Protest gegen Weiterbau von A20 und A26: „Sinnloses Dinosaurier-Projekt“
Auf beiden Seiten der Elbe gibt es Kritik am geplanten Weiterbau von A20 und A26. Gegner*innen fordern eine Neubewertung aufgrund der Klimakrise.
„Wichtig war der Schulterschluss über die Elbe, der Kontakt nach Schleswig-Holstein“, sagt Peter Wortmann von der Stader Gruppe „A20 nie“. Einige Hundert Menschen – für Stade eine beachtliche Zahl, so sagt es Wortmann – kamen am Wochenende zusammen, schauten sich bei der Radtour entlang der Trasse die Flächen an, die vom Bau betroffen sind – und setzten mit der Fähre über die Elbe: „Den Fährleuten wird seit Jahren gesagt, dass der Tunnel bei Glückstadt kommt, dabei würden sie gern ihre Ideen einbringen.“
Zahlreiche Organisationen, darunter der BUND, der Nabu und Fridays for Future, beteiligen sich an den Protesten gegen die seit Jahren geplante Autobahn, und der Unwillen in der Region wächst. Seit Mai leben Aktivist*innen in einem Camp an der geplanten Trasse. Freiwillige haben unter anderem einen „Bürgerbus“ organisiert, sagt Wortmann: „Es gibt Alternativen zum Auto, wir müssen sie nur wollen.“
Für die Kritiker*innen ist „der Bau der A20 ein Dinosaurier-Projekt, das verkehrs- und klimapolitisch noch nie Sinn machte und jetzt erst recht nicht mehr“, so sagte es Steffen Regis, Ko-Landeschef der Grünen in Schleswig-Holstein, der Deutschen Presse-Agentur.
Rund 545 Kilometer Trasse zählen zur „Küstenautobahn“ A20, davon sind 345 fertig, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern.
Die fehlenden rund 200 Kilometer sollen in Schleswig-Holstein und vor allem in Niedersachsen entstehen.
Die Kosten sind gegenüber den Plänen deutlich gestiegen, ergab eine Anfrage der Linken. Demnach wird der Bau 5,2 Milliarden Euro kosten.
Zum Projekt gehört auch die Verlängerung der A26 von Stade bis Drochtersen, das „Kehdinger Kreuz“ sowie der Elbtunnel zwischen Drochtersen in Niedersachsen und Glückstadt in Schleswig-Holstein.
Die Pläne für eine „Küstenautobahn“ gehen in die 1930er-Jahre zurück. Fertig werden soll sie nach den Plänen bis in die 2030er.
Gegner*innen fürchten nicht nur ein höheres Verkehrsaufkommen, sondern bereits Schäden durch den Bau der Trasse. Sie führt durch Moorgebiete, die CO2 binden und daher besonders wichtig sind, um die Klimaziele zu erreichen. Regis nannte den Bau der A20 „einen Bärendienst für die Verkehrswende im Norden“.
Dennoch bekennen sich die Grünen im Koalitionsvertrag der Kieler Jamaika-Regierung zur „zügigen Umsetzung“ des Weiterbaus, der allerdings in der Verantwortung des Bundes liegt.
Kritik an Regis’ Äußerungen kommt vom CDU-Bundestagsabgeordneten Johann Wadephul: „Die A20 wird von grüner Seite als reine Klimabelastung verunglimpft. Das ist schlicht und einfach falsch.“ Die Autobahn, die zurzeit bei Bad Segeberg endet, sei „eine wichtige Verkehrsader, die dank kürzerer Fahrzeiten und Transportwege die wirtschaftliche Attraktivität unserer Heimat enorm steigern könnte“. Verkehrsengpässe würden entzerrt und Staus vermieden, hofft Wadephul.
Der Streit zwischen den Regierungsparteien ist nicht neu. Bereits im Oktober 2020 hatten die Bundes-Grünen vorgeschlagen, Bauvorhaben im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Klimaverträglichkeit neu zu bewerten. Grünen-Vorsitzender Robert Habeck hatte konkret die A20 genannt – zum Ärger des schleswig-holsteinischen Verkehrsministers Bernd Buchholz (FDP). In einer gemeinsamen Erklärung bekannten sich die Jamaika-Parteien zur A20.
Doch allmählich beginnt in Schleswig-Holstein der Landtagswahlkampf – das Thema könnte damit erneut wichtig werden.
Für die Umweltschützer*innen und Aktivist*innen sind Koalitionsverträge oder ein vor mehreren Jahrzehnten beschlossener Verkehrswegeplan keine Argumente. „Wenn die aktuelle Diskussion über Klimaschutz nicht dazu führt, dass Pläne infrage gestellt werden, dann können wir es vergessen“, sagt Peter Wortmann. Er will regionale Bündnisse schließen, „alle Leute in Gang bringen, die Interesse an einer Veränderung haben“. Der nächste große Protest in Stade findet parallel zum globalen Klimastreik am 24. September statt, zwei Tage vor der Bundestagswahl.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld