Proteste in Venezuela gegen Maduro: Tränengas und die Wut der Straße

Das Militär in Venezuela begehrt gegen Präsident Nicolás Maduro auf. Sowohl die Regierung als auch die Opposition kündigt scharfe Proteste an.

Ein Mann guckt verängstigt hoch, andere im Hintergrund halten sich ihre T-Shirts vor die Nase

Angst auf den Straßen Venezuelas Foto: ap

BUENOS AIRES taz | In Venezuela bringen sich Regierung und rechte Opposition in Stellung. Beide Seiten wollen mit großen Demonstrationsmärschen gegeneinander protestieren. Die Ankündigung ist wenig überraschend. Kaum hatte der neue Präsident der von der rechten Opposition dominierten Nationalversammlung zum Protest aufgerufen, kündigte Diosdado Cabello, Vorsitzender der regierungstreuen Verfassunggebenden Versammlung, den Gegenmarsch an.

Präsident Juan Guaidó hatte den 23. Januar nicht zufällig gewählt. Auf den Tag genau vor 61 Jahren wurde der damalige Diktator und General Marcos Pérez Jiménez aus dem Land gejagt. Vorausgegangen waren dem damaligen Diktatorsturz mehrere gescheiterte Militärrebellionen. Ähnliches dürfte Guaidó durch den Kopf gegangen sein, als er für diesen Tag zum Protest aufrief.

Die Demonstrationen folgen auf eine gescheiterte Militärrebellion in der Nacht auf Montag. Gegen 2.30 Uhr fuhr eine Gruppe von Nationalgardisten aus Macarao, etwa 20 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Caracas, in zwei Militärfahrzeugen zum Posten der Nationalgarde La Redoma im Hauptstadtvorort Petare. Dort entwendeten sie etwa 40 Gewehre, mehrere Pistolen, sowie tausend Schuss Munition und weitere Ausrüstungsgegenstände. Vier Offiziere wurden festgesetzt.

Nach dem Überfall fuhren die Aufständischen zum Stützpunkt der Nationalgarde in Cotiza, einem Vorort von Caracas, an dem das Kommando einer Spezialeinheit für Sicherheit der Nationalgarde seinen Sitz hat. Alarmiert von dem Vorfall waren Einheiten der Fuerza Armada Nacional Bolivariana (FANB) ausgerückt und umstellten den Kommandositz in Cotiza. Am Montagmorgen ergaben sich die Aufständischen der Armee. 27 Nationalgardisten wurden festgenommen sowie Waffen und Munition sichergestellt. Glaubt man den Berichten, so fielen weder Schüsse noch wurde jemand verletzt.

Maduro nicht anerkannt

Schnell hatte sich die Nachricht von der Rebellion über die sozialen Netze verbreitet, die Aufständischen selbst machten mit Handyvideos auf sich aufmerksam. In einem der Videos taucht ein Offizier der Nationalgarde auf, der sich Alexander Bandres Figuero nennt. Er erklärte, dass man die Präsidentschaft von Nicolás Maduro nicht anerkenne, und forderte die Bevölkerung auf, den Aufstand zu unterstützen.

In Cotiza wurden die Armeeeinheiten von vielen AnwohnerInnen mit Schmährufen empfangen. Später flogen Flaschen, Steine und Molotowcocktails. Aus zahlreichen Stadtteilen wurden Proteste und Ausschreitungen gemeldet, darunter auch aus dem Viertel 23 de Enero, einer Hochburg der Regierungsanhänger. Im Netz zirkulieren Bilder von brennenden Mülltonnen und Fahrzeugen sowie von Tränengasangriffen auf die Bevölkerung.

Juan Guaidó, Parlamentspräsident

Was passiert ist, zeigt den Zustand der nationalen Streitkräfte

Videos zeigen zudem ein brennendes Haus im Hauptstadtviertel La Pastore, in dem Robert Serra wohnte. Der 27-jährige Anhänger der Regierungspartei war im Oktober 2014 ermordet worden. Das Haus galt als Gedenkstätte und brannte ebenso nieder wie ein naher Jugendtreff der Partei sowie eine verlassene Polizeistation.

Zudem zirkulieren Berichte von den berüchtigten Colectivos, also paramilitärischen Gruppierungen, die auf Motorrädern unterwegs sind und von der Bevölkerung mehr gefürchtet werden als Polizei und Armee. „Was im Kommandositz der Nationalgarde in Cotiza passiert ist, ist ein Beispiel für den allgemeinen Gemütszustand, der unter den nationalen Streitkräften herrscht“, sagte Parlamentspräsident Juan Guaidó.

Putschversuche gab es viele

Putschversuche von Angehörigen von Armee oder Nationalgarde hat es viele gegeben. „Heute sitzen 159 aktive Militärs wegen Befehlsverweigerung im Gefängnis“, sagte Guaidó. Vor allem die mittleren und unteren Ränge der Armee leiden unter der allgemeinen Misere der Wirtschaftskrise, unter dem Mangel an Lebensmitteln und Medikamenten sowie der atemraubenden Inflation.

Dagegen sind die oberen Ränge mit der Regierung auf das engste verflochten. 17 Ministersitze in den 33 Ministerien sind von Militärs besetzt. Im wichtigsten Unternehmen des Landes, der staatlichen Ölfirma PDVSA, hat das Oberkommando der Militärs das Sagen.

Nach seiner Wahl zum Präsidenten der Nationalversammlung hatte Guaidó jenen Militärs Straffreiheit zugesichert, die sich gegen die Regierung von Maduro stellen. Nach Auffassung des Parlaments ist Maduro seit dem 10. Januar nicht mehr der rechtmäßige Präsident und somit auch nicht der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. „Die Befehlskette ist zerrissen“, betonte Guaidó. Am 15. Januar hatte die Nationalversammlung dies in einem Beschluss bekräftigt.

Dabei ist der Parlamentspräsident selbst ein Geächteter. Am Montag erklärte der Oberste Gerichtshof seine Wahl zum Parlamentspräsidenten für ungültig. Nach Auffassung des Gerichts habe sich an dem schon vor Monaten erklärten unrechtmäßigen Zustand der Nationalversammlung nichts geändert. Sämtliche Beschlüsse des Parlaments hätten keinerlei Gültigkeit. Sollte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Guaidó erheben, droht ihm die Festnahme.

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