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Protest gegen PodiumsteilnahmeAfD spaltet Hamburger Anwaltverein

Zu einer Podiumsdiskussion haben Anwalt- und Richterverein den AfD-Politiker Wolf eingeladen. Rechts­an­wäl­t:in­nen treten deshalb aus dem HAV aus.

Der AfD-Abgeordnete Alexander Wolf – hier spricht er in der Aktuellen Stunde der Hamburger Bürgerschaft Foto: dpa | Markus Scholz

Hamburg taz | Im Hamburger Ziviljustizgebäude soll nächste Woche der Vorsitzende der AfD-Bürgerschaftsfraktion über Rechtsfragen diskutieren. Eingeladen zu der Podiumsdiskussion hat ihn der Hamburgische Anwaltverein (HAV). Das hat heftige Kritik hervorgerufen: Rechts­an­wäl­t:in­nen und Straf­ver­tei­di­ge­r:in­nen fordern den HAV auf, die Einladung zurückzuziehen. Einige sind bereits aus dem Verein ausgetreten. Auch eingeladene Po­li­ti­ke­r:in­nen drohen, an der Veranstaltung nicht teilzunehmen.

Anlässlich der Bürgerschaftswahl in Hamburg Anfang März plant der HAV nächste Woche Donnerstag zusammen mit dem Hamburgischen Richterverein (HRIV) eine Podiumsdiskussion, bei der Po­li­ti­ke­r:in­nen über den Rechtsstandort Hamburg diskutieren sollen. Auf der Agenda stehen Themen wie der Pakt für den Rechtsstaat, Justizvollzug und die Sanierung des Strafjustizgebäudes.

Eingeladen wurden die rechtspolitischen Spre­che­r:in­nen aller in der Hamburgischen Bürgerschaft vertretenen Parteien – darunter eben auch Wolf, der seit 2015 für die AfD in der Bürgerschaft sitzt. Wolf ist Herausgeber der Nazi-Liedersammlung „Schlachtruf“.

Die Hamburger Strafverteidigervereinigung, einzelne Rechts­an­wäl­t:in­nen und die Linke forderten den Anwaltverein nun auf, den AfD-Politiker wieder auszuladen. Die Rechtsanwältin für Strafrecht, Doris Dierbach, war eine der Ersten, die sich an den HAV wandte. Sie wollte die Veranstaltung besuchen, bis sie las, dass auch Alexander Wolf eingeladen ist. „Die Idee mit erklärten Antidemokraten zu diskutieren, finde ich grotesk“, sagt Dierbach.

Nicht zu Neutralität verpflichtet

Nachdem sie den Verein in einer ersten Mail aufgefordert hatte, den AfD-Politiker auszuladen, schrieb sie einen offenen Brief. Zeitgleich erklärte sie zusammen mit ihrem Anwaltskollegen den Austritt aus dem Verein. „Die AfD einzuladen, bedeutet, Antidemokraten den roten Teppich auszurollen“, sagt Dierbach und das tue nicht not. Der Verein sei nicht zur Neutralität verpflichtet und könne selbst entscheiden, wen er einlade.

Innerhalb der Strafverteidervereinigung hätten viele Mit­glie­der ihr Entsetzen geäußert, erzählt der Vorstandsvorsitzende Arne Timmermann. Von den zehn Mit­glie­dern des Vorstandes hätten alle, die Mit­glie­d des HAV sind, ihren Austritt angekündigt.

Anwalt- und Richterverein verträten bedeutende juristische Berufsgruppen, die für die Grundwerte der Verfassung eintreten, heißt es in einem Brief der Strafverteidigervereinigung. Die AfD zu einer Diskussionsrunde einzuladen sende ein falsches Signal. „Das lässt die AfD wie eine ganz normale, demokratische Partei erscheinen“, sagt Timmermann“, „das ist sie nicht“.

Gerade, wenn über rechtliche Themen gesprochen werden solle, könne die AfD nicht dabei sein. „Man kann nicht über den Pakt für den Rechtsstaat sprechen und gleichzeitig einen AfD-Vertreter einladen, der den Rechtsstaat abschaffen will“, sagt Timmermann. „Mit Faschisten diskutiert man nicht.“

Die Strafverteidigervereinigung und die ausgetretenen Rechts­an­wäl­t:in­nen sind sich darin einig, dass man die AfD grundsätzlich nicht einladen dürfe. „Dass der eingeladene Vertreter nun ausgerechnet Alexander Wolf ist, kommt noch hinzu“, sagt Timmermann. Jemand, der eine Nazi-Liedersammlung herausgebe und auf seiner Website zur Remigration aufrufe, eigne sich nicht als Gesprächspartner. „Das ist ein Hardcore-Nazi“, sagt der Mann von der Strafverteidigervereinigung.

Die AfD einzuladen, bedeutet, Antidemokraten den roten Teppich auszurollen

Doris Dierbach, Rechtsanwältin für Strafrecht

Der HAV weist die Vorwürfe, er würde damit Rechtsextremen den Weg bahnen, von sich. In seiner Stellungnahme heißt es, er habe zwar Verständnis dafür, habe sich aber entschieden, alle Parteien einzuladen, die aktuell im Hamburger ­Parlament vertreten sind und zur Wahl stehen. Außerdem gehe man davon aus, dass die Teil­neh­me­r:in­nen in der Lage sein würden, undemokratischen Aussagen zu bewerten. Dafür werde auch der Moderator sorgen.

Am Montag hatte der Vorstand des Anwaltvereins dennoch eine Sondersitzungeinberufen und erneut abgestimmt. Die Mehrheit sprach sich dafür aus, Wolf weiterhin einzuladen.

Der HRIV teilt den Standpunkt des Anwaltvereins. Auf taz-Anfrage teilte er zudem mit: „Die Entscheidung, eine oder mehrere Parteien nicht einzuladen, wäre eine politische.“ Mit der Überparteilichkeit des Vereins sei dies nicht vereinbar.

Timmermann könnte noch verstehen, dass sich die Vereine verrannt haben. „Aber dass man trotz all der Kritik am Ende dabei bleibt, das finde ich fast schlimmer“, sagt er.

Die Linken-Politikerin Carola Enss­len, die ebenfalls als Diskutantin zur Podiumsdiskussion eingeladen war, hat inzwischen Konsequenzen gezogen: Sie wird nicht an der Veranstaltung teilnehmen, solange die AfD eingeladen bleibt. „An Schulen gibt es aufgrund des Neutralitätsgebots keine Wahl“, sagt sie. „Aber beim Anwaltsverein können sie frei entscheiden, wen sie einladen.“ Auch Lena Zagst von den Grünen hat ihre Teilnahme an der Veranstaltung nun zurückgezogen.

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4 Kommentare

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  • "Es gilt sich als Opfer zu stilisieren und Faschismus zur Normalität werden zu lassen. " balaban hat es richtig erkannt - aber die falschen Schlüsse gezogen...

    Indem man die AfD so ausgrenzt, bedient man doch ihr Opfernarrativ!

    Und ehrlich gesagt halte ich den Vergleich der AfD mit der NSDAP für eine Verharmlosung des Nationalsozialismus. Die Partei ist in Teilen rechtsextrem und insgesamt unappetitlich, aber Chrupalla ist kein Hitler, Weidel kein Goebbels...

    Eine Demokratie zeigt ihr Wesen im Umgang mit ihren Gegnern. Das Grundgesetz und das BVerfG haben ein fein austariertes System zum Umgang mit Verfassungsfeinden. Wer mag, soll ein Verbotsverfahren starten. Aber so lange eine Partei legal ist, sollte sie ihre Auffassung darlegen dürfen - gerade so ein Auftritt vor Anwälten und Richtern wird ja kaum dazu führen, dass diese plötzlich alle AfD wählen, sondern dieses Publikum weiß genau, welche Ziele der AfD rechtswidrig oder sogar verfassungsfeindlich sind...

  • Es ist eine Frage der Haltung, ob man sich zum Steigbügelhalter von Faschisten machen lässt. Mit Nazis zu reden hat sie nie entzaubert, wie viele glauben. Es hat sie weiter in die Mitte gerückt, weil sie als Gesprächspartner den Tauglichkeitsstempel bekommen.



    Kein Pegida, kein AfD ist weniger geworden, weil man mit ihnen geredet hat. Es ist für das rechte Projekt vollkommen egal, ob Menschen wie Alexander Wolf oder jemand anderer/s bloßgestellt, lächerlich gemacht oder entlarvt werden. Es gilt sich als Opfer zu stilisieren und Faschismus zur Normalität werden zu lassen.



    Es ging den Rechten auf dem Weg zur Macht im ersten Schritt nie um ihre Inhalte. Das Projekt ist erst Demokratie, Rechtsstaat und Justiz zu zersetzen, lächerlich zu machen, um dann ungestört die Macht ergreifen zu können. Dann können die Inhalte, umgesetzt werden. Und warum soll man gegen die AfD neutral sein? Die Diskutanten sollten Rückgrat haben und die Veranstaltung absagen. Sonst ist ihr Behauptung von Nie wieder ist jetzt, ziemlich unglaubwürdig. Shame on you HAV und Richterverein.

  • Wer nach allen Seiten so offen daherkommen will, wie der Hamburger Anwalt- und Richterverein trotz Warnungen, Austritten von Vereinsmitgliedern, kann mit Kurt Tucholski gesprochen, nicht ganz dicht sein.



    Zumal nachdem Union Kanzlerkandidat Friedrich Merz gestern im Bundestag Brandmauer gegenüber AfD geschliffen hat, ein Gesetz gegen Recht und Ordnung in Deutschland und EU, wie es Linkspartei MdB Heidi Reichinnek gestern im Bundestag auf den Punkt brachte, knapp mithilfe AfD, neben BSW, FDP zu erzwingen, als eskalierendes Dementi, dass die Union für AfD BT-Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht sei, das heute im Bundestag debattiert wird, nach der riskant rabiaten Losung mit Wagniskapital unbekannter Provenienz im BlackRock Backstage, was schert mich mein Volljuristen Mist von heute, wenn ich Morgen CDU Alt--Kanzlerin Angela Merkels Mahnung zum Trotz noch mehr Voll Fritze Mist verzapfen kann all in Risk Lied „Kevin allein zu Haus“ aus den parlamentarischen Konsens Gleisen links liberal von der Mitte ins Irgendwo ganz Rechts Onanie Tatara fliege des Vollpfosten Lust



    www.youtube.com/watch?v=Z5P9pYv7itw

    Merz paktiert mit der AfD – Heidi Reichinnek reagiert wütend!

  • Was sind das für Anwälte, die sich nicht zutrauen, einem Herrn Wolf in einer Diskussion Paroli zu bieten?