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Proteste in der UkraineJanukowitsch bietet Kompromiss an

Die wochenlangen Proteste der Opposition zeigen Wirkung. Der ukrainische Präsident Janukowitsch stellt eine Regierungsbeteiligung in Aussicht. Und nicht nur das.

Überraschender Vorschlag von Viktor Janukowitsch. Bild: dpa

KIEW dpa | Nach wochenlangem Machtkampf hat der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch der Opposition um Vitali Klitschko völlig überraschend führende Regierungsämter angeboten. Der frühere Außenminister Arseni Jazenjuk solle neuer Regierungschef und Klitschko dessen Stellvertreter werden.

Das teilte Justizministerin Jelena Lukasch am Samstag nach einem Krisentreffen mit, wie die Präsidialverwaltung in Kiew bekanntgab. Eine Reaktion der prowestlichen Opposition, die bislang für eine Ablösung Janukowitschs kämpfte, lag zunächst nicht vor.

Beide Seiten liefern sich seit zwei Monaten einen erbitterten Machtkampf, der die frühere Sowjetrepublik in eine tiefe Krise stürzte. Die lange Zeit friedlichen Massenproteste gegen den prorussischen Kurs von Janukowitsch waren zuletzt in Gewalt umgeschlagen. Dabei starben mindestens vier Menschen, Hunderte wurden verletzt.

Die Europäische Union und die Bundesregierung riefen den Staatschef mehrfach mit Nachdruck zum Einlenken auf. Erst am Samstag hatte EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle bei einem Besuch in Kiew alle Konfliktparteien aufgefordert, die Gewalt zu stoppen.

Bei Einverständnis der Opposition mit diesem Plan erkläre die bisherige Regierung von Ministerpräsident Nikolai Asarow ihren Rücktritt, hieß es aus der Präsidialverwaltung. Zudem stellte Janukowitsch eine Verfassungsänderung in Aussicht. Im Gespräch sei der Übergang zu einer parlamentarischen Präsidialrepublik. Bislang hat der Präsident alle zentralen Machtbefugnisse in seiner Hand.

Rücktritt und Neuwahlen gefordert

Zwar stellte Janukowitsch zuletzt bereits Zugeständnisse in Aussicht. Die Opposition bezeichnete dies aber als „Hinhaltetaktik“. Klitschko hatte mehrfach ultimativ den Rücktritt des Präsidenten und Neuwahlen gefordert. Nur ohne Janukowitsch und dessen enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin könne der zweitgrößte Flächenstaat Europas den Weg der Westintegration gehen, hatte der Ex-Boxweltmeister betont. Die Opposition hatte auch eine Freilassung der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko zur Bedingung für einen politischen Neubeginn gemacht.

Als unklar galt, wie sich das Angebot von Janukowitsch auf die andauernden Straßenproteste in Kiew auswirkt. In der Hauptstadt war es am Freitagaben nach einer zwischenzeitlichen Beruhigung erneut zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Regierungsgegnern mit Brandsätzen und Tränengas gekommen.

Demonstranten versuchten zudem, nach der Besetzung des Agrarministeriums auch das Energieministerium zu stürmen. Das Behörde gilt als Schlüsselressort: Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für russische Gaslieferungen in die EU. Die Demonstranten verließen aber nach kurzer Zeit das Gebäude wieder.

Gebäude besetzt

Im nationalistisch geprägten Westen des Landes hielten Demonstranten in mehreren Städten weiter offizielle Gebäude besetzt. So stürmten in Winniza Regierungsgegner den Sitz des örtlichen Rats. Im Osten der Ukraine, der als Hochburg von Janukowitsch gilt, erklärten sich Fanklubs einflussreicher Sportvereine solidarisch mit den Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in Kiew.

Die Proteste waren ausgebrochen, nachdem Janukowitsch im November auf Druck Russlands ein von der Opposition als historische Chance betrachtetes Annäherungsabkommen mit der EU auf Eis gelegt hatte.

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18 Kommentare

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  • S
    schiefton

    Erstaunlich, wieviel belesene (oder gerade die belesenen?) das Lied der Propaganda nachsingen, das die Opposition aus Faschisten und Nazis bestehe oder zumindest ein großer Teil bestandteil davon sei.

    Und Putin ist ein Demokrat(Ironie).

     

    Was macht ihr, wenn die Grundrechte, einfach ausradiert werden?

     

    USA und Russland ziehen an einem Strang und alle singen ihre Lieder.

    • @schiefton:

      Woher haben Sie die Menge " großer Teil" ? Von einem Bild einer Demo auf dem Maidan, wo Nazisymbole zu sehen sind ?

      Über die Zusammensetzung der Protestler gibt´s bisher nur spekulative Zahlen.

      Man kann einfach zur Zeit nicht dafür oder dagegen sein. Da fehlen einfach vernünftige Infos.

    • A
      Akrat
      @schiefton:

      och was das was der gemacht hat, ist in Deutschladn schon lange gang und gäbe und niemand regt sich auf.

      Die Versammlungsgesetzeinschränlungen hat Deutschland schon lange und "Gefahrengebiete"... hatten wir grade in Hamburg und haben wir grade in Berlin...

      Nein natürlich ist Putin kein Demokrat und Janukowitsch ist auch nicht dolle, Merkel übrigens auch nicht.

      Aber Klitschko ist finanziell von der CDU abhängig, die Vaterlandspartei ist ein haufen sich selbst bereichernder nationalisten (wie auch Janukowitsch) und die Faschisten von der Swoboda, die gibt es leider.

      Und die Tagesschau hat zudem ein reines Propagandalied auf die Proteste gesungen.

      Fazit:

      Alles Scheiße, nur in verschiedenen Geruchsrichtungen.

  • Denn es wäre für den Dollar nichts gefährlicheres als ein stabiles u. friedliches Europa mit einer starken Währung, die den Dollar als Weltwährung und im Ölgeschäft ablösen würde.

    -

    Eine EU zusammen mit Russland ist der Horror für die USA, denn dann wären die USA auf einem Platz kurz vor Afrika !!

    -

    43 Millionen Arbeitslose haben sie schon und ein Industrie im Niedergang.

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    Dann kann die USA ihren Laden zu machen !!

  • Janukowitsch ist vernünftig

    -

    Hätte er für Recht und Ordnung gesorgt, hätten ihn unsere Medien als Monster dargestellt.

    Die Ukraine würde dann wirtschaftlich isoliert, die Lage der Bevölkerung noch schlechter und ein Bürgerkrieg wäre vorprogrammiert.

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    Sollen doch die anderen gewinnen.

    Der pro russische Teil der Bevölkerung ist ja nicht gegen Europa.

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    Es ist Europa, dass Russland als Gegner behandelt.

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    Die Russen gehören im Gegensatz zu den Türken eindeutig zum europäischen Kulturkreis.

    Nur leben in Russland eben nicht nur Russen, sondern auch noch viele andere Völker.

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    In der Ukraine gibt es aber nur Ukrainer und Russen.

    Die gehören also alle eindeutig zu unserem Kulturkreis.

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    Die EU ist aber leider nicht nur eine friedliche Vereinigung der Völker, sondern ein hässliches Instrument des angloamerikanischen Finanzkapitalismus.

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    Das werden die Ukrainer noch zu spüren bekommen.

  • D
    Demos

    Die Ungleichmässige verteilung des Vermögens wird Janukowitsch das Präsidentenamt kosten !

  • R
    reblek

    "Der ukrainische Präsident Janukowitsch stellt sein Regierungsamt zur Verfügung." - Was für ein Unsinn! J. hat "sein" Amt ganz und gar nicht "zur Verfügung" gestellt, sondern die Ämter der Regierung.

  • IS
    Immer so wie es passt

    Was ist eigentlich mit den 1,4 Millionen Menschen, die in Paris gegen Hollande protestierten? Trat Hollande zurück? Nein. Die wurden wegen 0,0001% in der taz als rechtsextreme Randalierer dargestellt. Dabei wurden friedlich demonstrierende Leute mit Tränengas weggeschossen, Frauen liefen mit weinenden Kindern voller Tränengas weg und alles nur weil sie gegen die Homoehe protestierten. Hätten sie Brandsätze geworfen und hätten sie mit Knüppeln versucht das Parlament zu stürmen, wäre es dann eine "Revolution für mehr Demokratie"? Was wenn in BW die Leute so gegen die grünen vorgehen würden und die russischen Medien über den Rücktritt von Kretschmann sinieren würden? Wäre die taz, SZ, ARD, SPON etc. auch mit im Boot? Wohl kaum. Immer schön wie es passt. Wer bei uns nicht den Grünen folgen will, der wird zum Undemokraten, Menschenfeind etc. etc. gestempelt, man versucht ihm seinen Job wegzunehmen und beschmiert sein Haus mit Parolen. Grüne schicken ihre ugendorganisation los um seine Wahlplakate zu zerstören und die Linksextreme greifen seine Veranstaltungen an, bedrohen Gastwirte die Versamlungsmöglichkeiten bieten...Immer schön wie es passt. Janukowitsch ist nicht weniger ein Gauner als seine Vorgänger. Die Lösung heißt Demokratie und so wie man warten muß bis die französischen Sozialisten vom Front National abgeklöst werden oder die Grünen abgewählt werden, so muß man warten bis Janukowitsch geht. Eine wichtige Sache der Demokratie sind Medien welche beide Seiten gleichberechtigt zu Wort kommen lassen und demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten. Beides haben wir ebensowenig wie die Ukraine. Mitbestimmen dürfen parteimitglieder der SPD und was gedacht werden darf bestimmen einige wenige Redaktionen. Vielleicht ist es eine Idee die gleichen Methoden anzuwenden wie nun in Kiew. Allerdings ist der Sieg der Seite mit mehr Knüppeln keine Demokratie sondern Faschismsu oder Sozialismus.

  • KE
    KAS-Konti einfrieren! Sofort!

    Auflösen der Korad-Adenauer-Stiftung!!!!!!!!!!!!!!!!

    Die reaktionäre Zusammerottung von so genannten CDU-Mitgliedern mit faschistischer Gesinnung muss gestoppt werden.

    Ich fordere die sofortige Auflösung der Konrad-Adenauer-Stiftung und Überführung der Gelder auf ein Sperrkonto.

    Die KAS bringt offensichtlich den Faschismus zurück in die Ukraine.

    Wehret den Anfängen!!!!!!!!!!!!

    Und: Duldet Merkel den deutschlastigen Faschismus in der Ukraine ebenso wie in Ungarn?????

  • D
    Demos

    Die Ungerechte Verteilung des Vermögens ,hat Janukowitsch das Präsidentenamt gekostet .Wer ist Herr in der Ukraine ?

  • GF
    Gegen Faschismus

    Im Westen der Ukraine besetzen faschistische und faschistoide Gruppen Behördengebäude...

  • Also haben die USA und die EU gewonnen, und sind nun in der Lage, ihre Klitschko-Marionette zu installieren – schon die Partei des Ex-Sportlers wurde von der Konrad-Adenauer-Stiftung, also der CDU-Partei-Stiftung gegründet.

     

    Man darf gespannt sein, wie das Ukrainische Volk reagieren wird – denn die Darstellung ist bekanntlich falsch, das sei komplett “EU-freundlich”. In Wirklichkeit ist das ukrainische Volk vielmehr gespalten zwischen der West- und der Ostukraine in dieser Frage.

     

    Am widerlichsten jedoch ist, dass die deutsche FDP zusammen mit der CDU offen die Rechtsextremen in der Ukraine unterstützt haben, um den maximalen Druck aufzubauen.

     

    Man muss sich schon Sorgen um das Ukrainische Volk machen. Wo soll das hinführen?

  • Die Oppositionellen sind doch alle Nazis...die laufen mit Stepan Bandera-Bildern rum und hätten auch 1941 die Wehrmacht willkommen geheißen. Hoffentlich greift Russland ein, um diesen Trend zum Faschismus in der Ukraine zu stoppen.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Das glaubt doch keiner! Janukowitsch will die Führung der Opposition kompromittieren, ganz nach dem Motto: DIVIDE ET IMPERA ! So dumm können Klitschko und seine Mitstreiter gar nicht sein, auf so eine plumpe Finte hereinzufallen...

    • C
      cyctologie
      @1714 (Profil gelöscht):

      doch ich glaubs. und zwar wegen dem motto was sie auch zitieren.

      jetzt muss die opposition wirklich farbe bekennen.

      schauen wir mal was passiert.

      ich glaub die verreißen.

      und in dem fall beweist sich wie richtig janukowitsch handelt: sich an den inteligenten, starken putin halten und nicht an die schwache, dumme, gespaltene eu. die noch jeden "freund" (Arabischer frühling) hat über die klinge springen lassen.

    • J
      Jan
      @1714 (Profil gelöscht):

      Die Frage muss sein, was kommt jetzt. Die Opposition hat die angebotenen Ämter erwartungsgemäß abgelehnt. Solange der Präsident die alleinige echte Machtposition in den Händen hält, war ja auch nichts anderes möglich.

      Was kann der Autokrat Janukowitsch jetzt noch tun? Rollen jetzt die Panzer gen Westen?

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Na ja ein Teil der Opposition war ja schon einmal an der Macht und die haben leger ausgedrückt verkackt. Deshalb wurden sie abgewählt.

    • I
      Irdorath
      @1714 (Profil gelöscht):

      Die diskreditieren sich schon ganz von allein.