Proteste in Pakistan: Gegen Wahlbetrug und Korruption
Ein früherer Kricket-Held und ein moderater Imam rufen in Pakistan ihre Anhänger auf die Straße. Ihr Ziel ist der Sturz der Regierung.
BANGKOK taz | Gleich zwei Protestzüge haben sich am Donnerstag von der ostpakistanischen Stadt Lahore aus auf den Weg in die Hauptstadt Islamabad gemacht. Das Ziel beider Protestzüge am Unabhängigkeitstag ist es, die Regierung von Premier Nawaz Sharif in die Knie zu zwingen. Ein riesiges Aufgebot an Polizisten sichert die geplante Route. Die Demonstranten sind wütend über den anhaltenden Extremismus, den Niedergang der Wirtschaft und über das scheinbare Unvermögen der Regierung, für eine ausreichende Stromversorgung zu sorgen.
In Islamabad hat die Armee auf Bitten der Regierung die Sicherheitsbefugnisse übernommen. Zahlreiche Zugänge in die Hauptstadt wurden zunächst mit Frachtcontainern gesperrt, am Abend jedoch wieder geöffnet. Die Proteste sind die größte Herausforderung für Sharifs Regierung und für den Demokratisierungsprozess.
Die Herausforderer der Regierung sind beide in Pakistan keine Unbekannten: Imran Khan, früher der Kapitän der pakistanischen Kricket-Nationalmannschaft, präsentiert sich heute als konservativer Politiker. Vor allem junge Mittelschichtpakistaner in den Städten unterstützen ihn. Seine Tehreek-e-Insaf (PTI)-Partei hat im vergangenen Jahr 35 Sitze im Parlament gewonnen. Khan behauptet seitdem, er sei um seinen sicheren Sieg betrogen worden. Er möchte mit seinen Anhängern so lange in Islamabad campieren, bis die Regierung zurücktritt und Neuwahlen ausgerufen werden.
Die Armee als mächtiger Drahtzieher
Der andere Herausforderer ist in Pakistan nie bei Wahlen angetreten. Dafür hat er Anfang 2013 bereits schon einmal einen Massenprotest in die Hauptstadt geführt: Der moderate Kleriker Tahirul Qadri, der eine internationale religiöse Wohltätigkeitsorganisation leitet, war hierfür eigens nach sieben Jahren aus Kanada nach Pakistan zurückgekehrt. Sein damaliger „Marsch der Millionen“ fiel jedoch recht überschaubar aus. Nach wenigen Tagen unterzeichneten Qadri und die damalige Regierung ein Abkommen, das nicht mehr war als eine gesichtswahrende Möglichkeit für Qadri, den Protest zu beenden.
Bevor er sich auf den Weg in die Hauptstadt machte, veröffentliche Qadris Teams eine Liste mit Zielen. Seine „grüne Revolution“ soll dazu beitragen, die Armut zu verringern und die allgegenwärtige Korruption zu bekämpfen. Extremismus und Terrorismus sollen ein Ende gemacht werden. Minderheiten sollen besser geschützt werden, Frauenrechte möchte Qadri ebenfalls stärken.
Im Kontrast zu diesen wohlklingenden Zielen steht jedoch die Tendenz seiner Anhänger, sich schwerste Straßenschlachten mit der Polizei zu liefern. Im Juni starben 14 von Qadris Unterstützern, als die Polizei versuchte, Barrieren zu entfernen. Am Wochenende kamen 6 seiner Anhänger bei Zusammenstößen ums Leben. Auch ein Polizeibeamter wurde getötet. Qadri drohen daher mehrere Anklagen.
Bereits bei den Protesten im vergangenen Jahr vermuteten viele Beobachter, dass hinter den Kulissen die Armee Qadri dazu ermutigt hatte, gegen die zivile Regierung ins Feld zu ziehen. Qadri streitet das ab. Seine gegenwärtige Forderung, die Armee solle Premier Sharif aus dem Amt heben und die Macht im Land übernehmen, spricht jedoch eine andere Sprache.
Ob Pakistans Generäle wirklich so weit gehen würden, die Macht im Land mit einem weiteren Putsch zu übernehmen, ist fraglich. Sie könnten die Proteste aber dazu nutzen, von der Regierung Zugeständnisse zu sichern. Bislang weigert sich diese etwa, Exdiktator Pervez Musharraf ins Ausland reisen zu lassen. Musharraf steht wegen seines Putsches 1999 wegen Hochverrats vor Gericht. Es ist kaum vorstellbar, dass Pakistans Militär es zulassen wird, dass ihr Exoberbefehlshaber verurteilt wird.
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