Gbagbo fest.

Der Prozess: Seit November 2011 sitzt Gbagbo beim Internationalen Strafgerichtshof in Haft. Morgen beginnt gegen ihn und seinen einstigen Jugendmilizenführer Charles Blé Goudé der Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

„Es ist schon merkwürdig, dass sich alles nur um Gbagbo dreht“, sagt in Abidjan ein Taxifahrer, der den Prozess vor dem ICC eigentlich befürwortet. Seinen Namen möchte er nicht nennen. Er bleibt vorsichtig. „Ich habe so viel gesehen. Schlägereien, Tote. Das waren nicht nur Gbagbos Leute.“

Auch Kadi Coulibaly ist skeptisch, wie viel Sinn der Prozess ergibt. Er soll zwar beweisen, dass auch Staatsoberhäupter für mögliche Gräueltaten zur Verantwortung gezogen werden. Den zahlreichen zivilen Opfern soll er vermitteln, dass zumindest ein Anfang gemacht wird bei dem Versuch, Gerechtigkeit wiederherzustellen und Straflosigkeit zu vermeiden.

„Aber dass wir anschließend versöhnter sind, das glaube ich nicht“, sagt Kadi Coulibaly. „Dazu herrscht noch viel zu viel Misstrauen. Auf der Straße schaue ich mir oft die Leute an und frage mich, auf welcher Seite sie wohl gestanden haben.“

Am liebsten wäre ihr deshalb eine Geste des Präsidenten Ouattara. Er kündigte nach seiner Wiederwahl Ende Oktober 2015 an, sich intensiv um Versöhnung zu kümmern. „Ich habe überhaupt nichts gegen Ouatttara. Aber ich wünsche mir, dass er Gbagbo die Hand reicht. Er ist doch sein Bruder.“

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3 Kommentare

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  • Ich stimme dem Leserkommentar von Herrn Lilge in allen Punkten zu. Selbst die FAZ stellt in ihrem Artikel vom 11.3.2015 "Ex-First-Lady Simone Gbagbo zu 20 Jahren Haft verurteilt" die politischen Ereignisse seit den Präsidentschaftswahlen realitätsnäher da als die taz. Da würde ich mir von der taz eine bessere Recherche erwarten. Das für Ihren Artikel ausgewählte dpa Foto finde ich absolut unpassend. Es ist ein gestelltes Foto. Wer hält dem Journalisten da ein Messer hin? Ein solches Foto reproduziert nur Stereotypte vom "wilden Afrika". Da gibt es deutlich besser Fotos (auch von dpa) über den Bürgerkrieg, der jetzt ja auch schon 5 Jahre her ist. Warum kein aktuelles Foto? Warum gibt es kein Foto der Frau, die in dem Artikel zu Wort kommt? Und falls sie aus Gründen der eigenen Sicherheit nicht fotografiert werden möchte, fände ich das auch einen wichtigen Hinweis für die Leser zum Stand der Menschenrechtssituation in Cote d'Ivoire.

  • Die TAZ wiederholt immer wieder eine unkomplette Geschichte.1. Der Ausgang der Wahl war in der Elfenbeinküsten selbst umstritten. Die Wahlkomission und das Oberste Gericht kamen zu unterschiedlichen Einschätzungen: eine Institution sprach Outara ein andere Gagbo den Sieg zu. Meiner Erinnerung nach kam es nicht zu einer Annulierung. Bitte korrigieren Sie mich. Outara wurde vom Ausland einsitig zum Gewinner erklärt. Man erinnere sich, das in der Amtsperiode von Gagbo - damals mit eindeutiger Mehrheit gewählt -der Norden gegen ihn geputscht hatte und Rebellentruppen an einer Demarkationslinie zum Süden standen. Die internationale Gemeinschaft griff nicht! ein, um Gagbo die Regierungsgewalt über das ganze Land zu garantieren. Jetzt plötzlich wird der Vormarsch der Rebellengruppen auf die Millionenmetropole Abidjan vom Ausland gut geheissen und vom französischen Militär unterstützt. Bürgerkrieg als politische Lösung. Schliesslich wird Gagbo mit Hilfe des französichen Militärs "festgenommen", obwohl keine Autorizierung dafür von der UNO vorlag. Es gab allerdings Meldungen, dass die UNO, die mit einer Friedenstruppe im Rahmen eines UN Mandats die Frontlinie zwischen nördlichen Rebellengruppen und den Regierungstruppen der Elfenbeinküste (damals der Regierung Gagbos) sicherten, auf Seiten der Rebellen eingegriffen haben. Wenn wahr, ein ungeheuerlicher Vorgang für eine Friedensmission. Die Zeitungen - auch die TAZ - haben damals seltsamerweise von Greueltaten einer vorrückenden Rebellenarmee nichts gesehen. Als wäre dies ein Spaziergang nach Abidjan unter dem Jubel der Bevölkerung gewesen. Und Outara hat damals jede "Verantwortung" für das Handeln der Rebellenarmee, die ihn an die Macht gekämpft hat, zurückgewiesen. Reiner Zufall, dass ihm das den Weg in den Präsidentenpalast geebnet hat.

    • @Henning Lilge:

      Wenn hier einer ständig eine unvollständige Geschichte wiederholt, dann sind sie das!

      Unglaublich mit welcher Verbissenheit sie den skrupelosen und kriminellen Machtmenschen Gbagbo verteidigen.