piwik no script img

Protestsong aus BelarusKein Bock auf Kartoffeln

Gegen diktatorischen Bullshit: Die belarussische Punkband Messed Up unterstützt den Kampf der Protestbewegung mit einem kraftvollen Song.

Dackelpunk rules okay: Messed Up in Grodno Foto: Audiolith

„Hier hat es lange keine Wahl gegeben / Wir stehen am Abgrund / Was du zum Mittagessen haben wirst / Wirst du nicht entscheiden / Hier gibt es keine Meinungsfreiheit mehr / Wage es nicht einmal, darüber nachzudenken / Wir ertrinken immer wieder in Lügen“. Messed Up sind nicht versöhnt mit den Verhältnissen, nach wie vor nicht. Die Punkband aus dem belorussischen Grodno tritt seit Gründung 2015 gesellschaftlichen Zwängen, die ihr Heimatland blockieren, entgegen.

Mit Do-it-yourself-Heimwerkerinnencharme und kollektiver Schöpfungskraft entwickeln sie enorme Dynamik und tragen zur pulsierenden Subkultur in Belarus bei. Die Zeilen des Songs „Scream Louder“, der vorgestern beim Hamburger Label Audio­lith veröffentlicht wurde, sind zwar keine Reaktion auf die gezinkte Wahl am 9. August – komponiert wurde der Song bereits im Frühling –.

Er zeigt dennoch anschaulich, wie weit die Unterdrückung des diktatorischen Systems Lukaschenko fortgeschritten ist. Nicht nur mit Musik drücken die Künstlerinnen ihre Wut darüber aus. Bei den Demonstrationen – die seit der Wahl jedes Wochenende Hunderttausende im Land auf die Straße bringen – sind sie eine der vielen treibenden Kräfte, Drummer Tima wurde verhaftet.

Das Regime satthaben

In einer Pressemitteilung teilt Messed Up lakonisch mit: „Der Text spricht aus, wie satt wir es haben, unter einem Regime zu leben, das sich nicht für das Leben seiner Bürger interessiert. Wir sind jung und wollen nicht das Leben unserer Eltern führen, die bis ans Ende auf bessere Zeiten warten.

Messed Up

Messed Up: „Scream Louder“ (Audiolith/Indigo)

Wir haben andere Träume und Erwartungen an unser Leben als gute Hausfrauen zu sein, zwei Kinder zu gebären (eins für die Armee!), Kartoffeln zu kochen und zu glauben, dass Belarus der coolste Ort der Welt ist. Weil wir seit hundert Jahren einen so tollen und klugen Präsidenten haben, der weiß, was das Beste für uns ist. Wir haben genug von all dem Bullshit, den sie uns Tag für Tag erzählen.“

Der Punksound bleibt straight und spiegelt wider, wie entschlossen es in den Menschen aussehen mag: Nastyas wütende Stimme ruft im Zusammenspiel mit den schnell zuckenden Instrumenten ekstatische Berserkerwut auf und ermuntert die Hörer:innen zum Regimechange: „Unsere Herzen schlagen stärker zusammen / Schwalbe, Elefant, wir sind hier zusammen mit unseren Freunden / Wir sind zu viele / Sie werden uns nicht in die Knie zwingen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Dann gibt es ja doch nicht nur die Einheitsbilder der friedlichen edlen Frauen mit Nationalfahnen.

  • 0G
    06227 (Profil gelöscht)

    Beim Titel des Artikels dachte ich zuerst an das Gefühl das mich ergreift, wenn ich nach einiger Zeit im Ausland zurück nach Deutschland komme....

    • @06227 (Profil gelöscht):

      Ausland? Inland? Kein Land, Punk!

      • @Tinus:

        "Gott sei Dank nicht in England" möchte ich da mit den Fehlfarben sagen.

        Oder eben: Gott sei Dank nicht in Belarus.

        Das Video finde ich sehr gelungen, es zeigt ungeschönt die völlig entfesselte Gewalt der Polizei. Und gleichzeitig die Hoffnung und den Mut der Menschen.

        Die für den Kampf um die Rechte, die für uns so selbstverständlich sind, ein sehr großes Risiko eingehen. Sie können geschlagen werden, gedemütigt, verhaftet, gefoltert oder getötet.

        Ich wünsche der Bewegung viel Erfolg und dass beim Erreichen von diesem möglichst wenig Menschen zu Schaden kommen.

        Punk ist nicht totzukriegen.