Heiko Maas in Jerusalem: Loyal gegenüber Israel bleiben

Außenminister Maas bringt heikle Fragen zur Annexion mit. Doch ein Spagat zwischen deutscher und internationaler Verantwortung ist es nicht.

Heiko Maas und Gabi Aschkenasi begrüßen sich mit den Ellenbogen.

Außenminister Maas mit seinem israelischen Kollegen Gabi Aschkenasiin Jerusalem Foto: Ilia Yefimovich/dpa

Beim Besuch von Außenminister Heiko Maas in Israel wird die zentrale Frage die geplante Annexion des Jordantals und der jüdischen Siedlungen im Westjordanland sein. Wenn ein deutscher Außenminister in Jerusalem heikle Fragen im Gepäck hat, ist schnell die Rede von einem Loyalitätskonflikt: Die deutsche Politik fühlt sich einerseits internationalem Recht und UN-Resolutionen verpflichtet. Andererseits gibt es das historisch begründete Bedürfnis zu Solidarität mit Israel. Doch ist das wirklich ein Widerspruch?

Wenn es um Kritik an Israel geht, gehen in Deutschland die Alarmglocken an. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und der Tatsache, dass Israel tatsächlich immer wieder das Existenzrecht abgesprochen wird, ist das verständlich. Doch es gilt zu differenzieren. Der Begriff „Kritik an Israel“ führt eigentlich in die Irre. Das Land ist wie jedes andere kein monolithischer Block. Es besteht aus Rechten und Linken, Armen, Reichen, Jüd*innen und Araber*innen, Religiösen und Säkularen. Israel zu kritisieren heißt, die israelische Regierungspolitik zu kritisieren, nicht das Land. Eine solche Kritik ist zu trennen von einer Infragestellung des Existenzrechts Israels. Diejenigen, denen Israel am Herzen liegt, sollten sich also vielmehr überlegen, mit wem genau sie solidarisch sein wollen.

Mehr als die Hälfte der Israelis ist gegen eine Annexion, zeigt eine kürzlich durchgeführte Untersuchung. Sie wissen, dass eine Annexion nicht nur für die Palästinenser*innen, sondern auch – ja vielleicht vor allem – für die Israelis katastrophale Folgen haben kann. Es würde eine extreme Destabilisierung der Region bedeuten, möglicherweise das Ende der Friedensabkommen mit Ägypten und Jordanien und einen weiteren Teufelskreis aus Blutvergießen. Und sollten, wie vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu angekündigt, diejenigen Palästinenser*innen, die zukünftig im von Israel annektierten Gebiet leben, tatsächlich keine Staatsbürgerschaft erhalten, wäre dies ein weiterer Schritt hin zum Ende der Demokratie.

Wegen der Schoah loyal gegenüber Netanjahu zu sein statt gegenüber den Israelis, die für Frieden kämpfen, für Demokratie und gegen die Besatzung, bringt Dinge durcheinander. Und diejenigen Israelis, die sich die Verteidigung von Frieden und Demokratie auf die Fahnen geschrieben haben, verstehen die Unterstützung oder eine vornehm schweigende Nichtpositionierung zu Netanjahus rechter, häufig antidemokratischer Politik als Verrat – nicht die Kritik an Annexion und Besatzung.

Auf dem „Grund von Auschwitz“ sollten Friedenspositionen und all die Tausenden von Menschen unterstützt werden, die am vergangenen Samstag auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv gegen die Annexion und die Besatzung protestierten. Auch das bedeutet, loyal gegenüber Israel zu sein.

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Jahrgang 1979, Dr. phil., lebt in Tel Aviv, seit 2019 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.

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