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Protest von Kolumbiens BauernPräsident Santos setzt aufs Militär

Kolumbiens Landwirte protestieren gegen die Einfuhr von Billigimporten in ihr Land. Der Ärger gegen die Regierung hat auch Studenten und Minenarbeiter erfasst.

Nichts mehr wert? Ein Landwirt verschüttet Kaffeebohnen in Medellin, Kolumbien. Bild: dpa

BUENOS AIRES taz | In Kolumbien haben Bauern mit dem Abbau der Straßenblockaden begonnen, die sie im Zuge eines unbefristeten Streiks gegen Billigimporte ins Land errichtet hatten. Die Bauern reagierten damit auf die Ankündigung von Präsident Juan Manuel Santos, Soldaten würden die Kontrollen auf den Straßen übernehmen.

Mit der Blockade der wichtigsten Verkehrsadern hatten die Bauern weite Teile des Landes lahmgelegt. Ein Ende ihrers Streiks für staatliche Zuschüsse und Mindestpreise für die Produkte bedeute der Abbau der Blockaden jedoch nicht, sagten die Bauern. Die Zentren des Protestes sind vor allem die Provinzen Boyacá, Nariño und Cundinamarca.

Seit zwölf Tagen richtete sich der Protest gegen die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos. Am Donnerstag wurden bei Auseinandersetzungen zwischen Polizeieinheiten und Demonstranten zwei Menschen getötet und mindestens 150 Demonstranten sowie knapp 40 Polizisten verletzt.

Zuvor waren Tausende von Bauern und Landarbeitern aber auch Studierende und Transportarbeiter bei landesweiten Demonstrationen auf die Straßen gegangen. Allein in der Hauptstadt Bogotá waren rund 20.000 Menschen zunächst friedlich durch die Straßen gezogen.

Berechtigte Forderungen

Präsident Juan Manuel Santos selbst zog am frühen Freitagmorgen in einer Fernsehansprache Bilanz des Konflikts. Als erste Reaktion habe seine Regierung noch in der Nacht 50.000 Soldaten zur Wiederherstellung der Ordnung in Marsch gesetzt. Zudem setzte er die Verhandlungen mit den Bauern aus. Zwar sprach Santos von „berechtigten Forderungen“ der Protestierenden, machte aber die Teile der Bewegung für die Krawalle verantwortlich, die keine Lösung des Konflikts wollten.

Die Blockaden sind Teil eines seit Wochen andauernden unbefristeten Agrarstreiks. Die Landwirte wehren sich gegen die Billigimporte von Agrarprodukten, die im Zuge der Freihandelsabkommen mit anderen Ländern auf den heimischen Markt in Kolumbien drängen und ihre eigenen Produkte verdrängen.

Betroffen sind vor allem die Obst- und Gemüseproduzenten und die Milchbauern. Sie fordern staatliche Zuschüsse und Mindestpreise für die Produkte. Mit dem Inkrafttreten des Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union am 1. August hat sich die Situation weiter zugespitzt. Verschärft wird ihre Lage durch steigende Importpreise für Düngemittel und Pestizide.

Monatelang hatten die Bauern die Regierung zu Gesprächen aufgefordert. Nachdem diese immer wieder nur halbherzig reagierte kündigten die Bauern einen unbefristeten Streik an. Rasch machten sich die Konsequenzen durch Lücken in den Regalen und steigende Preise für knapp gewordene Produkte an den Kassen der Supermärkte bemerkbar.

Auch Minenarbeiter und Studierende protestieren

„Ein solcher Agrarstreik existiert nicht,“ versuchte Präsident Santos es zunächst mit Aussitzen. Später entschuldigte er sich für den Satz, ruderte zurück und traf sich mit den führenden Vertretern der Bauernorganisationen der Provinzen Boyacá, Nariño und Cundinamarca. Einen Tag später nahmen Regierung und Bauern erste Verhandlungsgespräche auf.

Als sich im Laufe der Proteste auch die Transportarbeiter, Minenarbeiter und sowie die Studierenden anschlossen, schwappte der Protest auch auf die Städte über. Zwar unterscheiden sich die Forderungen der jeweilige Gruppen – so fordern die Fernfahrer Benzinpreissubventionen, die Studierenden eine Nachbesserung bei der Bildungsreform – doch der Protest richtet sich bei allen gegen die Regierung von Präsident Santos.

Die Schuld daran, dass es zwischen Landwirten und Regierung zu keiner Lösung kam, schob man sich gegenseitig zu. Viermal hätte seine Regierung einen konkreten Vorschlag auf den Tisch gelegt und jedes Mal sei in letzter Minute aus irgendeiner Ecke eine Ablehnung gekommen, lamentierte Santos.

Die Vertreter Bauern haben die Regierung aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Trotz dem Abbau der Blockaden gehe der Streik weiter, so die Bauern. In der Hauptstadt Bogotá protestierten auch in der Nacht auf Samstag wieder rund tausend Menschen.

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5 Kommentare

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  • U
    Udo

    Die Freihandelsabkommen spielen bei den Auseinandersetzungen keine grosse Rolle, vielmehr handelt es sich um illegale Einfuhren von Obst und Gemuese vor allem aus den Laendern Ecuador, Peru und Argentinien. Die Regierungen dort haben ihre Hausaufgaben gemacht und dafuer gesorgt, dass die Landwirte ihre Duengemittel und Pestizide fuer die Haelfte dessen kaufen koennen, was in Kolumbien bezahlt werden muss. Diese billig erzeugten Produkte werden nach Kolumbien geschmuggelt.

    Im uebrigen wurden die Demonstrationen durch Infiltration von Farc-Terroristen und anderen Kriminellen zusaetzlich angefacht.

  • Der Santos bleibt halt doch nur ein Zögling des kriminellen Masterminds Uribe. Es war auch schon im Uribe-Faschismus üblich, demokratische und soziale Proteste zu beschimpfen, überwachen und militärisch zu unterdrücken. In mancher Hinsicht mag es den Anschein gehabt haben, dass Santos sich von seinem Ziehvater absetzt, aber im Grunde betreibt er die gleiche kriminelle Politik wie der Pate, "Friedensverhandlungen" hin oder her.

  • G
    GreenHU

    Der Artikel stellt die Ereignisse in Kolumbien so dar, als würde die Regierung gewaltsam gegen die Zivilgesellschaft vorgehen, als würde es sich um einen anti-demokratischen Prozess handeln.

     

    Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Kolumbien erlebt einen vorher undenkbaren Moment der demokratischen Partizipation. Die Regierung Santos hat sich verrechnet, als man dachte man könne das alles abtun und die Akteure schlecht reden. Die Proteste werden von breiten Teilen der Bevölkerung unterstützt, so dass die Regierung sich tatsächlich zum Handeln genötigt sieht. Dies demonstriert wie sich die politische Situation in Kolumbien derart geändert hat, dass auch die arme Landbevölkerung Rechte verlangt, und bekommt. Kolumbien's Mittelklasse will Korruption, Vetternwirtschaft und Oligarchie nicht mehr akzeptieren, während die Regierenden nicht in der Lage sind gegen diesen Prozess gewaltsam vorzugehen.

     

    Kolumbien geht es besser und wird demokratischer in diesen Tagen, also bitte stellt dies nicht falsch dar.

  • D
    D.J.

    Scheint eine sehr fragile Konstellation zu sein. Was für die einen, die Erzeuger, den Lebenstandard senkt (billige Agrarpreise), ist für die Nichterzeuger zunächst einmal von Vorteil. Von daher scheint mir die Forderung nach Mindestpreisen gesamtgesellschaftlich weit weniger sozial zu sein als Direktsubventionen an die Produzenten (aber nicht auf ewig angelegt, sondern mit dem Ziel, wettbewerbsfähig zu werden).

  • SW
    Sven Wo

    Leider bekommt man erst gegen Ende des Artikels eine klarere Einschätzung der Ereignisse - ganz im Gegensatz zum eher populistischen Einstieg, der suggeriert, dass Santos die Streiks direkt mit Militär gekontert hat.

     

    Dass diese Streitkräfte eine Maßnahme nach den Zerstörungstouren von gewaltbereiten Vandalen war, die Santos auch ganz klar von den legitimen Demonstranten zu unterscheiden wusste, und die Tatsache, dass es bereits Angebote zur Schlichtung des Konfliktes gab (bevor das Militär eingesetzt wurde) die nun schlussendlich auch so erst einmal akzeptiert wurden, das muss sich der Leser selbst zusammen reimen.