Protest in Großbritannien: „Fuck the Police“
In der englischen Stadt Bristol eskaliert ein Protest gegen ein neues hartes Polizeigesetz. Das ist auch eine Reaktion auf „Black Lives Matter“.
Fotos und Videos auf Twitter zeigen, wie Vereinzelte auf Einsatzwagen der Polizei kletterten, sie umzukippen versuchten oder anzündeten. Trotz Verstärkung durch Reiter- und Hundestaffeln und einen Helikopter beruhigte sich die Situation erst spät in der Nacht. Laut der Polizei erlitten mindestens 20 Beamt*innen Verletzungen, darunter Knochenbrüche. Sieben Personen seien inzwischen festgenommen worden. Die Labour Abgeordnete von Westbristol Thangam Debbonaire bezeichnete die Ereignisse als vollkommen inakzeptablen, direkten Angriff auf die Polizei.
Die Auseinandersetzungen in Bristol folgten auf die um die Welt gegangenen Bilder des polizeilichen Eingreifens im Londoner Park Clapham Common am vorherigen Wochenende gegen eine Mahnwache von Frauen zum Gedenken an die auf dem Nachhauseweg entführte und ermordete Londonerin Sarah Everard – ein Mord, für den jetzt ausgerechnet ein Londoner Polizist in Untersuchungshaft sitzt.
Polizeigesetz gegen Lautstärke und „Unbehagen“
Nicht nur deswegen stand die Polizei auch in Bristol im Mittelpunkt der Proteste. Wenige Tage nach dem vielkritisierten Eingreifen der Polizei gegen die Mahnwache stand zufällig im britischen Unterhaus ein Entwurf der konservativen Regierung für ein neues Polizeigesetz zur Abstimmung. Die Parlamentarier stimmten ihm zu, wobei er noch in den Ausschüssen und im Oberhaus zur Debatte steht. Das neue Gesetz würde der Polizei in Zukunft gestatten, auch gegen friedliche Proteste vorzugehen, wenn diese einfach nur „zu laut“ seien oder „zu großes Unbehagen auslösen“ würden.
Außerdem soll das Gesetz Denkmäler schützen. Das bezieht sich direkt auf den Sturz der Statue des Sklavenhändlers Edward Colston in Bristol bei den Black-Lives-Matter-Protesten am 7. Juni 2020.
Innenministerin Priti Patel hatte das damals als Schande bezeichnet, und als bei Protesten gegen das Denkmal für den Weltkriegspremier Winston Churchill vor dem Parlamentsgebäude in London die Worte „war ein Rassist“ auf seine Statue gemalt wurden, regt sich breite Empörung unter konservativen Brit*innen, die sich nun in dem neuen Polizeigesetz widerspiegeln. Die neuen Bestimmungen könnten sich auch gegen Aktionen wie die Straßenblockaden von Extinction Rebellion in den letzten Jahren richten.
Bei der Demonstration in Bristol, einer Stadt mit einer jahrzehntelangen grünen Bewegung, riefen deswegen viele den Slogan „Zehn Jahre für Protest, fünf Jahre für Vergewaltigung.“ Die Labour-Opposition hatte im Parlament auch aus diesen Gründen gegen das neue Polizeigesetz gestimmt.
Bristols Labour-Bürgermeister Marvin Rees sagte, er würde „als jemand, der als schwarzer Mann unverhältnismäßig viel wahrscheinlicher Unrecht vom Justizsystem erwarten könne, die Frustrationen mit dem neuen Polizeigesetz anerkennen.“ Doch schränkte er ein: „Häuser im Stadtzentrum einzuschlagen, Fahrzeuge mutwillig zu beschädigen und die Polizei anzugreifen macht den Erfolg dieses Gesetzesantrages nicht weniger wahrscheinlich“.
Aufgrund der aktuellen Covid-19-Beschränkungen sind Demonstrationen im Vereinigten Königreich derzeit insgesamt nicht erlaubt. In England dürfen sich derzeit allemal zwei Personen unter freiem Himmel treffen.
Dennoch häufen sich neuerdings wieder Proteste und Demonstrationen, so in London am Samstag, als Lockdowngegner*innen und Pandemieleugner*innen auf die Straße gingen. Viele von ihnen wurden festgenommen. Ob die englischen Lockdownbestimmungen verlängert werden, soll noch diese Woche das Parlament entscheiden.
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