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Prozess gegen KSK-SoldatAmnestie für Patronenklau

KSK-Soldaten konnten Anfang 2020 ohne Konsequenzen unterschlagene Munition zurückgeben. Das Verteidigungsministerium will sich dazu nicht äußern.

KSK-Ausbildungszentrum Calw: Wieviel Munition war hier zwischenzeitlich wirklich „verschwunden“? Foto: Thoams Trutschel/photothek/imago

Leipzig taz | Soldaten des Kommandos Spezialkräfte, die Munition von der Bundeswehr entwendet haben, konnten diese offenbar ohne straf- oder dienstrechtliche Konsequenzen wieder zurückgeben. Das betrifft mindestens den Zeitpunkt Anfang 2020, wie im Gerichtsprozess gegen den ehemaligen KSK-Soldaten Philipp Sch. bekannt wurde.

Das Angebot wurde offenbar gerne angenommen. In Bundeswehrkreisen kursiert nach taz-Informationen die Zahl, dass in Calw drei Paletten zusammenkamen. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür nicht. Das Verteidigungsministerium hat eine taz-Anfrage an das Heer weitergeleitet, weil dort eine „Generalinventur zu Waffen und Munition im KSK“ stattfinde. Von dort hieß es lediglich: Der Sachverhalt werde „derzeit noch durch die zuständigen Stellen der Bundeswehr untersucht“. So bleibt vorerst ungeklärt, ob die Amnestie einmalig oder häufiger war und ob sie nur das KSK betrifft oder auch andere Bundeswehrteile.

Nach einer Reihe von Rechtsextremismus-Skandalen im KSK kündigte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im Juni 2020 an, die Einheit drastisch reformieren zu wollen. Die besonders skandalumwitterte zweite Kompanie wurde inzwischen aufgelöst, die allermeisten Soldaten sind aber nach wie vor in der Bundeswehr und teils auch beim KSK.

In diesem Zusammenhang ging es auch um die Frage, warum eine große Menge Munition und Sprengstoff aus KSK-Beständen verschwinden konnte. Ein Großteil der Fehlbestände wurden in der Zwischenzeit mit schlechter Buchführung erklärt. Dass womöglich durch eine Munitionsamnestie das wahre Ausmaß des Patronenklaus vertuscht worden sein könnte, wurde bislang nicht öffentlich thematisiert.

Der Angeklagte sagte aus, er habe die Waffe lediglich als Dekowaffe verwenden wollen

Vor Gericht war die Amnestie bereits am 19. Januar Thema. Staatsanwalt Ron Franke sagte damals im Gerichtssaal in Leipzig, nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft sei es „möglich gewesen, unauffällig Munition an die Bundeswehr zurückzugeben“, die zuvor gestohlen wurde. Das sei möglich gewesen, „ohne dienstrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen“, weil es wohl „gelegentlich vorkam, dass Munition vergessen werde“. Nicht bekannt ist bislang, ob diese Amnestie vom KSK selbst oder von einer höheren Stelle angeordnet wurde.

Der Angeklagte Philipp Sch. selbst erwähnte am Donnerstag vor dem Landgericht die Munitionsamnestie als Sonderregelung, von der er aber keinen Gebrauch gemacht habe. Er muss sich vor Gericht verantworten, weil er in seinem Garten Munition, Sprengstoffe sowie eine Kalaschnikow vom Typ AK47 vergraben hatte.

Am dritten Prozesstag beschloss das Gericht, dass der Angeklagte sich nicht mehr wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verantworten muss. Der Besitz des Sturmgewehrs vom Typ AK47 sei lediglich als Verstoß gegen das Waffengesetz zu werten. Laut einem Gutachter war die AK47 bereits beschädigt und demnach nicht mehr schussfähig. Auch der Angeklagte selbst sagte aus, er habe sie lediglich als „Dekowaffe“ verwenden wollen. Woher das russische Sturmgewehr jedoch kommt, bleibt weiterhin unklar.

Laut dem Vorsitzenden Richter weist die Aussage von Sch. Widersprüche auf. Der Angeklagte hatte ausgesagt, er habe nicht gewusst, was er mit der geklauten Munition anderes hätte machen sollen, als sie zu vergraben. Im Zuge laufender Ermittlungen gegen seine Kompanie nach einer Feier, bei dem er einen Hitlergruß gezeigt haben soll, habe er mit „Kontrollen und Durchsuchungen“ gerechnet. Das Gericht will den Prozess schon bald zu Ende bringen. Die Urteilsverkündung ist bereits für den 12. März geplant.

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16 Kommentare

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  • Nach dem Anschluss an die BRD wurde in Geltow in der obersten Dienststelle der Bundeswehr eine ganze Waffenkammer mit Maschinenpistolen entwendet. Sollte es dafür nicht auch eine Amnestie geben? Wo sind die ganzen Kalaschnikow Maschinenpistolen vom Typ AK47 geblieben? Die Sache ist der Bundeswehr aber peinlich und wird deshalb zu gerne verschwiegen.

  • Ich fasse es nicht, wie viel Narrenfreiheit diese "Eliteeinheit" hat. Wie viele Verantwortliche haben denn da bewusst die Augen verschlossen ? Wenn wir früher Schießen ansetzten bei der Bundeswehr ( 80/90er Jahre) mussten wir nicht nur die Stückzahl, die Anzahl der Packgefäße und sogar die Nummern verschiedener Lose der Munition schriftlich bestätigen. Es gab einen Schreiber, einen Mun-Ausgeber, den Schießleiter, den MunGrpFhr und den Kompaniechef. Alle mussten alles unterschreiben und bestätigen, dass Alles seine Richtigkeit hatte. Da wurde alles 3* gezählt. Und hier läuft scheinbar jeder der Einheit mit etwas Munition in der Tasche durch die Gegend. Unfassbar. Und das wird von der jetzigen Politik gedeckt. Sind ja bald Wahlen ; )

    • @Alexi Guretzke:

      Kann ich so oder ähnlich bestätigen. Es wurde gesagt, daß man anhand der eingeprägten Nummer jede Patrone zurückverfolgen könne. Wenn da einer palettenweise Sprengstoff mitgenommen hätte, wäre das sofort aufgefallen. Und das war keine Eliteeinheit, nur ein anständig geführtes Bataillon. Was man da vom KSK liest, ist unfaßbar und hört sich nicht nach Elite an. Sehen sich selbst als die ganz Harten, haben's aber offensichtlich nicht drauf. Oder sehen sich nicht mehr der Bundesrepublik verpflichtet, sondern etwas anderem.

      • @kditd:

        Sorry KDIDT:



        Da hat man Dir leider das Falsche erläutert. Die Losnummer oder Chargennummer wird auf der kleinsten Verpackungseinheit von Patronen aufgebracht. Alle Patronen einer Losnummer werden mit identischen Komponenten innerhalb eines Tages gefertigt.



        Auf der Patrone ist keine Unterscheidung mehr möglich. Das wäre auch nicht praktikabel.



        Auf der Patrone der BW Munition steht lediglich das Kaliber und der Hersteller als Kürzel. Auch die Bezeichnung NATO kann dort stehen.

  • Während es akzeptiert wird, dass Polizei und Bundeswehr mit denen ihnen gestellten Waffen, Munition und Sprengstoff PFUSCHEN und SCHLAMPERN, bedeutet selbst der kleinste Fehler oder Verstoß für Sportschützen das sofortige Aus. Wenn ich im Schützenhaus nach dem Schießen meine Waffe entladen in den Waffenkoffer einschließe und die Munition separiert einschließe, das Ganze dann in meinen Kofferraum des vor dem Schützenhaus stehenden Autos einschließe und mich dann noch mit Schützenkollegen zu einer Vereinssitzung zusammensetze, dann ist das Strafbar. Ich darf die Waffe nicht unbeaufsichtigt lassen. Nicht mal dann, wenn ich das Auto von meinem Sitzplatz aus sehen kann. Das kann mich meine Waffenbesitzkarte kosten.



    Aber das, was bei Polizei und Bundeswehr jedes Jahr passiert, mit zum Teil automatischen Waffen, dass wird geduldet und im Zweifelsfall auch noch von oben gedeckt oder vertuscht.



    Aber ist schon Klar. Würde man gegen Polizei/Bundeswehr bei so was vorgehen, dann würden die einen ja nicht mehr gerne haben und man müsste zugeben, dass man im eigenen Haus nicht für Ordnung sorgen kann. Geht man aber auf Sportschützen los, dann bringt das Wählerstimmen.



    Politik at its best......

    • @Thorsten Kluge:

      Ja Thorsten da hast Du recht! Wir Sportschützen sind ja von der Politik "nicht gewollt" und sind "natürlich an allem schuld". Selbst an den vielen illegalen Waffen, welche die Personen "außerhalb des Gesetzes" verwenden.



      Bei uns wird regelmäßig kontrolliert, auch ohne vorherige Anmeldung, ob wir unsere Waffen auch korrekt verwahren.



      Aber in den Medien sind wir alle immer die Schuldigen, wenn irgendwo mal einer etwas macht, wass WIR niemals tolerieren würden.

      • @Uli aus FZ:

        Das liegt daran, dass soviele Sportschützen mit ihren Waffen ständig Leute erschießen (siehe Hanau). Ich habe nie verstanden wieso man als Sportschütze halbautomatische Waffen braucht. Bei Olympia wird immer nur mit so eigenartigen, luftgewehrähnlichen Waffen mit Antennen dran geschossen. Die scheinen für Amokläufe nicht so geeignet zu sein. Aber die Sportschützen auf dem Dorf brauchen unbedingt Revoler für ihren "Sport".

  • 2G
    27871 (Profil gelöscht)

    Ich muss gestehen, das zu meiner Bundeswehrzeit fast jeder Kamerad, außer mir natürlich, entwendete Munition im Spint hatte.

    Waren das alles Kriminelle? Manchmal gab es auf dem Schießplatz gar nicht soviele Gelegenheiten, um alles zu verballern, was einem morgens in die Hand gedrückt wurde. Dann blieb das öfters in den Taschen und ging schleichend in das Privateigentum über.

    • @27871 (Profil gelöscht):

      War bei uns definitiv nicht so (90er). Uns wurde nix in die Hand gedrückt, sondern es wurde unter Aufsicht aufmunitioniert. Jeder erhielt soundsoviel Magazine z.B. Und hinterher mußten wir alles entweder abgeben, oder den Rest verschießen (bei Platzpatronen). Da wurde das Gewehr präsentiert und Magazin und Kammer kontrolliert, mit Reinfassen. So kenn ich das aus einer Einheit in SH.

      Auch bei Wacheinsätzen, wenn scharfe Munition ausgegeben wurde, geschah das magazinweise, nicht etwa freihändig. "Hier haben Sie zwei Magazine". Die wurden auch wieder eingesammelt.

      Das hat sich offenbar sehr geändert.

      • 2G
        27871 (Profil gelöscht)
        @kditd:

        Weiß ich nicht, ob sich da was geändert hat, ich war auch in den 90ern beim Bund. Und das "6 Schuss übergeben, 6 Schuss erhalten" gab es nur in der Grundausbildung. Schreckschuss wurde nie gezählt.

  • Wenn AKK die Angelegenheit nicht zeitnah, vollständig und zur Zufriedenheit der Parlamentarier des Bundestages aufklären kann, ist wohl ein Rücktritt fällig: Die Ministerin hat schon vor mehr als einem halben Jahr eine Untersuchung und vollständige Aufklärung angekündigt.



    Die erst jetzt bekanntgewordene "Amnestie" legt die Vermutung nahe, dass im Großmassstab und mit Wissen der Verantwortlichen vertuscht statt aufgeklärt wurde.



    Und dafür ist die Ministerin verantwortlich, die offensichtlich ihre Truppe nicht im Griff hat.

  • Wie wäre es mit einer Generalamnestie für alle Diebe, die kurz bevor ihr Fall aufgeklärt wird, das Diebesgut wieder rausrücken. ~,~

  • Ach das ist ja nett. In anderen Bevölkerungsteilen wäre das wohl nicht möglich.



    Aber ok bei großen Wirtschaftsbossen die Steuern hinterziehen, ist die Strafe ja meist auch nur rudimentär.

    Aber wehe ein Arbeitsloser hat nen cent zuviel/zu wenig irgendwo angegeben und damit paar Groschen zuviel Arbeitslosengeld bekommen oder so ähnlich. Dann gibt es direkt Sozialstunden und Co. aufgedrückt. (Selbst wenn man davon z.B. nicht wußte, bei z.B. einem durch die Oma gesperrten Konto für die Kinder, wo die Arbeitsagentur Wind davon bekommt - obwohl das Auslösen des Gelder noch zig Jahre in der Zukunft ist...)

  • Weltweit genießen polizeiliche und paramilitärische Eliteeinheiten Privilegien und – teilweise auch – eine gewisse “Narrenfreiheit“. Verfehlungen (bspw. strafrechtlicher Art) von Angehörigen werden gerne “von oben“ gedeckelt; sie werden meist erst dann zum Problem wenn sie öffentlich werden. Dies funktioniert auch deshalb, weil man diesen Eliteeinheiten offensichtlich – stillschweigend - Privilegien und Narrenfreiheit zugesteht.



    taz.de/Rechtsextre...ndeswehr/!5440105/

    • 9G
      91751 (Profil gelöscht)
      @Thomas Brunst:

      So ist es. In großen Reden werden die unantastbaren Ideale hochgehalten und behauptet, dass man sie verteidigen wird.



      In der Realität geht anscheinend im besten Falle darum keine schlechte PR zu produzieren, im schlechtesten Falle treffen Straftäter auf gleichgesinnte Entscheidungsträger.



      Wenn dann Menschen das Vertrauen in staatliche Institutionen verlieren, seien dass nun Behörden, Polizei oder BW, dürfen sie sich noch als Idioten hinstellen lassen. Kritik an solchen Institutionen ist ein Angriff auf uns alle, denn sie sind ja ein Abbild der Gesellschaft. Bzw. stehen ja alle auf dem Boden des GG, ein paar faule Äpfel, etc

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Wow, beim Alten Fritz wäre das nicht passiert.



    Lässt blicken, wie sich die Verantwortlichen an Gesetze halten