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Proteste gegen Netanjahu in IsraelEs wird eng

Judith Poppe
Kommentar von Judith Poppe

Die hohe Zahl an Neuinfektionen in Israel ist nicht nur Missmanagement. Spätestens jetzt erkennen viele: Netanjahu kümmert sich nicht um die Israelis.

Sie wollen, dass ihr Premierminister sich endlich um die Sorgen des Landes kümmert Foto: dpa

E s war ein traumhafter Frühling für den israelischen Ministerpräsidenten. Netanjahu rühmte sich mit den weltweit niedrigsten Corona-Infektions- und Todeszahlen, es schien ihm außerdem gelungen, seinen Herausforderer Benny Gantz auf seine Seite zu ziehen. Seine Likudpartei erreichte in Umfragen Spitzenwerte, Gantz’ Blau-Weiß lag darnieder.

Doch jetzt im Sommer findet Netanjahu sich in seinem Alptraum wieder. Die Infektionszahlen schnellen in die Höhe und mit den Maßnahmen dagegen zugleich die Arbeitslosenzahlen. Der Unmut auf den Straßen wird immer lauter, und er kommt auch, aber nicht mehr nur von denen, die den Ministerpräsidenten längst im Knast sehen wollen.

Mehr als zehntausend Israelis demonstrierten am Samstagabend in Tel Aviv gegen die Finanzpolitik der israelischen Regierung in Anbetracht der Coronakrise. Einige blockierten danach Straßenkreuzungen, auch die Scheibe einer Bank soll zu Bruch gegangen sein. Für Israels Protestkultur ist das einiges. Tausende Anhänger der Black-Flag-Bewegung protestieren seit Monaten gegen die Korruption und den „Crime Minister“.

Seit drei Wochen in Folge finden die Proteste an Straßenkreuzungen über das ganze Land verteilt statt. Die So­zial­arbeiter*innen streiken angesichts ihrer unzumutbaren ökonomischen Situation und des zunehmenden Drucks in der Pandemie. Selbst einige seiner langjährigen ultraorthodoxen Koalitionspartner von Schas und United Torah Judaism trauen Bibi nicht mehr über den Weg und sehen in Benny Gantz den vertrauenswürdigeren Partner.

Die Situation in Israel ist nicht nur Missmanagement oder Corona-Pech. Spätestens jetzt erkennen selbst viele von Netanjahus Anhänger*innen: Netanjahu kümmert sich nicht um die Israelis, sondern nur darum, von seinen Korruptionsvorwürfen abzulenken und Gerichtstermine aufzuschieben. Und statt sich um die eine Million Arbeitslosen zu kümmern, diskutiert er die Annexion des Westjordanlands.

Doch es scheint, dass die Israelis aufwachen und es eng wird für Netanjahu.

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Judith Poppe
Auslandsredakteurin
Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.
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