Proteste verunsichern Wirtschaft: Bangen um Hongkongs Sonderstatus
Deutsche Firmen fürchten angesichts der Proteste um Rechtssicherheit in Hongkong. Für China ist die Sonderwirtschaftszone nicht mehr entscheidend.
Angesichts dieser Eskalation mehren sich die Stimmen, die vor schweren Schäden für die Wirtschaft warnen. Die Gewalt habe Hongkong in „Panik und Chaos“ gestürzt, warnte Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam, gegen die sich die Proteste richten. Hongkong als wirtschaftlich stabile Stadt werde „schwere Wunden“ davontragen.
Noch gibt es keine Zahlen, wie groß die wirtschaftlichen Einbußen sein werden. Die deutsche Wirtschaft, die mit rund 600 Unternehmen in Hongkong vertreten ist, sorgt sich vor allem um die langfristige Entwicklung. Sollten die Proteste weiter eskalieren und die kommunistische Führung womöglich militärisch einschreiten, könnte Hongkong seinen Status quo verlieren. Friedolin Strack vom Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft betont, wie wichtig es sei, dass dieser Status „mit hohen Standards für Rechtssicherheit und Transparenz“ erhalten bleibe. Und auch Max Zenglein, Ökonom am Berliner China-Institut Merics, befürchtet, ein Eingreifen Chinas könnte dazu führen, dass „das Vertrauen der internationalen Finanzwelt „auf dem Spiel“ steht.
Dabei hat die Volksrepublik seiner Sonderwirtschaftszone viel zu verdanken. Der Aufstieg Chinas zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ist erst durch die einstige britische Kronkolonie möglich geworden. Zu Beginn der Öffnungs- und Reformpolitik Anfang der achtziger Jahre war das chinesische Festland noch extrem unterentwickelt. Viele ökonomische Reformen konnte die Führung in Peking erst nach und nach umsetzen. Hongkong kam in dieser Zeit eine Schlüsselrolle zu.
Versprechen für 50 Jahre
Bis in die späten neunziger Jahre war der Hafen Hongkongs der wichtigste Umschlagplatz für Industrieprodukte und Konsumgüter aus der Volksrepublik, später auch eine zentrale Drehscheibe für ausländische Geldgeber, die in der Volksrepublik investieren wollten Nicht zuletzt aus diesem Grund gewährte die Führung in Peking den Hongkongern nach der Übergabe 1997 einen Sonderstatus. Für 50 weitere Jahre sollte Hongkong sein eigenes Rechts- und Ordnungssystem behalten, das sehr viel freier und demokratischer war als auf dem chinesischen Festland.
Die Bedeutung Hongkongs für China hat in den letzten Jahren jedoch rapide abgenommen. Zwar ist Hongkongs Wirtschaft auch weiter kräftig gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich seit 1997 fast verdoppelt. Wurde damals noch rund die Hälfte des chinesischen Handels über Hongkong abgewickelt, sind es heute weniger als 12 Prozent. Hinzu kommt, dass Festlandchinesen zuletzt kräftig in Hongkong investiert haben, viele Firmen in der Stadt sind in chinesischer Hand.
„Diese Abhängigkeiten haben sich als Folge des rasanten Wirtschaftswachstums und des Strukturwandels Chinas zu Ungunsten Hongkongs gedreht“, sagt Markus Taube, Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Duisburg-Essen. Schanghai und allen voran Shenzhen, die Stadt unmittelbar hinter der Grenze von Hongkong, hätten sich hingegen so stark entwickelt, dass Hongkong für Peking nicht mehr wichtig sei.
Zudem ist die Zentralregierung dabei, das gesamte Perlflussdelta zu einer Metropolregion mit mehr als 60 Millionen Menschen zusammenzuführen. Hongkong ist dann nur noch eine Metropole von vielen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung