Proteste in den USA gegen Rassismus: Die Wut wächst
In den USA nehmen die Proteste gegen rassistische Polizeigewalt immer weiter zu. Derweil verbarrikadiert sich der US-Präsident im Weißen Haus.
In Washington, wo sich Donald Trump hinter einer mehrere Meter hohen neuen Befestigungsanlage rund um das Weiße Haus verbarrikadiert hat, kritisieren Vier-Sterne-Generäle sowie gewählte republikanische PolitikerInnen seine Eskalationspolitik.
Doch auch andere Institutionen stehen jetzt unter Druck. In zahlreichen Großstädten ertönt der Ruf nach dem Rücktritt von BürgermeisterInnen, die jahrelang Polizeibudgets erhöht haben, während sie ihre Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsausgaben kürzten.
Bei der New York Times musste am Wochenende der Chef der Meinungsabteilung zurücktreten. James Bennett hatte einen umstrittenen Kommentar veröffentlicht, in dem der rechte Senator Tom Cotton eine Parole des US-Präsidenten wiederholt hatte. Der US-Präsident und Cotton wollten das Militär gegen DemonstrantInnen einsetzen und den Krieg auf die Straßen ihres eigenen Landes brinen.
„Wir werden die Polizei, so wie wir sie kennen, auflösen“, erklärte am Sonntag die demokratische Präsidentin des Stadtrats von Minneapolis, Lisa Bender. Acht weitere Ratsleute stimmen ihr zu. Der ebenfalls demokratische Bürgermeister Jacob Frey ist gegen eine Auflösung. Er hat der Polizei – entgegen seinen Wahlkampfversprechen – in den letzten Jahren mehr Geld gegeben und hat noch in der letzten Woche erklärt, dass er auch jetzt nur zur Budgetreduzierungen, nicht aber zur Abschaffung der Polizei bereit ist.
Wie die Auflösung der Polizei vonstatten gehen soll, ist ein Thema, das die 400.000-EinwohnerInnen-Stadt in den nächsten Monaten diskutieren wird. Schon lange vor der Ermordung von George Floyd war sie berüchtigt für rassistische Exzesse – sowohl in Worten als auch in gewalttätigen und nicht selten tödlichen Taten.
Lisa Bender, Minneapolis
Bürgerrechtsgruppen verlangten deswegen schon vor Jahren ihre Abschaffung. Am Wochenende sagte Ratsherr Phillipe Cunningham bei einer neuen Großdemonstration in Minneapolis: „Wir haben bewiesen, dass wir selbst für die Sicherheit unserer Community sorgen können.“ Der schwarze Ratsherr sagte auch, dass in den vergangenen Tagen „weiße Rassisten und Extremisten“ Gebäude in Minneapolis abgebrannt hätten.
Der weiße Polizist, dessen Gewalttat die neue Bewegung am 25. Mai auslöste, hat an diesem Montag seinen ersten Gerichtstermin. Derek C. ist wegen Mordes angeklagt. Die drei Kollegen, die ihm am Tatort den Rücken gedeckt haben und inzwischen ebenfalls angeklagt und in Haft sind, beschuldigen jetzt ihre Vorgesetzten. Die Polizisten hätten ihre Befehle erfüllt, argumentieren ihre Verteidiger. Die Verteidigungsstrategie belegt die These der politischen Linken, dass die Polizei nicht reformierbar ist.
Auch andernorts beschleunigt sich die Entwicklung hin zu radikalen Veränderungen der Polizei. In New York sah sich Bürgermeister Bill de Blasio am Wochenende dazu gedrängt, anzukündigen, dass er das Budget der NYPD, der mit 36.000 Beschäftigten größten Polizeibehörde der Welt, um eine Milliarde Dollar kürzen will. Allerdings befindet sich auch de Blasio selbst im Visier der DemonstrantInnen. Denn nachdem ein Mann aus seiner NYPD im Jahr 2014 in dem Stadtbezirk Staten Island den schwarzen Zigarettenverkäufer Eric Garner mit einem Würgegriff umgebracht hat, brauchte de Blasio fünf geschlagene Jahre, bevor er den Polizisten feuerte.
In der US-Hauptstadt Washington hat die schwarze Bürgermeisterin Muriel Bowser die direkt zum Weißen Haus führende 16th Street in Black Lives Matter umbenannt. Sie ließ den neuen Namen in gigantischen gelben Lettern auf die Straße pinseln. Jedoch wurde Bowsers Aktion schon binnen weniger Stunden von DemonstrantInnen überholt. Die pinselten in ebenso großen Buchstaben „Streicht das Polizeibudget“ neben den Straßennamen.
Die Proteste gegen rassistische Polizeigewalt gehen landesweit nun in die dritte Woche und wachsen. Am Wochenende haben die meisten US-amerikanischen Großstädte ihre Ausgangssperren, die sie wegen Plünderungen verhängt hatten, vorzeitig aufgehoben. Der Grund war vor allem massive politische Kritik an den Entscheidungen der Bürgermeister. „Wir lassen uns unser Recht auf Meinungsfreiheit nicht nehmen“, sagt Al Taylor, ein linker Demokrat aus der gesetzgebenden Versammlung des Bundesstaates New York.
Am Montag wollten er und andere Mitglieder der Fraktion der schwarzen, Latino- und asiatischen Abgeordneten einen neuen Anlauf unternehmen, um ein New Yorker Gesetz zu Fall zu bringen, das es der Polizei erlaubt, ihre Gewalttaten vor der Öffentlichkeit zu verstecken. Nach vielen gescheiterten Versuchen ist die Fraktion dieses Mal siegesgewiss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut