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Prozess gegen Italiens Ex-Innenminister Matteo SalviniAnklage wegen Freiheitsberaubung

Als Minister verweigerte er NGO-Schiffen mit Geflüchtete das Anlegen in italienischen Häfen. Jetzt steht Salvini wegen eines Falles in Sizilien vor Gericht.

Nicht schon wieder ein Foto mit Salvini, sondern hier lieber das Schiff des Anstoßes: die Open Arms Foto: ap

ROM taz | Matteo Salvini wird der Prozess gemacht. Am Samstag entschied in Palermo ein Richter in der Voranhörung, dass der Chef der radikal rechten, rassistischen Lega und frühere Innenminister Italiens sich wegen Freiheitsberaubung und Verletzung seiner Amtspflichten durch Unterlassung verantworten muss.

Salvini wird vorgeworfen, dass er als Minister im August 2019 147 Migrant*innen, die im Mittelmeer von dem spanischen NGO-Schiff Open Arms gerettet worden waren, sechs Tage lang den Landgang in einem italienischen Hafen verweigerte. Diese Politik war der Markenkern des Politikers, der mit den Schlachtrufen „Italiener zuerst!“ und „Geschlossene Häfen!“ in der Zeit vom Juni 2018 bis zum August 2019 das Innenressort vor allem dazu nutzte, seinen Feldzug gegen die von Libyen aus in See stechenden Geflüchtete zu führen.

Immer wieder hatte er deshalb tagelang Mi­gran­t*in­nen gezwungen, auch in der Sommerhitze an Bord von Schiffen zu bleiben, auf denen kaum Platz für sie war, weshalb sie auch in der Sommerhitze auf Deck ausharren mussten.

Auf die Anschuldigungen antworteten Salvini und seine Anwältin am Samstag in Palermo mit einer doppelten Verteidigungslinie. Vorneweg brachte der Lega-Chef vor, er habe doch bloß „das Vaterland verteidigt“ und „die Grenzen geschützt“. Daneben aber stellte er zugleich das Argument, sein Vorgehen sei damals die Linie der gesamten Regierung – einer Koalition der Lega mit den Fünf Sternen unter dem parteilosen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte – gewesen.

Eben diesem Argument hatte in der Voranhörung die Staatsanwaltschaft widersprochen, die sich auf die Aussage des Ex-Regierungschefs Conte berief, die Zuweisung „sicherer Häfen“ habe in der exklusiven Zuständigkeit des Innenministers gelegen.

Diese Frage wird im Hauptverfahren gewiss wieder aufkommen, denn Salvini hat wenigstens die Tatsache auf seiner Seite, dass ihm bei seiner schikanösen Politik gegen die Geflüchteten seinerzeit weder der Koalitionspartner Fünf Sterne noch der Premier Conte selbst je in den Arm gefallen wären. Im Gegenteil: der damalige Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio, der als Wirtschafts- und Arbeitsminister neben Salvini im Kabinett saß, beteiligte sich an der geflüchtetenfeindlichen Stimmungsmache, etwa indem er die im Mittelmeer aktiven NGOs als „Taxis des Meeres“ schmähte.

Es drohen 15 Jahre Haft

Unbestreitbar ist auch ein weiterer Punkt, den Salvinis Verteidigerin (und Lega-Abgeordnete) Giulia Bongiono in der Voranhörung vorbrachte. Auch nach dem Ende seiner Amtszeit im August 2019, nach der Bildung einer Koalitionsregierung aus den Fünf Sternen und der gemäßigt linken Partito Democratico – wiederum unter dem Ministerpräsidenten Conte – wiederholten sich Fälle, in denen NGO-Schiffen mit hunderten Geflüchteten an Bord erst nach tagelangem Warten ein Hafen zugewiesen wurde. Dennoch habe niemand Strafanzeige gegen Luciana Lamorgese, die Nachfolgerin Salvinis im Innenministerium, gestellt, so die Anwältin. Sie behauptete zudem, Freiheitsberaubung liege schon deshalb nicht vor, weil niemand dem NGO-Schiff Open Arms verboten habe, andere Länder anzusteuern.

Bis zu 15 Jahre Haft drohen Salvini – und sein juristischer Ärger ist mit der Eröffnung des Hauptverfahrens in Palermo keineswegs vorbei. Am 14. Mai wird auch das Gericht im sizilianischen Catania über die Eröffnung eines zweiten Prozesses gegen den Ex-Innenminister entscheiden, erneut wegen Freiheitsberaubung. Denn nur wenige Wochen vor dem Fall der Open Arms hatte er drei Tage lang einem Schiff der italienischen Küstenwache mit 131 Geflüchteten an Bord die Einfahrt in einen Hafen verweigert.

Auf die Entscheidung in Palermo antwortete er jetzt, er werde sich „erhobenen Hauptes“ dem Prozess stellen, da er bloß seine „heilige Bürgerpflicht“ getan habe.

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