Proteste in Serbien gegen Lithium-Abbau: „Hier werdet ihr nicht graben“
Zehntausende demonstrieren in Belgrad gegen den Lithiumabbau im Westen ihres Landes. Präsident Vučić hat das Bergwerk zur Chefsache erklärt.

Bürger trugen Transparente, auf denen „Erde, Luft, Wasser – Freiheit“ stand und „Es wird hier kein Bergwerk geben“. Mit „Rio Tinto raus aus Serbien“, richtete sich der Protest auch gegen den britisch-australischen Bergbaukonzern, der bei Umweltschützern weltweit einen schlechten Ruf hat. Junge und ältere Menschen, Studenten, Beamte, Bauern – sie alle eint die Sorge, dass der Lithium-Abbau zu einer Umweltkatastrophe führen wird.
„Ich bin hier wegen meinen Kindern und Enkelkindern. Wir dürfen es nicht zulassen, dass wir unseren Nachfahren ein vergiftetes Land hinterlassen“, sagte ein älterer Belgrader bei der Protestveranstaltung. Ähnliches hörte man auch von anderen Demonstranten. Die Angst ist ehrlich – und sie ist größer als die Ehrfurcht vor dem mächtigen Präsidenten Aleksandar Vučić und seinem Staatsapparat.
„Sie wollen aus Serbien eine schmutzige Bergbaukolonie machen“, rief die bekannte Schauspielerin und Umweltaktivistin Svetlana Bojković entrüstet. Die Proteste halten seit Wochen an und finden in Dutzenden Städten überall im Land statt. Die Anzahl und die Entschlossenheit der sonst eher zurückhaltenden Bürger in der Provinz, dürfte den serbischen Autokraten Vučić überrascht haben.
Projekt Jadar ist Chefsache
Die Proteste laufen parteiübergreifend. Vučić' eigene Wählerschaft folgte zum Teil dem Aufruf des Bundes ökologischer Organisationen Serbiens. Allerdings bestand die Organisation darauf, dass die Demos sich nicht gegen das Regime richten, sondern gegen das Vorhaben Serbien zu „vergiften“.
Doch aus der Sicht von Vučić gibt es dabei keine Trennlinie. Er hat das „Projekt Jadar“ zur Chefsache gemacht und sein ganzes politisches Kapital auf diese Karte gesetzt. Er verspricht den Serben ein Lithium bedingtes Wirtschaftswunder, Batterie- und Elektroautofabriken, einen deutschen Lebensstandard – wenn das Lithiumbergwerk 2027 mit der Arbeit beginnen kann.
Der Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Belgrad unterstützte den Kurs Vučić. Hilfe kam auch vom Vizepräsidenten der EU-Kommission, Maroš Šefčovič, der ebenfalls in die serbische Hauptstadt reiste. Er unterzeichnete mit Vertretern Serbiens ein Abkommen, das eine umweltverträgliche Förderung des Leichtmetalls im Jadar-Tal garantieren soll. Das ganze entspricht einer Art EU-Partnerschaft mit Serbien zum Abbau des für Elektroautos so wichtigen Leichtmetalls. Mercedes und andere Autohersteller zeigen bereits großes Interesse für serbisches Lithium.
Die Polizei stellte sich am Samstag den Demonstranten zunächst nicht in den Weg. Bis in die frühen Morgenstunden blockierten die Menschen die Autobahn und zwei Eisenbahnstationen. Erst als es deutlich weniger wurden, verjagten Sondereinheiten die Protestierenden von den Schienen. Einige wurden verhaftet. Ihnen könnte gar eine Klage wegen „versuchtem Staatsstreich“ drohen und damit jahrelange Haftstrafen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung