Protestkultur im Vergleich: Deutsche verhandeln

Der Reifenhersteller Conti will in Deutschland und in Frankreich je ein Werk schließen. Die französischen Mitarbeiter verwüsteten Büros - in Deutschland geht es leiser zu.

Deutsche und Französische Continental-Mitarbeiter demonstrierten am Donnerstag vor der Conti-Hauptversammlung in Hannover. Bild: dpa

Zwei Länder, zwei Kulturen: Der Reifenhersteller Conti will in Deutschland und in Frankreich je ein Werk schließen. Doch während die empörten Beschäftigen in Frankreich das Gebäude ihrer Regionalregierung stürmten und dort Büros verwüsteten, geht es im Conti-Werk Hannover-Stöcken weiterhin gesittet zu - obwohl dort 700 Menschen ihre Stelle verlieren sollen.

"Die Revolution fand vor zweihundert Jahren in Frankreich statt, nicht in Deutschland", sagt Rudolf Heim von der Chemiegewerkschaft IG BCE. "Das sind unterschiedliche Mentalitäten." Dabei ist die Wut auch in Deutschland groß: "Conti stellt die Systemfrage", erklärt Heim. Es gebe eine Betriebsvereinbarung, dass es zu keinen betriebsbedingten Kündigungen in Stöcken kommt. "Damit wird eine rechtsverbindliche Vereinbarung gebrochen." Doch diesen Streit will man geordnet juristisch austragen, obwohl auch die IG BCE weiß, dass "man langfristig vor Gericht die Standorte nicht sichern kann".

Daher wird man Anfang Mai über weitere Proteste beraten; am Donnerstag gab es bereits eine Demonstration in Hannover, an der rund 3.000 Menschen teilgenommen haben.

Heim fürchtet nicht, dassConti-Mitarbeiter derweil die Geduld verlieren könnten und einfach ohne ihre Gewerkschaft beschließen, das Werk in Stöcken zu besetzen. "In Frankreich haben wilde Streiks Tradition, doch nicht in Deutschland."

So sieht es auch Gewerkschaftsexperte Hans-Jürgen Arlt: In Frankreich gebe es eine Protestkultur, in Deutschland eine Verhandlungskultur. Allerdings glaubt Arlt, dass sich die deutschen Gewerkschaften wandeln sollten: "Man muss in beiden Kulturen stark sein, darf das nicht als Alternative sehen."

Noch versuchen die meisten Firmen, ihre Stammbelegschaft zu halten, indem sie Kurzarbeit anbieten. Sollten aber Betriebsteile ganz stillgelegt werden, dann kann sich Ralf Reinstädtler von der IG Metall Homburg vorstellen, dass sich "der Protest hier zuspitzt wie in Frankreich". Er sieht eine "neue Auswegslosigkeit": Wer arbeitslos wird, rutscht schnell in Hartz IV.

Vorerst jedoch geht es bei den Gewerkschaften klassisch zu: Am 1. Mai wird es wieder dezentrale Kundgebungen geben, das Motto lautet diesmal "Arbeit für alle bei fairem Lohn!"

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.