piwik no script img

Prozess gegen IB-Mitglieder in ÖsterreichFreispruch für Identitäre

In Graz standen 17 Angehörige der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich vor Gericht. Nun wurden sie weitgehend freigesprochen.

Polizisten stehen vor einer Identitären-Demo in Wien (Archivbild 2016) Foto: imago/chromorange

Wien taz | Die Identitäre Bewegung Österreich (IBÖ) ist keine kriminelle Vereinigung, befand ein Richter in Graz in seinem Urteil gegen 17 Angehörige der rechtsextremen Gruppierung. Was die Vorwürfe der Verhetzung und der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung betrifft, wurden die Beschuldigten daher am Donnerstag in den zentralen Anklagepunkten freigesprochen. Der Prozess gegen die Mitglieder der IBÖ wurde Anfang Juli eröffnet.

Zwei Angeklagte wurden wegen Sachbeschädigung, einer wegen Nötigung und Körperverletzung jeweils zu Geldstrafen von 240 und 720 Euro verurteilt. Oliver Vitouch, der Rektor der Universität Klagenfurt, hatte bei einer IBÖ-Aktion auf der Uni einen Schlag in den Bauch bekommen. Die Sachbeschädigung bezieht sich auf Farbschmierereien auf der Straße, die von der Gemeinde entfernt wurden.

„Wenn eine Organisation im Kernbereich legale Tätigkeiten ausübt, ist es keine kriminelle Vereinigung, auch wenn sich daraus Straftaten ergeben“, so die Urteilsbegründung laut ORF. Demnach habe der Richter erklärt, die Verhetzung sei zwar „unstrittig“, der Bedeutungsinhalt aber mehrdeutig, weshalb die IBÖ-Mitglieder und Anhänger großteils freizusprechen seien.

Schon im vergangenen März waren Aktivisten der Identitären wegen einer Störaktion während einer Theateraufführung an der Uni Wien freigesprochen worden. Am Landesgericht für Strafsachen Graz ging es jetzt um zwei Aktionen aus dem Jahr 2016. Vom Dach der Parteizentrale der Grünen hatten Identitäre eine Transparent mit der Aufschrift „Islamisierung tötet“ heruntergelassen. Der Richter sah das nicht als Kritik am Islam, sondern „an der Grünen-Politik und dem radikalen Islamismus“.

Beim Stürmen einer Vorlesung an der Uni Klagenfurt hatte man mit der Parole „Integration ist Lüge“ eine „verfehlte Politik“ kritisiert. So der Richter: „Diese Meinung kann man teilen, muss man aber nicht“. Damit sei der Vorwurf der Verhetzung erledigt und so auch „das Thema kriminelle Vereinigung abgehakt“.

Rechtsextreme zweifelten an Gericht

Die rechtsextreme Szene Österreichs hatte den Prozess mit großer Spannung verfolgt und wegen vermeintlicher Voreingenommenheit der Justiz bereits mobilisiert. Das der FPÖ nahestehende Portal unzensuriert.at machte darauf aufmerksam: „Graz ist der einzige politische Raum Österreichs, in dem die Kommunisten eine relevante Größe sind. Kommen sie im Rest Österreichs meistens auf kein volles Prozent, haben sie in Graz mit 20 Prozent zehn Sitze im Gemeinderat. Wir alle wollen an eine unabhängige Justiz glauben, aber manchmal machen es einem die Umstände schwer.“

Christian Pilnacek, Generalsekretär des Justizministeriums, hatte den Vorwurf des „Gesinnungsstrafrechts“ schon vor drei Wochen zurückgewiesen. Das Urteil ist für ihn eine „Entscheidung an der Grenze“. Es sei aber notwendig gewesen, sich mit der Bewegung auseinanderzusetzen.

Die Identitären fühlen sich von den Behörden verfolgt. So wurden im Zuge der Ermittlungen auch die Privatwohnungen von Martin Sellner und eines weiteren Führungsmitglieds durchsucht. Dort wurden auch Festplatten, Smartphones und Laptops sichergestellt. Sellner war im März aus Großbritannien abgeschoben worden. Er hätte auf Einladung der Brexit-Partei UKIP im Hyde Park sprechen sollen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ein begrüßenswertes Urteil, weil es der Exekutive aufzeigt wie es eben nicht geht: Der Freiheit der Meinungsäußerung sind (auch in Österreich) Grenzen gesetzt, innerhalb derer man sich jedoch nach Belieben bewegen darf - auch wenn's Anderen weh tut.

  • ein guter tag

  • So wie sich USA, GB und F, nie ihrer Imperialen und Kolonialen Verfehlungen stellen mussten, Deutschland mit Hitler war ja bei möglichen aufkommenden Diskussionen nachweislich immer schlimmer, hat A es auch nie verstanden, sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen, schon gar nicht mit dem Landessohn aus Braunau am Inn. D hatte einen ja „überfallen“ und war ja auch immer viel schlimmer, mit Holocaust und so.



    Der eigenen Verantwortung durch die übermächtige Schuld von D scheinbar entledigt, geriert sich der gemeine Ösianer via FPÖ, als die Speerspitze rechten Gedankengutes. Wer soll da was gegen haben, A ist doch kein Täterland wie die Piefkes, da sind Nazis halt nur eine der vielen politischen Strömungen, oder? Ein guter Teil unseres Nachbarlandes scheint diese Bewusstseinsstörung seit Jahren und über eine Generation hinweg, gern zu pflegen, ist auch schöner und einfacher. Wie gut das es die Piefkes gibt.

  • Ach ja... schöne Welt.

    • @Neinjetztnicht:

      Ja... stimme Ihnen zu. Sehr schön!

      • @DerFrank:

        Oha, ich hoffe Sie meinen das genauso ironisch wie ich...