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Prozess gegen Inger StøjbergHardlinerin vor Gericht

In Dänemark beginnt ein historischer Prozess gegen die Ex-Integrationsministerin. Mit dem „Kinderbräute“-Erlass soll sie Gesetze gebrochen haben.

Hat sich als Ministerin den Ruf als rechte Hardlinerin erworben: Støjberg 2016 zu Besuch in Kiel Foto: Thomas Eisenkrätzer/dpa

Stockholm taz | Am Donnerstag beginnt vor dem sogenannten Reichsgericht in Kopenhagen der Prozess gegen die ehemalige Einwanderungs- und Integrationsministerin Inger Støjberg. In der Anklageschrift dieses Amtsvergehensverfahrens wird ihr vorsätzlich rechtswidriges Handeln im Ministeramt vorgeworfen. Sie habe nicht nur gegen dänische Gesetze, sondern auch gegen internationales Recht, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention sowie die UN-Kinderrechtskonvention verstoßen.

Es ist ein historisches Verfahren, für das eine klare Mehrheit des dänischen Parlaments im Februar den Weg freigemacht hatte. In Dänemark, das kein Verfassungsgericht kennt, war diese schwerwiegendste Sanktionsmöglichkeit des Parlaments gegen ein Mitglied der Regierung bereits 1849 eingeführt und dann in die jetzt geltende Verfassung übernommen worden. Seit 1910 hatte es aber nur ein einziges Verfahren gegeben.

1994 war der ehemalige Justizminister Erik Ninn-Hansen vom Reichsgericht zu einer Haftstrafe von vier Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Er hatte es zu verantworten, dass unter Verletzung geltenden Rechts anerkannten Flüchtlingen aus Sri Lanka systematisch die Einreise und der Aufenthalt von Angehörigen im Rahmen des Familiennachzugs verweigert worden war.

Um Geflüchtete geht es auch im Verfahren gegen die 48-jährige Støjberg, die zwischen 2009 und 2016 unterschiedliche Kabinettsposten in mehreren Regierungen innehatte. In einem „Kinderbräute“-Erlass hatte sie am 10. Februar 2016 die Trennung aller nach Dänemark geflüchteten Paare mit einem Partner unter 18 Jahren angeordnet. Offiziell hatte sie das damit begründet, dass sie minderjährige Mädchen vor erzwungener Partnerschaft schützen wolle.

Junge Frauen reagierten „panisch“

Zwar wäre eine solche Entscheidung in Einzelfällen durchaus zulässig gewesen, konstatierte ein 3.400 Seiten umfassender, im Dezember 2020 veröffentlichter Untersuchungsbericht. Die Anordnung aber, alle Paare zu trennen, sei nicht nur ein untaugliches Mittel, sondern „eindeutig illegal“ gewesen. Erschwerend kommt hinzu, dass Støjberg durch ihr eigenes Ministerium auf die Gesetzwidrigkeit ihrer Anordnung hingewiesen wurde.

23 Frauen waren seinerzeit von ihren Partnern zwangsweise getrennt worden, darunter fünf Schwangere, vier Mütter und einige Erkrankte. Laut dem Untersuchungsbericht kam es bei solchen Zwangstrennungen teilweise zu dramatischen Szenen und Polizeieinsätzen: Mehrere der jungen Frauen hätten „panisch reagiert“, „geweint und sich gewehrt“, seien „völlig zusammengebrochen“, einige hätten versucht, sich das Leben zu nehmen und mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Støjbergs Ministerium war in allen Fällen über die Auswirkungen des Erlasses informiert worden. Trotz wachsender Kritik, auch innerhalb der Behörden, wurde er nicht gestoppt.

Støjberg hatte sich in den Jahren 2015 bis 2019 als Einwanderungsministerin einen Ruf als Hardlinerin erworben. Zu ihren populistischen Initiativen gehörten auch ein „Schmuckgesetz“, aufgrund dessen syrische Flüchtlinge gefilzt wurden, um mit eventuellen Habseligkeiten ihren Aufenthalt in Dänemark zu bezahlen, oder der Plan, abgewiesene Asylsuchende in einem Internierungslager auf einer virenverseuchten Insel unterzubringen.

Auf dem Weg zur „Støjberg-Partei“

Støjberg hält sich in Bezug auf die Anklage für unschuldig. Sie habe nichts Unrechtes getan, ihre Politik habe seinerzeit die Unterstützung einer Parlamentsmehrheit gehabt. Ihre Partei, die rechtsliberale Venstre, hatte sie im Februar verlassen, nachdem auch der Parteivorsitzende den Prozess gegen sie unterstützt hatte.

Das jetzige Verfahren will die parteilose Parlamentsabgeordnete offenbar nicht nur für einen Frontalangriff gegen ihre Ex-Partei nutzen, sondern auch für einen politischen Neuanfang. Zum Auftakt des Verfahrens ging Støjberg mit einer Webseite online, auf der sie sich als Verfechterin für „den begonnenen Kampf um dänische Werte“ präsentiert: „Niemand sollte das Fundament der Freiheiten erschüttern, auf denen Dänemark aufgebaut ist. Die unfreie Kultur des Islam darf unser Land nicht verändern“, steht dort. Sie fordert ihre Anhänger auf, sie finanziell zu unterstützen.

Sie spricht in diesem Zusammenhang von einem „Volksklub, der Dänemark liebt“. Falls aus diesem „Volksklub“ demnächst eine „Støjberg-Partei“ werden sollte, würde das kaum verwundern.

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15 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Interessant! Auch in Deutschland war dies ja ein Problem, denn nach unserem Recht können ja gar keine Ehen mit unter 16 Jährigen geschlossen werden und auch zwischen 16 und 18 grundsätzlich nicht (www.online-scheidu...tive-zur-scheidung ). Doch wie geht man dann mit denen um, die woanders geschlossen wurden? Bei dieser Frage herrschte hier ja auch Uneinigkeit, wobei der BGH sich klar zu einer Einzelfallprüfung positioniert hat (taz.de/Urteil-uebe...gendehen/!5707367/ ) und das finde ich auch richtig! Es muss geprüft werden, wie die Umstände der Eheschließung waren und wie reif die jugendliche Partei zum Zeitpunkt der Eheschließung war, inwieweit die Folgen abgesehen werden konnten und selbstverständlich ob die Ehe freiwillig eingegangen worden ist!

  • Das politische Milieu dieser Dame ist dasselbe, welches im Winter 2015/16 bereits in winterfesten Gebäuden untergebrachte Geflüchtete wieder in zugige Behelfszelte o. -buden zurückverfrachten wollte als "Abschreckung".

    "Christl.-bürgerl. Werte" bis zur Kenntlichkeit entlarvt sozusagen.

  • "In einem „Kinderbräute“-Erlass hatte sie am 10. Februar 2016 die Trennung aller nach Dänemark geflüchteten Paare mit einem Partner unter 18 Jahren angeordnet."



    Ich finde das richtig. Trennen heißt ja nicht, dass die Paare nicht miteinander kommunizieren oder sich sehen können, sondern , dass sie vorübergehend getrennt wohnen. Je nachdem wie alt die jeweiligen männlichen Partner sind bzw. wann die "Ehe" geschlossen wurde, können da tatsächlich Fälle von Kindesmissbrauch vorliegen. Die Schwangerschaften der Minderjährigen machen es nicht einfacher.

    • @*Sabine*:

      Stellen sie sich vor, sie sind das verheiratete Mädchen, kommen in einem fremden Land an und auf einmal sind sie nicht mehr verheiratet, dh. auf sich alleine gestellt, ohne Bezugsperson?



      Da würde ich auch erstmal panisch werden.



      Es geht ja auch nicht darum, dass Menschen unter 18 in Europa heiraten dürfen, sondern, dass eingereiste Personen, die ihrem Kulturkreis entsprechend gehandelt haben, respektiert werden.



      Wenn es konkrete Hinweise gibt, die eine Trennung indizieren, ist dies ja immernoch möglich.

    • @*Sabine*:

      Warum wollen Sie das? Um ein Prinzip durchzusetzen oder um den Betroffenen zu helfen? Wenn es Ihnen um Ersteres geht, meinetwegen, zu Letzterem beweist der Artikel ja sehr gut, dass das Vorhaben den Betroffenen eben nicht hilft.

    • @*Sabine*:

      Wenn ein 18-Jähriger Däne mit seiner 17-jährigen dänischen Freundin zusammenzieht, juckt das keinen und widerspricht bestimmt keinen "dänischen Werten".

    • @*Sabine*:

      Ganz richtig: "Je nachdem ..." bedeutet letztlich "im Einzelfall" und darum geht es.

  • Irgendwie scheint in Dänemark das politische System völlig aus den Fugen zu sein. Scheinbar sind dort so ziemlich alle Parteien zu Rechtspopulisten bzw. Rechtsextremisten mutiert

  • Ist doch klar, wie das ausgeht:

    Die Exministerin wird freigesprochen und Dänemark setzt seine rassistische Migrationspolitik fort. Kein Respekt vor anderen Kulturen= Kolonialismus pur.

    Ich hoffe, dass Deutschland mit einer grünen Kanzlerin einen anderen Weg geht.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @V M:

      Kinderehen sind ein kultureller Aspekt vor dem man keinen Respekt haben muss, hier ist man über das Ziel hinaus geschossen aber die Idee ist richtig, Minderjährige gehören nicht von ihren Familien verheiratet und wer hier leben will hat sich was Werte angeht zu assimilieren.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        Das muss man am Einzelfall festmachen. Wenn zwei 17-Jährige oder 16- und 19-Jährige zusammenleben, ist das keine "Kinderehe".

      • @83379 (Profil gelöscht):

        Bis 2017 konnte man in Deutschland auch schon mit 16 heiraten. Sollte man auch vor diesen Ehen keinen Respekt haben und die Ehepaare zwangsweise trennen?

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    "Am Donnerstag beginnt vor dem sogenannten Reichsgericht in Kopenhagen der Prozess ... "



    sogenannten ???

    • @82286 (Profil gelöscht):

      Ja, "sogenannten".

      Diese besondere Attributierung hier ist geboten da Leser den Begriff mit dem Begriff aus der deutschen Vergangenheit verwechslen könnte.

      Eine treffendere Übersetzung aus dem Dänischen scheint nicht zu existieren.

      Allerdings hätte man ja vielleicht alternativ den dänischen Originalbegriff als Eigennamen stehen lassen können.

    • @82286 (Profil gelöscht):

      Ich kann nur vermuten, der Schreiber scheint eben auch einer derer, die glauben, sie müssten dem Leser mit etwas Tabuisierung unter die Arme greifen. Ist doch der Begriff 'Reich(s)-' durch die Nazi's ausgebeutet worden,und deshalb unliebsam besetzt, und also leider schon vergeben.



      (...)

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