Gewalt in der Ukraine: Protest gegen Kiesgruben eskaliert

Als DorfbewohnerInnen ihren Unmut über zwei Kiesgruben äußern, werden sie mit Messern attackiert. Zuvor wurde gar eine Granate geworfen.

Mann zeigt auf das verkohlte Garagentor

Michail Subko vor seinem Haus in Olchovka nach dem Anschlag: Das Garagentor ist immer noch verkohlt Foto: Bernhard Clasen

KIEW taz | Im Konflikt um zwei Kiesgruben in den ukrainischen Dörfern Volchovka und Sorokivka ist es unweit der Metropole Charkiw zu gewaltsamen Übergriffen auf protestierende DorfbewohnerInnen gekommen. Die BewohnerInnen hatten mehrmals einen Fußgängerüberweg besetzt und die Weiterfahrt von etlichen Lastwagen blockiert.

Am Dienstagvormittag wurde die Gruppe der DorfbewohnerInnen von drei Männern angegriffen, die versuchten, die Versammlung aufzulösen. Dabei setzten die Angreifer Messer ein und verletzten einen Teilnehmer so schwer, dass er in ein nahe gelegenes Krankenhaus gebracht werden musste.

Gegenüber dem Internetportal zmina.info erzählten TeilnehmerInnen, dass die Angreifer wohl Mitarbeiter der Betreiberfirma einer Kiesgrube seien. Die Angreifer sollen schon bei früheren Aktionen die Protestierenden bedroht haben. Die Sprecherin der Aktivisten, Natalja Schibajewa, hat nach dem Vorfall Anzeige erstattet. Seit Anfang des Jahres koordiniert sie die Blockadeaktionen auf dem Zebrastreifen. Auch bei Minustemperaturen habe man mehrere Stunden auf dem Zebrastreifen verharrt, berichtet die Dozentin für Wirtschaftswissenschaften der taz.

Kiesgrube mit Bagger aus einem Auto rausfotografiert

Eine der Kiesgruben nahe Charkiw in der Ukraine Foto: Bernhard Clasen

Viele Bewohner lehnen die Kiesgruben ab. Die Straßen seien nicht für derart schwere Lastwagen gebaut, argumentieren sie. „60 bis 80 schwer beladene Lkws pro Tag ­halten unsere Dorfstraßen nicht aus“, sagte Schibajewa. Einige haben in ihren kleinen Häusern bereits Risse.

Haus mit Granate attackiert

Schibajewa, die früher eine berühmte Sportlerin war und 1986 bei den Weltmeisterschaften für die Sowjetunion die Bronzemedaille im 100-Meter-Rückenschwimmen geholt hatte, beunruhigt auch das Sinken des Wasserspiegels, das sie auf die Kiesgruben zurückführt. „Bei einigen meiner Nachbarn versiegen bereits die Brunnen“, berichtet sie der taz.

Portrait der Aktivisten, Natalja Schibajewa - blonde Frau mit kürzeren Haaren

Die Sprecherin der Aktivisten: Natalja Schibajewa – sie hat nach dem Vorfall Anzeige erstattet Foto: Bernhard Clasen

Natalja Schibajewa und ihr Mann Michail Subkow haben einen hohen Preis für ihren Aktivismus bezahlt. Seit dem 5. Februar 2021 lebt das Ehepaar in Angst. Damals wurde nachts eine Granate auf ihr Haus geworfen. Sofort waren beide Autos vor dem Haus in Brand geraten. Das Garagentor ist immer noch verkohlt. Glücklicherweise blieben beide, die direkt ein Stockwerk unterhalb der Stelle schliefen, an der die Granate eingeschlagen war, unversehrt. Als sie vor das Haus rannten, waren die Angreifer allerdings längst verschwunden. Die lokale Polizei hat inzwischen Ermittlungen wegen versuchten Mordes eingeleitet.

Möglicherweise geht es in diesem Konflikt auch um mehr. So berichtet ein Sprecher des Telegram-Kanals „Unser Olchovka“, er habe Lastwagen gesehen, die Müll aus Charkiw zur Kiesgrube brachten.

Mitarbeit: Stanislaw Kibalnik (Charkiw)

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