Protestbrief nach Berlin wegen Pegida: Hamburgs AfD rebelliert
Vier Abgeordnete wollen nicht, dass AfDler bei Dresdner Pegida-Demos reden dürfen. Sie haben einen Protestbrief an den Bundesvorstand verfasst.
Hintergrund ist die Entscheidung des AfD-Konvents – des zweithöchsten Beschlussgremiums – AfD-Redner auf Pegida-Demonstrationen zu erlauben, sofern sie kein AfD-Symbol zeigen.
Dieser Beschluss, vom sachsen-anhaltischen Noch-AfD-Landeschef André Poggenburg als „Meilenstein“ gefeiert, gilt zwar ausschließlich für Dresden. Doch das verstünden nicht alle, sagt Jörn Kruse, und auch die bisherige Medienberichterstattung zeige, dass der Beschluss als Freibrief für AfD-Auftritte bei Pegida und eine Kooperation mit Pegida ankomme.
Das könne richtig Wählerstimmen kosten, vor allem im Westen, sagt Kruse. Denn „auch wenn Pegida Dresden früher einmal eine bürgerliche Demo war, ist der Name heute in der öffentlichen Wahrnehmung eine ,rechtsradikale Gruppe aus dem Osten.'“ Abgesehen davon sei der Beschluss überflüssig, „denn die Stimmen der Pegida-Leute haben wir ohnehin“.
Kruses Hauptsorge gilt den Wählern in Westdeutschland, die sich mit diesen „Übeltätern im Osten“ nicht identifizieren wollten und in Scharen davonliefen beziehungsweise gar nicht erst kämen.
Sorge um Kontakte zum Bürgertum
Als Hamburger denkt er hier auch an das „mehrheitsbringende Bürgertum. Wir hatten gute Kontakte und haben Spenden bekommen“, sagt er. Nach dem AfD-Parteitag in Essen im Juli 2015, bei dem der rechte Flügel um Frauke Petry die Oberhand gewann, seien die dann komplett weggebrochen.
Nun glaubt Kruse zwar nicht, dass diese Geldgeber sofort wiederkommen, nur weil er jetzt einen bösen Brief verschickt hat. Aber ein Zeichen setzen wolle er doch, „sonst riskieren wir eine Parteispaltung in Ost und West“.
Eine ernste Drohung könne das allerdings nicht sein, räumt er ein. „Ich bin ja gar nicht in der Lage, eine Spaltung herbeizuführen.“ Aber die Unabhängigkeit seiner Partei dürfe „niemals zu Gunsten Dritter oder vermeintlich Ähnlichdenkender aufgegeben werden“, heißt es in dem Brief.
Warum haben die westdeutschen Landesverbände – gegenüber den ostdeutschen im Konvent in der Mehrheit – die Entscheidung eigentlich nicht verhindert? „Am vorigen Wochenende sind die Westverbände wohl nicht hinreichend vertreten gewesen“, sagt Kruse. Auch von Hamburgs AfD sei niemand angereist, „weil es auf unserem letzten Parteitag nicht gelungen ist, einen Konventsvertreter zu wählen“.
Drei Unterschriften fehlen
Weiterer Wermutstropfen: Mit Detlef Ehlebracht, Peter Lorkowski, Harald Feineis und Jörn Kruse haben nur vier der sieben Hamburger AfD-Abgeordneten den Protestbrief unterschrieben. Kruse sagt, er habe die verbleibenden – Alexander Wolf, Dirk Nockemann und Andrea Oelschläger – nicht schnell genug erreicht, zum Teil aufgrund von deren Urlaub. Er wisse aber von allen, „dass sie meine Meinung in dieser Frage inhaltlich teilen“.
Andrea Oelschläger stellt es etwas anders dar. Ihr habe die interne Klarstellung der AfD-Bundessprecher vom 5. März an die AfD-Mitglieder und -Förderer, genügt. „Aus diesem Grunde hielt ich einen öffentlichen Brief nicht für notwendig“, sagt sie.
Allerdings geht das Gauland'sche „Klarstellungs-Schreiben“ nicht auf die öffentliche Wirkung des Beschlusses ein. „Und die ist für jede Partei, die gewählt werden will, zentral“, sagt Kruse. „Deshalb haben wir unseren Brief, der überwiegend schon am Vortag geschrieben wurde, am 6. März verschickt“, sagt Kruse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient