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Proteste in ParisHandys gegen Polizeigewalt

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Nur durch ein Video wurde der rassistische Angriff auf Michel Zecler öffentlich. Die Regierung will das Filmen von Polizisten verbieten.

Ein Video zeigt die Attacke auf den Musikproduzenten Michel Zecler Foto: afp / Stefano Rellandini

V ier Pariser „Ordnungshüter“ sitzen in Polizeigewahrsam. Mehr als 15 Millionen Leute haben inzwischen dank Aufnahmen einer Videokamera gesehen, wie die vier Männer den schwarzen Musikproduzenten Michel Zecler krankenhausreif schlugen, während sie ihn als „dreckigen N****“ beschimpften. Ohne diese Bilder, deren Veröffentlichung die französische Staatsführung unter dem Vorwand verbieten möchte, dass sie Polizisten gegen absichtliche Anprangerungen aus dem Internet schützen müsse, säße jetzt wahrscheinlich Zecler hinter Gittern statt seiner vier Peiniger. Die hatten behauptet, Zecler habe versucht, ihnen eine Waffe zu entreißen. Die Aufnahmen zeigen, dass das nicht stimmt. Den vier Polizisten droht eine exemplarische Bestrafung.

Damit wäre dann wohl für Präsident Emmanuel Macron und seinen Innenminister Gérald Darmanin die Sache erledigt. Die beiden wollen immer noch glauben machen, dass es sich um einen bedauerlichen Einzelfall mit „schwarzen Schafen“ in den Reihen der Polizei handle. Dem ist nicht so: Die entfesselte polizeiliche Gewalt, die große Zahl der wegen Granaten amputierten Hände und der erblindeten Augen nach den Protestaktionen der „Gelbwesten“, nach Demonstrationen gegen die Rentenreform und selbst nach dem traditionellen Ersten Mai, beweisen das Gegenteil.

So systematisch, wie die Beamten auf die geringste Provokation reagierten, so systematisch stellte sich die Staatsführung hinter sie. Für jede Brutalität und jeden Übergriff gab es einen „guten Grund“. Die Opfer der Polizeigewalt waren aus ihrer Sicht selbst verantwortlich. Erst die Aufnahmen von Augenzeugen ermöglichten es, in einem Teil der Fälle das Gegenteil zu beweisen. Im Fall des misshandelten Musikproduzenten Zecler findet selbst der Hardliner Darmanin keine Ausrede mehr. Das Filmen solcher Szenen zu verbieten, würde die Bürger:innen definitiv entwaffnen. Deshalb streckten Zehntausende aus Protest gegen die institutionelle Gewalt ihr Telefon wie eine Faust in die Höhe.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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6 Kommentare

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  • "Die Regierung will das Filmen von Polizisten verbieten." - das ist Fake News. Der geplante Paragraph verbietet nicht das Filmen sondern das Verbreiten von Aufnahmen unter gewissen Umständen. Das Filmen bleibt weiterhin erlaubt und ist für die Aufklärung und Verfolgung von Polizeigewalt durch die Justiz überhaupt kein Problem. Es geht vielmehr darum, Hassaufrufe, Selbstjustiz und Vorverurteilung durch öffentliche Pranger zu verhindern.

    • @Winnetaz:

      Das ist schon richtig, daß formal "nur" das Verbreiten kriminalisiert werden soll. De facto ist das aber ein Freibrief, daß die Polizei vorsorglich entsprechend robust gegen jede*n vorgeht, der möglicherweise filmt. (Das ist nicht nur in Frankreich so, habe ich in DE auch schon öfters erlebt). Tonfa siegt über Rechtslage aka Recht des Stärkeren..

      • @Da Hias:

        Umso wichtiger wäre es doch, dass die Medien korrekt berichten und auf den Unterschied zwischen Filmen und Verbreiten hinweisen. Auch Polizisten lesen - hoffe ich - Zeitung und haben dann die Chance, sich korrekt zu verhalten.

        Natürlich ist es v.a. Sache der Politik und der Dienstvorgesetzten, so eine Rechtslage genau zu kommunizieren. Da sollten alle drauf bestehen.

        • @Winnetaz:

          Kommunizierte Rechtslage, die demnach beherzigt würde, ist graue Theorie. O-Ton Cop bei grenzlegaler Maßnahme: "Es steht Ihnen frei, Beschwerde einzulegen" und schon ist das Handy beschlagnahmt oder in kleinen Teilen im Straßengraben. Bei Dissens über die Maßnahme ziehen wir dann §§113 ff StGB, haben anschließend noch 10 gleichlautend aussagende Cops vor Gericht und fertig ist die Laube.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Dieser neoliberale Macron geht mir immer mehr auf den Zeiger!

  • Neue Querfront an der Seine?

    Zitat: „So systematisch, wie die Beamten auf die geringste Provokation reagierten, so systematisch stellte sich die Staatsführung hinter sie.“

    Hierbei wird sie vom „Rassemblement National“, des französischen Pendants zur AfD, sekundiert: „Aber zur Zeit sind es in Frankreich die Ordnungskräfte, die gesteinigt, ausgeraubt und angegriffen werden.“ („Pour l'instant en France, les forces de l'ordre ce sont elles qui se font caillasser, alpaguer, agresser"), so RN-Sprecher S. Chenu (Quelle: AFP, 27.11.)

    Bei so viel Empathie für die Prügelpolizisten ist es daher kein Wunder, daß die Sicherheitskräfte Frankreichs (inkl. Polizei, Armee und Geheimdienste) eine im Vergleich zum Landesdurchschnitt doppelt so hohe Wahlaffinität zum „Rassemblement National“ (44 % gegenüber 23%) und zum RN-Verbündeten „Debout la France“ (DLF, 4% zu 2%) haben. (Vgl. IFOP, 18/04/2017). Mithin darf fast die Hälfte der Beamten der französischen Sicherheitsapparate zum stabilen Wählerstamm des französischen Pendants zur AfD gezählt werden.

    Dieser Bericht von Rudof Balmer über die im NATO-Verbündeten und Mutterland der modernen Demokratie Frankreich ausufernde polizeistaatliche Gewaltwillkür hebt sich übrigens wohltuend ab von demjenigen der Pariser FAZ-Korrespondentin („Inakzeptable Gewalt gegen die Ordnungshüter“), der unkritisch das regierungsoffizielle Narrativ bedient, die Polizei habe aus purer Selbstverteidigung stets lediglich nur auf Angriffe reagiert, quasi nur aus Notwehr gehandelt.