Prozess gegen Halle-Attentäter: Der Waffennarr
Nach drei Wochen Pause wurde der Prozess zum Anschlag auf die Synagoge in Halle fortgesetzt. Im Fokus: Die Waffenobsession des Angeklagten.
Der Angeklagte selbst dokumentierte sein Waffenarsenal selbst in einem „Pre-Action-Report“. Dabei zeigte ein Foto, dass Stephan B. im Bettkasten seines Zimmers zahlreiche Waffen deponiert hatte. Unmittelbar vor der Tat machte der Angeklagte noch ein Selfie in der Wohnung seines Vaters, bei dem er „in voller Montur“ vor einem Spiegel posierte. Nach Angaben des Zeugen soll seine gesamte Ausrüstung, die er zum Beginn der Tat an der Synagoge trug, etwa 29 Kilogramm schwer gewesen sein.
Dokumentiert wurden unter anderem Schusswaffen, Messer, ein bereits im Mai 2011 im Internet gekauftes Schwert, eine selbstgebaute „Grabenkeule“ aus einem Holzstiel mit einem Zahnrad sowie Munition. Allein auf die 40 Jahre alte Passantin, die er vor der Synagoge tötete, soll er 15 Schüsse, ein ganzes Magazin, abgegeben haben. Er schoss der Frau mehrfach in den Rücken.
Am Rande des sechsten Prozesstages gab es einen kleinen Zwischenfall: Ein Nebenklagevertreter wies das Gericht darauf hin, dass eine ihm bekannte Rechtsextremistin unter den Zuschauern ohne Mund-Nasen-Schutz sitze. Die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens ließ sich daraufhin das vermeintliche ärztliche Attest zeigen und ordnete das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung an. Trotz Asthma und ärztlicher Empfehlung sei die Bedeckung beim ruhigen Sitzen, ohne körperliche Anstrengung zumutbar, so die Richterin.
Lebenslange Haft samt Sicherheitsverwahrung?
Am 9. Oktober 2019 hatte der Angeklagte einen Anschlag auf die Synagoge in Halle verübt, zwei Menschen erschossen und weitere verletzt. Die Bundesanwaltschaft hat den 28-Jährigen wegen Mordes in zwei Fällen und versuchten Mordes in mehreren Fällen sowie weiteren Straftaten angeklagt. Mit Sprengsätzen und Schusswaffen versuchte er vergeblich, in die abgeschlossene Synagoge zu gelangen, um möglichst viele Juden zu töten. Zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hielten sich dort 52 Gläubige auf.
Der Angeklagte hatte bereits an den ersten beiden Prozesstagen ein umfassendes Geständnis abgelegt und keinen Hehl aus seiner menschenverachtenden Einstellung gemacht. Ihm droht bei einer Verurteilung eine lebenslange Freiheitsstrafe. Zudem kommt eine anschließende Sicherungsverwahrung in Betracht.
Der Prozess wird seit dem 21. Juli geführt. Aus Platzgründen findet der Prozess in Räumlichkeiten des Magdeburger Landgerichts statt. Es gibt 45 Nebenkläger. Für Mittwoch sind weitere sechs Zeugen geladen. Dann soll das soziale Umfeld des Angeklagten beleuchtet werden, insbesondere seine Aktivitäten im Internet.
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