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Proteste in HongkongErste Barrikaden werden abgebaut

Um weitere Gewalt zu verhindern, haben die Demonstranten mit dem Abbau der Protestcamps begonnen. Ihr Protest geht aber weiter.

Demokratieaktivisten in Hongkong bauen Zelte ab. Bild: reuters

PEKING taz | Ausgelassen und fröhlich? Das war letzte Woche. Die Stimmung unter den Demokratieaktivisten in Hongkong ist am Wochenende gekippt. Zwar sind die zumeist jungen Studenten und Oberschüler wie schon in den vergangenen zwei Wochen weiter darum bemüht, ihren Protest auf friedliche Art kundzutun. Sie warben auch am Sonntagabend mit Getränken oder selbst gebackenen „Protestkeksen“ bei der Bevölkerung um Sympathie. Doch viele von ihnen wirkten erschöpft, nervös und angespannt.

„Es hat in den letzten Stunden sehr viele unschöne Szenen gegeben“, bedauerte der 29-jährige Demonstrant Peter Cheong. Von einer „giftigen Atmosphäre“ spricht Kee-Wah Lee, von Beruf aus Lehrerin. „Alles, was ich meinen Schülern sagen kann: Sie sollen vorsichtig sein“, sagte die 47-Jährige.

Der Grund für die angespannte Stimmung: Seit vergangenen Freitag haben immer wieder offenbar angeheuerte Schläger und wütende Hongkonger Bürger die Blockadecamps der Demokratieaktivisten angegriffen. Die zumeist jungen Leute versuchten, mit erhobenen Händen zu beschwichtigen. Aber gegen die muskelbepackten Angreifer hatten sie kaum eine Chance.

Vor allem beim Blockadepunkt im Geschäftsviertel Mongkok kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Die Schläger rissen die Zelte nieder und zertraten Infostände. Nur weil die Studenten die meiste Zeit in der Überzahl waren, kam es nicht zu noch größeren Schäden. Bis Sonntagabend zählte die Hongkonger Krankenhausverwaltung 165 Verletzte. Die Auseinandersetzungen hat Hongkongs Regierungschef Leung Chun-ying am Sonntagmorgen zum Anlass genommen, die Demokratieaktivisten zum Ende ihrer Blockaden aufzufordern. Er stellte ihnen ein Ultimatum, bis Montagmorgen die Straßen zu räumen. Er und die Polizeikräfte seien fest entschlossen, „alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die soziale Ordnung wiederherzustellen“. Er betonte aber auch: „Die Tür für Dialog ist offen.“

Studentenführer warnte vor Gewalt

Dabei zeigen die Protestinitiativen längst Entgegenkommen. „Wir haben zu keinem Zeitpunkt die Regierungsstellen beim Betreten des Regierungsgebäudes behindert“, heißt es in einer Erklärung der Initiative Occupy Central. Ihr Protest richte sich nicht gegen die Verwaltungsangestellten, sondern gegen Regierungschef Leung persönlich.

Der Präsident der Universität von Hongkong, Peter Mathieson, hatte die Demonstranten zuvor zum Rückzug aufgefordert. „Ich appelliere aus ganzem Herzen dazu, weil ich glaube, dass, eure Sicherheit auf dem Spiel steht, wenn ihr bleibt“, sagte er. Auch der 17-jährige Protestführer Joshua Wong warnte vor Gewalt. „Wir wollen keine Revolution. Wir wollen nur Demokratie“, betonte er. Die Bewegung solle nicht im Blutvergießen enden.

Ein Gespräch mit Regierungschef Leung lehnten die Aktivisten aber weiter ab. Sie würden lediglich mit seiner Verwaltungschefin Carrie Lam reden, der politischen Nummer Zwei in Hongkong. Damit auch ja keine Missverständnisse aufkommen, kündigten die Aktivisten aber ihren Rückzug auch aus den umliegenden Straßen an. Sie begannen am Abend auch schon den Abbau der Barrikaden. Sie versicherten aber, ihre Proteste an anderen Stellen fortzuführen.

Die Proteste der Hongkonger Demokratiebewegung gehen bereits in die dritte Woche. Zeitweise bis zu einer Viertel Million Menschen waren in den vergangenen Tagen auf der Straße. Sie fordern freie Wahlen in der chinesischen Sonderverwaltungszone, die bis 1997 unter britischer Verwaltung stand.

Die kommunistische Führung in Peking will den Hongkongern bei der Wahl ihres Regierungschefs die Kandidaten vorgeben und hat deren Zahl auf maximal drei beschränkt. Die Aktivisten halten dieses Verfahren für eine Farce.

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1 Kommentar

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  • Man muss den Hut vor den jungen Leuten ziehen. Sie können keine Mehrheit hinter sich vereinigen und stecken lieber zurück, bevor die Gewalt eskaliert. Das zeugt von Vernunft und Demokratieverständnis.

     

    Durchaus möglich, dass man noch von ihnen hören wird, wenn die Zeit tatsächlich reif für Veränderungen ist.