Proteste gegen schwimmenden Atomschrott: Atomfracht auf Reisen

Hamburgs Hafen ist ein großer Umschlagplatz für strahlendes Material. Dagegen wollen Anti-Atomkraft-Bündnisse nun protestieren.

Ein Thema nicht erst seit gestern: Protest gegen den Umschlag von uranhaltigem Material im Hamburger Hafen, Juni 2011. Foto: Bodo Marks/dpa

HAMBURG taz | Jeden Monat rollt mehrmals ein mit Uran-Konzentrat beladener Zug hinter der Umweltbehörde in Hamburg-Willhelmsburg vorbei. 150 Tonnen des strahlenden Pulvers sind es ungefähr pro Ladung, die im Hamburger Hafen ankommt. Dort wird das strahlende Material auf Züge und Lastwagen umgeladen und weiter durch ganz Deutschland transportiert. Anti-Atom-Verbände schätzen, dass jedes Jahr insgesamt 10.000 Tonnen Uran-Produkte im Hamburger Hafen umgeschlagen werden – damit wäre er Atomumschlagplatz Nummer eins in Deutschland.

Deutsche und französische Umweltverbände und Anti-Atom-Gruppen haben jetzt Aktionen gegen diese Atomtransporte angekündigt. Entlang der Strecke zwischen Hamburg und dem südfranzösischen Narbonne, wo das Uran-Erz zu Uranhexaflourid umgewandelt wird, wollen die örtlichen Anti-Atom-Gruppen ihren Protest äußern. In Buchholz, Münster, Koblenz, Köln und anderen Städten wollen sie den reibungslosen Ablauf des Transports erschweren und auf die Thematik aufmerksam machen. (Hier geht‘s zur Website: http://www.atomtransporte-hamburg-stoppen.de/)

Den Auftakt soll eine Schienenbegehung am kommenden Sonntag darstellen, bei der die AktivistInnen den Streckenabschnitt vor der Hamburger Umweltbehörde inspizieren wollen. Die AtomgegnerInnen wollen so ihren Protest gleich dorthin bringen, wo sie Verantwortlichen wähnen: in der Umweltbehörde.

Der Schienenspaziergang ist gleichzeitig als Mobilisierung für den Tag X gedacht, den Tag also, an dem der nächste Transport im Hamburger Hafen ankommt – wann das sein wird, wissen die AktivistInnen nicht. Gerade sei ein Schiff aus Namibia unterwegs, sagte Dirk Mühlenberger von der Hamburger Initiative „Anti-Atom-Büro“ der taz. Ob Uran an Bord sei, wisse man erst, wenn es den Hafen erreicht habe.

Lächerlich nennt Mühlenberger das Verhalten der in Hamburg mitregierenden Grünen in Sachen Atompolitik. „Dass ausgerechnet der grüne Umweltsenator Jens Kerstan derjenige ist, der am nächsten an den Atomtransporten dran arbeitet und nichts dagegen tut, ist schon sehr befremdlich“, sagte er.

„Die Koalition hat sich zum Ziel gemacht, mit den Hafenbetrieben eine freiwillige Selbstbeschränkung beim Transport von Kernbrennstoffen zu erreichen“, sagte Umweltbehördensprecher Jan Dube. Die Gespräche hierzu werden derzeit vorbereitet, fügte er hinzu. Ob ein Verbot rechtssicher durchsetzbar sei, halte er für sehr zweifelhaft.

Um eine freiwillige Selbstverpflichtung hatten die Grünen die großen Transportunternehmen bereits Anfang 2014 gebeten, nachdem im Mai 2013 im Hamburger Hafen ein Frachter mit radioaktivem Uranhexaflourid in Flammen aufgegangen war und fast eine Katastrophe verursacht hätte. Geändert hat sich seit dem nichts.

„Dabei wäre es für die Regierung so einfach“, argumentiert der Umweltverband Robin Wood auf seiner Internetseite – schließlich sei die Stadt Hamburg Anteilseignerin an zwei der großen Unternehmen, die die Atomfracht transportieren: Die Reederei Hapag Loyd und die Hamburger Hafen- und Logistik-AG (HHLA) sind jeweils zu 23 und 69 Prozent in städtischer Hand. Von einem Atomausstieg zu reden, sei angesichts der städtischen Beteiligung an den Atomtransporten zynisch, sagte Mühlenberger. „Jedes Gramm Uran, das hier transportiert wird, wird später Atommüll.“

Der Weg bis dahin ist allerdings lang und teuer: Nachdem das Uranerz aus Namibia, Russland, Kasachstan oder Kanada per Schiff in Hamburg angekommen ist, wird es per Zug oder Lastwagen nach Südfrankreich gebracht, wo es zu Uranhexaflourid umgewandelt wird. Bevor der radioaktive Stoff soweit so angereichert werden kann, dass er im Atomkraftwerk verwendbar ist, muss erst in einer Rekonversionsanalage das Flour wieder abgetrennt werden. Zurück bleibt erst dann angereichertes Uranoxid, das im letzten Schritt, wieder in einer anderen Anlage, in Pellets gepresst und in Form von Brennelementen gemacht wird.

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