Prozess gegen Facebook-Küsser: Schüler müssen weiter zittern
Der Prozess gegen drei marokkanische Jugendliche, die ein Kussfoto ins Internet gestellt haben, hat begonnen. In den Fall hat sich Amnesty International eingeschaltet.
RABAT/NADOR dpa/taz | Ungeachtet von Protesten hat in Marokko der Prozess gegen drei Schüler begonnen, die wegen eines auf Facebook geposteten Kussfotos der „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ beschuldigt werden. Das Verfahren wurde allerdings am Freitag von einem Gericht in der Küstenstadt Nador schon kurz nach dem Auftakt auf den 22. November vertagt, wie Justizsprecher in dem nordafrikanischen Königreich mitteilten.
Ein 15-Jähriger und seine 14 Jahre alte Freundin hatten sich in Nador Ende September küssend fotografieren lassen und das Bild in dem Online-Netzwerk veröffentlicht. Eine konservative Organisation wurde auf das Bild aufmerksam und erstattete Anzeige. Die Polizei nahm daraufhin das verliebte Pärchen und auch einen 15-jährigen Freund fest, der das Foto aufgenommen hatte. Nach fünf Tagen hinter den Gittern von Jugendanstalten waren die Jugendlichen am Dienstag aber wieder auf freien Fuß gesetzt worden.
Den Jugendlichen droht eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren. Ihre Festnahme hatte in Marokko eine Welle der Empörung ausgelöst. Vor allem Jugendliche und Menschenrechtler hatten in den sozialen Netzwerken protestiert und unter anderem durch die Veröffentlichung eigener Kussfotos Solidarität gezeigt.Vor den Jugendanstalten, in denen die drei Schüler festgehalten wurden, hatte es Sitzstreiks gegeben.
Zum Auftakt des Prozesses versammelten sich am Freitag vor dem Gerichtsgebäude in dem auch für marokkanische Verhältnisse besonders konservativen Nador mehrere Vertreter nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen. Zwischenfälle gab es dabei aber nicht. Auch im Netz geht der Protest weiter. Eine Solidaritätsseite auf Facebook hatte bis Montagmittag 13.000 „Likes“.
Amnesty International forderte unterdessen die Behörden auf, die „absurden Anschuldigungen“ gegen die drei Schüler sofort und bedingungslos zurückzunehmen. „Es ist schlicht und einfach absurd, dass diese Jugendlichen verurteilt werden können, nur weil sie sich geküsst und ein Foto auf Facebook veröffentlicht haben“, zitierte die Menschenrechtsorganisation auf ihrer Internetseite den Chef des Büros für Nordafrika und den Nahen Osten, Philip Luther.
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