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Proteste in KubaWut auf den Straßen

Viele haben in kubanischen Städten am Sonntag gegen die sozialistische Regierung demonstriert. Sie forderten ein Ende der Unterdrückung und Mangelwirtschaft.

Pro-Regierungs-Demonstranten hielten dagegen, hier in Havanna am 11.07 Foto: Ismael Francisco/ap/dpa

San Antonio de los Baños dpa | Erstmals seit Jahren sind in Kuba wieder Demonstranten in großer Zahl gegen die sozialistische Regierung auf die Straßen gegangen. Vor allem in der Ortschaft San Antonio de los Baños südwestlich der Hauptstadt Havanna protestierten am Sonntag zahlreiche Menschen gegen Mangelwirtschaft und Unterdrückung, wie auf in den sozialen Netzwerken veröffentlichten Videos zu sehen war. Auch in Havanna und den Städten Holguín, Matanzas, Camagüey und Santiago de Cuba kam es demnach zu Demonstrationen.

Präsident Miguel Díaz-Canel fuhr selbst nach San Antonio de los Baños und wandte sich im Staatsfernsehen an die Kubaner. „Wir werden die Souveränität und Unabhängigkeit dieser Nation nicht aufgeben“, sagte der Erste Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei. „Wenn sie die Revolution bezwingen wollen, müssen sie über unsere Leichen gehen.“

Nach Angaben von Regierungsgegnern gingen Sicherheitskräfte am Sonntag gegen die Demonstranten vor. „Wir rufen alle Revolutionäre dazu auf, auf die Straßen zu gehen und die Revolution an allen Orten zu verteidigen“, sagte Díaz-Canel.

Die USA warnten Havanna vor einem gewaltsamen Vorgehen gegen die Demonstranten. „Die Vereinigten Staaten unterstützen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Kuba und würden jede Gewalt oder Vorgehen gegen friedliche Demonstranten, die ihre universellen Rechte ausüben, scharf verurteilen“, schrieb Sicherheitsberater Jake Sullivan auf Twitter. Ähnlich äußerte sich die im US-Außenministerium für den amerikanischen Kontinent zuständige Spitzenbeamtin Julie Chung. „Wir stehen zum Recht des kubanischen Volkes, sich friedlich zu versammeln“, schrieb sie.

Künstler im Protestmodus

Massive Proteste gegen die sozialistische Regierung sind im autoritär regierten Kuba eher selten. Zuletzt hatten oppositionelle Künstler der sogenannten San-Isidro-Bewegung aber immer wieder Menschen auf die Straßen gebracht und auch international für Aufmerksamkeit gesorgt. So solidarisierten sich die Musiker Descemer Bueno, Yotuel Romero und das Duo Gente de Zona mit ihrem Lied „Patria y Vida“ (Vaterland und Leben) mit der Bewegung.

Erst im April hatte Präsident Miguel Díaz-Canel die Führung der Kommunistischen Partei (PCC) von Raúl Castro übernommen. Erstmals seit dem Sieg der Revolution von 1959 ist damit auf der sozialistischen Karibikinsel kein Castro mehr in einer Führungsposition. Allerdings ging der Wechsel an der Parteispitze nicht mit einer politischen Liberalisierung einher. Im Alltag leiden die meisten Kubaner zudem unter den Folgen der kubanischen Planwirtschaft und dem Wirtschaftsembargo der USA.

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16 Kommentare

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  • Sehr geehrter Mr. Nice,

    vielen Dank für Ihre Anmerkungen und Gedanken!

    Sie schreiben, dass eines das andere bedingt. Das mag sein; allerdings handelt es sich doch um ein hermeneutisches Nullum, wenn nicht gesagt wird, was wovon oder wodurch bedingt ist.

    Sie schreiben weiter, es gebe nicht nur schwarz oder weiß. Vollkommen richtig; hat denn jemand etwas anderes behauptet?

    Sie glauben, dass mit dem Ende der idiotischen US-Sanktionen die elementaren Grundfreiheiten eingeführt werden? Das halte ich für naiv. Zunächst: Die Sanktionen sind nur politischer Zirkus. Kuba ist überhaupt nicht auf den Handel mit den USA angewiesen. Die USA sind sogar trotz des Embargos, das ja sehr viele Ausnahmen enthält, der viertgrößte Exporteur von Waren nach Kuba (hinter Venezuela, China und Spanien). Größte Handelspartner beim Export von Waren aus Kuba sind China, Kanada, Spanien und die Niederlande. Selbst Raúl Castro erklärt in der Nationalversammlung, dass die Probleme der Wirtschaft hausgemacht sind. Außerdem: Ein System, das auf Unterdrückung beruht (kein akt. und pass. Wahlrecht; keine Meinungsfreiheit, pol. Gefangene, keine Pressefreiheit, keine Reisefreiheit, Folter, etc. etc.) kann nicht auf die Repression nur deshalb verzichten, weil einer von hunderten Handelspartnern sein unsinniges Embargo beendet. Ob Kuba Waren aus den USA oder Kanada, Spanien, Frankreich, China oder XYZ bezieht oder dorthin verkauft, hat keine Auswirkung auf das vom Regime und der Ideologie verschuldete Elend. Die Herrschenden wollen an der Macht bleiben; Voraussetzung dafür ist die Repression, ob nun mit 100 oder 101 Handelspartnern.

    Menschenmassen bei der Beerdigung von Fidel? Ja, das war gewiss so. Es war aber auch bei A. Pinochet und R. Chomeini oder der Queen Mum nicht anders.

  • Schön wäre, wenn wir auch anderen eine Demokratie gönnen könnten :-)



    Leider wurde inzwischen auf Unbewaffnete geschossen.



    In Matanzas und Cardenas ziehen viele daher jetzt "bewaffnet" (Machete etc.) los.



    Nicht gut.



    Raul will jetzt alte Militärsäcke reanimieren, sind dann aber auch die allerletzte Reserve. Die Jungen wollen nicht so recht.



    In der Bevölkerung schliessen sich immer mehr an.



    Internet komplett down.

  • Ihr Herrn, die ihr uns lehrt, wie man brav leben



    Und Sünd und Missetat vermeiden kann



    Zuerst müßt ihr uns schon zu fressen geben



    Dann könnt ihr reden: damit fängt es an.



    Ihr, die ihr euren Wanst und unsere Bravheit liebt



    Das Eine wisset ein für allemal:



    Wie ihr es immer dreht und immer schiebt



    Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.



    Erst muß es möglich sein, auch armen Leuten



    Vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden



    Bert Brecht

    Tja, das hatte in der Drei Groschen Oper einen anderen Adressaten, momentan denken das sinngemäß viele Menschen in Cuba auf spanisch, ohne die DREI GROSCHEN OPER je gesehen zu haben



    Nun ja, die langen, oft nervenden Reden von Fidel sind vorbei.



    Ich könnte kotzen, (ich habe ja auch gegessen!), wenn ich die Kommentare der verpeilten Linksromantiker in deutschen Foren zu Cuba lese, und nochmal bei den Kommentaren der USA- und Kapitalismusfans, die Ihren Senf auch noch dazu geben.



    Von diesem Senf wird man nicht satt, es fehlt die Wurst und das Brötchen!

  • Die ewige Leier vom US Embargo verfängt auch nur noch hier, in Kuba lange nicht mehr!



    Fakt ist, dass es den Herschenden nur noch darum geht, sich selber die Taschen zu füllen.



    Die kubanische Binnenwirtschaft wurde systematisch zerstört, als man feststellte, dass sich durch etwas Privatwirtschaft die Kubaner emanzipieren und, so sagte es Diaz-Canel, „sich von der Partei distanzieren könnten.“



    Ja genau, als völlig überflüssig erkennen.



    Auch die Landwirte wurden nur noch mit Repressionen belegt. Wer direkt an das Volk verkauft, was früher neben den Abgaben an den Staat völlig normal war, wird jetzt mit drastischen Strafen belegt. Produziert wird daduch nur noch auf etwas mehr als 32% der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche und mehr und mehr für den Export (!), während die Bevölkerung hungert. Und während Polizei und Militär die Sprittanks voll haben, gibt es keines für Ambulanzen oder für Transporter, die die restliche Ernte abholen, die folglich liegen bleibt und verfault.



    Also Repressionen und die Insel als Ferienparadies und alles in die Taschen der Militärs.



    Wer essen will, braucht Verwandte im Ausland, die Ihnen Devisen auf Plastikkarten zahlen, um Produkte zum zigfachen des Marktpreises zu kaufen. Gekauft werden tausende Tonnen Hähnchen in den USA für 1$/kg, verkauft für das 7-9,5 fache! Auch Bestellungen in den zahlreichen Internetläden des Regimes mit Kreditkarte, frische Ware aus kubanischer Produktion, sind für Millionen von Kubanern unerreichbar.



    Es ist verblüffend, welche Allianz im Kolonialismus sich hier in Europa zwischen Hotelkonzernen, Spirituosenfirmen, etc. und so genannten ‚Sozialisten‘ findet.



    Diese, rund und satt, möchten gerne sehen, wie sich die Bevölkerung weiter von den Militärs versklaven lässt und dankbar tagelang ihre Kinder mit Zuckerwasser ernährt, aber ihre Illusion des tropischen Sozialismusparadiese aufrecht erhält. Um jeden Preis. Widerlich.



    Es wird viele Reportagen geben, die anders aussehen werden, als die bisher auf Arte.

  • die USA fordert schon wieder? Komisch bei BLM haben die ganz bewusst Waffen, Fahrzeuge und mehr eingesetzt. aber nicht einmal aus Deutschland gab es da irgendwie Kritik. Und schon weiß man woher der Fisch stinkt...

  • Erste Aussage falsch, zweite richtig: Die Kubaner leiden nicht unter der Planwirtschaft, sie leiden unter dem Wirtschaftsembargo der USA. Man kann der kubanischen Regierung diesen und jenen Fehler vorwerfen, die Organisation ihrer Planwirtschaft in manchen Punkten als fehlerhaft beschreiben aber es ist einfach unsinnig die Planwirtschaft als den Faktor für Armut/Leid zu markieren. Eine Planwirtschaft ist die Methode der bewussten, kontrollierten Organisation der Wirtschaft vs. anarchisch neoliberalen wirtschaften. Es geht ja gerade dabei das Leid zu lindern, das der Anarchismus den Lohnarbeiter zufügt. Richtig wäre wiederum die Aussage: Die Welt ächzt und stönt unter dem irrationalen Diktat des Neoliberalismus oder jedes Jahr krepieren Millionen an Hunger, Krieg und Krankheit unter der globalen Kapitalismusdiktatur.

    • @Colonel Ernesto Bella:

      was schreibt der bolschwistische feind da vom anarchismus der den menschen leid zufüge? die kubanische arbeiterbewegung war einst mehrheitlich anarchistisch:



      de.wikipedia.org/w...narchismus_in_Kuba

      eine vernünftige dezentrale planwirtschaft lässt sich nur ohne staat und chefs durchführen. der große kommunist kropotkin hat das mal ganz gut skizziert:



      de.wikisource.org/...oberung_des_Brotes

      kuba ist eine diktatur; keine pressefreiheit, keine legale opposition, kein streikrecht, keine unabhängigen gewerkschaften.

      • @muschi666:

        Ein Tadel von anarchistischer Seite lass ich mir gern gefallen. Da will ich gar nicht gegenargumentieren. Meine Kritik an dieser Stelle war auch gar nicht an den Anarchismus als Gesellschaftsform gerichtet, sondern an den anarchisch agierenden Neoliberalismus, im Sinne des reaktionären Verständnis des Begriffs Anarchie = Chaos.

    • @Colonel Ernesto Bella:

      Ich gehe nicht davon aus, dass der Anarchismus den Menschen Leid zufügt.



      Ohne anarchistische Strukturelemente wie: gegenseitige Hilfe, direkte Aktion, solidarisches Miteinander auf der Ebene des mitmenschlichen Kontaktes, Stadtteilkommitees, Zusammenhalt in Familien- und Freundesgruppen, gemeinsames Leben und Arbeiten, Bürgerinitiativen usw....... scheitert jede Gesellschaft.



      Die "Diktatur" des Neoliberalismus schadet meiner Meinung nach den Menschen - genauso wie die Diktatur des Proletariats (die es allerdings nie gegeben hat). Es gab immer nur die Diktatur bestimmter selbsternannter Eliten über das Proletariat (George Orwell-Farm der Tiere).



      Man sollte sich immer genau ansehen, wer da gerade demonstriert. Und wenn die Medien von "Aktivisten" statt von "gewaltbereiten Linken" reden habe ich auch meine Bedenken.

    • @Colonel Ernesto Bella:

      Ich als Feministin finde es sehr gut formuliert und aufgearbeitet.

      Ganz klar, das US Embargo trägt den grössten Anteil an Kubas aktuell schwacher Wirtschaft.

      Wir benötigen in Europa ebenfalls mehr Planwirtschaft, die Stärkung des Staates und die Einschränkung der individuellen Freiheit um die Gleichheit zu erreichen die wir erreichen wollen.

      Solidarität für den ökologischen-Sozialismus und Menschenrechte sollte das oberste Ziel sein!

    • @Colonel Ernesto Bella:

      Richtig. Zudem ist die angebliche Anarchie oder Freiheit des Kapitalismus nur vorgeschoben; globale Konzerne mit ihren Tochtergesellschaften, Werken und Zulieferern sind organisiert wie riesige Planwirtschaften. Nur die Armen der Welt ohne Kaufkraft für die Produkte bleiben ganz anarchisch außen vor. Man vergleiche Kuba mit Haiti... oder die Säuglingssterblichkeit in Kuba (mit seinem entwickelten Gesundheitssystem) mit der in den USA.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Colonel Ernesto Bella:

      Sehe ich auch so!



      Außerdem sollte Guantanamo von den USA endlich aufgegeben werden.

      • @17900 (Profil gelöscht):

        Ich habe auch noch etwas auf meinem Wunschzettel: Kuba sollte endlich alle politischen Gefangenen frei lassen. Kuba sollte die Zensur abschaffen. Kuba sollte seine Bürger verreisen lassen. Kuba sollte auch denjenigen eine Ausbildung oder ein Studium ermöglichen, die mal einen Witz über Fidel gemacht haben. Das Paradies ist sooo nahe ...

        • 1G
          17900 (Profil gelöscht)
          @Crawler:

          Ich widerspreche da gar nicht. Aber eines bedingt halt das andere. Es gibt nicht nur schwarz oder weiß.



          Genau das, was sie einfordern wird größtenteils passieren, wenn die Sanktionen der USA aufgehoben werden.



          Übrigens, Fidel ist tot! Menschenmassen säumten 2016 die Straßen, als seine Asche von Havanna nach Santjago de Cuba überführt wurde. Die waren freiwillig da, nicht bestellt wie in der DDR! Das sagt doch auch was aus, oder?