Proteste gegen Militärherrschaft in Myanmar: Gummigeschosse und Granaten
Die Polizei geht erneut brutal gegen Demonstranten vor, es soll ein weiteres Todesopfer gegeben haben. Myanmars UN-Botschafter mahnt zum Handeln gegen die Miltärjunta.
In Rangun vertrieb die Polizei Protestierende und Journalisten von der Myaynigone-Straßenkreuzung, an der sich bereits am Vortag Sicherheitskräfte und Demonstranten gegenübergestanden hatten. Hunderte Angehörige der Bevölkerungsgruppe der Mon demonstrierten anlässlich ihres nationalen Feiertags. Angehörige anderer Minderheiten schlossen sich ihnen an, um gegen den Militärputsch zu protestieren.
Die von der Polizei vertriebenen Demonstranten und Journalisten versteckten sich in umstehenden Gebäuden. Unter den Festgenommenen waren zwei Fotoreporter der Agenturen Associated Press und Myanmar Pressphoto sowie ein Videojournalist von Myanmar Now.
„Was macht die Polizei? Sie schützt einen verrückten Diktator“, skandierten die Demonstranten. Sie zerstreuten sich in kleinere Wohnstraßen und errichteten Barrikaden aus Tischen und Stacheldraht, um die Polizisten aufzuhalten. Viele Protestierende trugen Helme und Gasmasken und schwenkten selbstgebaute Schutzschilde.
Lokalreporter filmten die chaotischen Szenen. Auf den live über Facebook gestreamten Aufnahmen war zu hören, wie Schüsse fallen. Auch AFP-Reporter wurden Zeugen der Schüsse.
An der nahegelegenen Hledan-Kreuzung wurden nach Angaben von AFP-Reportern mehrere Granaten abgefeuert. Eine Kundgebung in der Nähe eines Einkaufszentrums im Tamwe-Viertel wurde von der Polizei aufgelöst. Eine verzweifelte Mutter sagte AFP, sie habe kurz mit ihrer Tochter telefonieren können, die nach eigenen Angaben abgeführt wurde. „Ich weiß nicht, wohin sie gebracht wurde“, sagte die Mutter. „Sie wurde unrechtmäßig festgenommen.“
Versammlungen von mehr als fünf Personen verboten
Ähnliche Szenen spielten sich vielerorts in Myanmar ab. In Mandalay, der zweitgrößten Stadt, sperrten Polizisten als Sammelstellen bekannte Straßen und Plätze ab. Die Militärjunta hat Versammlungen von mehr als fünf Personen verboten.
Ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten wurde aus den Städten Dawei im Südosten und Monywa rund 135 Kilometer nordwestlich von Mandalay gemeldet. Beide haben mehr als 200 000 Einwohner und in beiden haben seit dem 1. Februar große Demonstrationen gegen den Militärputsch stattgefunden. In sozialen Medien wurde gemeldet, dass in Monywa ein Demonstrant erschossen worden sei. Das konnte zunächst nicht unabhängig überprüft werden, Fotos und Identifizierung des Opfers erschienen aber glaubwürdig. Weiter hieß es in den sozialen Medien, in Monywa seien Dutzende Demonstranten verhaftet worden.
Ein Mann sei von der Polizei schwer am Bein verletzt worden, zehn andere Demonstranten seien leicht verletzt, berichtete Htwe Aung Zin, Arzt eines örtlichen Rettungsteams. Durch welche Art von Kugeln der Mann am Bein verletzt wurde, wollte er nicht sagen. Nach Angaben eines anderen Arztes, der anonym bleiben wollte, wurde eine schwerverletzte Frau auf die Intensivstation gebracht.
Nötig sei die „stärkste mögliche Antwort der internationalen Gemeinschaft, um den Militärputsch sofort zu beenden, die Unterdrückung unschuldiger Menschen zu stoppen, die Staatsmacht an die Bevölkerung zurückzugeben und die Demokratie wiederherzustellen“, sagte Tun vor der UN-Vollversammlung.
Tun appellierte an die UN-Mitgliedstaaten, die Militärregierung in Myanmar nicht anzuerkennen und nicht mit ihr zu kooperieren. Die Staaten müssten die Militärjunta auffordern, das Ergebnis der Parlamentswahl vom vergangenen Jahr zu respektieren, forderte Tun weiter. Auch seien „stärkere“ Maßnahmen nötig, um das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte in Myanmar gegen friedliche Demonstranten zu beenden.
Vor knapp vier Wochen hatte in dem südostasiatischen Land das Militär durch einen Putsch die Macht übernommen. Die demokratisch gewählte Regierung von De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi wurde abgesetzt und die Friedensnobelpreisträgerin festgenommen. Seitdem sind hunderttausende Menschen gegen die Armee auf die Straßen gegangen. Die Sicherheitskräfte setzen Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschosse ein. Mindestens fünf Menschen wurden im Zuge der Massenproteste getötet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!