Proteste in Frankreich: „Schande“ für die Polizei
In Frankreich demonstrieren wieder Tausende gegen die Sicherheitspolitik und gegen Polizeigewalt. Macron nennt Letzteres einen Slogan von extremen Linken.
Vor allem der Artikel 24 in diesem Gesetzesentwurf, der das seit 1881 geltende Presserecht revidiert, war spätestens nach einem erneuten Fall von Polizeigewalt politisch unhaltbar geworden. Die Veröffentlichung des Films einer privaten Überwachungskamera auf Loopsider zeigt, wie in Paris vier Polizeibeamte ohne ersichtlichen Grund den schwarzen Musikproduzent Michel Zecler beschimpft und krankenhausreif geschlagen hatten.
Dieses Dokument belegt in exemplarischer Weise, dass ohne Filme von Augenzeugen der Tatbestand von unrechtmäßiger polizeilicher Gewalt meist kaum zu beweisen ist. Die Staatsführung wurde damit in größte Verlegenheit gebracht. Präsident Emmanuel Macron musste gestehen, diese Beamte, gegen die ein Strafverfahren läuft, seien eine „Schande“ für die Polizei.
Polizeigewalt als „Slogan“
Am Montag hat Premierminister Jean Castex das ursprünglich geplante Verbot, Aufnahmen von Polizisten in Aktion mit „offensichtlich schädigender Absicht“ zu veröffentlichen, bis auf Weiteres auf's Eis gelegt. Mit diesem Rückzieher trug er der Kritik Rechnung, die dieses Filmverbot als eine gravierende Einschränkung der Medienarbeit und der Freiheit der Bürger:innen betrachtet. Der Gesetzestext war ohnehin derart schlecht und unpräzise formuliert, dass ein Veto des obersten Verfassungsgerichts höchst wahrscheinlich gewesen wäre. Eine neue Fassung dieses Artikels, der die Polizeibeamten vor Anprangerung auf den Netzwerken und handfesten Bedrohungen und Aggressionen schützen soll, könnte aber laut Castex schon in den kommenden Wochen in eine andere Gesetzesvorlage integriert werden.
In einem Interview mit dem Online-Magazin „Brut“ sagte Macron am Freitag, für ihn sei „Polizeigewalt“ vor allem „ein Slogan von Leuten hauptsächlich (aus Kreisen) der extremen Linken geworden“. Mehr als ein bloßes Wort sind diese Brutalitäten, die den Ordnungstruppen zu Last gelegt werden, zweifellos für die Opfer in den Reihen der Demonstrierenden.
Macron verwehrt sich vehement gegen Vorwürfe aus dem Ausland, denen zufolge in Frankreich heute die Freiheit gefährdet sei. „Wir sind nicht in Ungarn oder der Türkei“, sagte er sichtlich verärgert. In diesem Kontext kündigte er an, er wolle für ethnische Diskriminierungen durch Polizist:innen – junge Menschen mit dunkler Hautfarbe werden in Frankreich auf der Straße sehr viel häufiger kontrolliert als Weiße – eine Meldestelle einrichten. Als Replik auf diesen ihrer Meinung nach pauschalen Rassismusverdacht haben die Polizeiverbände nun damit gedroht, ihre Kontrollen zum Zeichen ihres Protests auszusetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz