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Protest gegen KlimagipfelDem Sonderzug aufs Dach gestiegen

Aktivisten blockieren den „Train to Paris“, mit dem die deutsche Delegation nach Frankreich reist. Sie halten den Gipfel für einen „Teil des Problems“.

Die Blockade dauerte über zwei Stunden an Foto: dpa

Frankfurt/Main taz | Der Sonderzug, der von Berlin aus zum Klimagipfel nach Paris fährt, ist am Samstagmittag beim Zwischenstopp in Frankfurt von AktivistInnen aufgehalten worden. Drei junge Menschen seilten sich vom Dach der Bahnhofshalle auf den Zug ab. Zwei weitere ketteten sich vor den Zug, der im Frankfurter Kopfbahnhof stand, ans Gleis.

Bei den AktivistInnen handelte es sich offenbar um radikale, kapitalismuskritische KlimaschützerInnen. Nach eigener Auskunft gehören sie zu keiner Umweltorganisation. „Der Gipfel in Paris ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems“, sagte einer der Zugbesetzer. Auf einem Flugblatt bezeichneten sie den Klimagipfel als „Ablenkung“, mit dem Klimaschutz „vorgetäuscht“ werde. Auf einem Transparent war zu lesen: „Kliamschutz statt Stellvertreter-Spektakel“.

Polizei und Feuerwehr begannen erst nach mehr als einer Stunde damit, das Zugdach und die Schienen zu räumen. Nach ihrer Anssicht hatten sich die AktivistInnen beim Besteigen des Zugdachs in Lebensgefahr gebracht. „Auf der Oberleitung ist noch Strom“, riefen Bahnmitarbeiter, als sich die Protestierer abseilten.

Diese näherten sich der Leitung auf etwa einen Meter; bei diesem Abstand kann – abhängig von der Luftfeuchtigkeit – die 15.000-Volt-Spannng aus der Oberleitung durch einen sogenannten Lichtbogen bereits tödlich sein. Die Menschen vom Dach des Zuges wurden nach etwa etwa eineinhalb Stunden von Feuerwehr und Polizei vom Dach des Zuges geholt. Die Gleis-Blockade dauerte über zwei Stunden an. Der Zug setzte seine Fahrt mit über zweieinhalb Stunden Verspätung am Nachmittag fort.

Dass die Blockade trotz erhöhter Sicherheitsvorkehrungen stattfinden konnte, sorgte für Verwunderung. „Wir werden überprüfen, wie es dazu kommen konnte“, sagte Bahn-Vorstand Ronald Pofalla, der mit an Bord war. Im Sonderzug fahren etwa 300 Menschen aus Deutschland zum Klimagipfel nach Paris; darunter neben Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Pofalla viele VertreterInnen von Politik, Umweltorganisationen und Medien. Die Blockade stieß bei ihnen weitgehend auf Unverständnis. Bevor die Polizei das Gleis absperrte, versuchten mehrere Fahrgäste, mit den Besetzern über den Sinn der Aktion zu diskutieren.

„Klimaschutz statt Stellvertreter-Spektakel“ – so sehen es die AktivistInnen auf dem Dach des Zugs Foto: M. Kreutzfeldt

Auch die Umweltministerin appellierte erfolglos an die Besetzer, die riskante Aktion zu beenden. „Eine Diskussion war nicht möglich“, sagte Hendricks. „Sie haben mich zum Rücktritt aufgefordert und erklärt, wir wären nicht legitimiert, überhaupt zu verhandeln.“

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7 Kommentare

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  • Ja, das finde ich auch: eine gute Aktion.

  • Also ganz unabhängig, wie inhaltlich berechtigt der Protest ist: So eine Aktion geht garnicht, das war viel zu gefährlich. Vom Dämlichkeitsgrad ist das auf dem gleiche Niveau wie sich mit einem Protestbanner auf die linke Spur der Autobahn zu stellen. Siehe hier: http://www.mdr.de/brisant/jugendlicher-nach-stromschlag-schwerverletzt100.html

     

    Also bitte, macht so etwas nie wieder!

    • @Jörg Kaufmann:

      OmG, das wissen die doch, aber der Narzissmus ist eben größer. Klimakonferenzen finden auch nicht wegen solcher Aktionen statt, sondern trotz dieser.

  • Allergrößte Hochachtung!

    Superaktion und deutliches Statement zu der Aktions-simulation der "Offizellen".

    Man sieht, daß einmal gelerntes nicht wieder vergesen wird: Vor Jahren hatte sie in Gorleben das Demonstrieren verboten. Als Antwort wurden die Züge mitten in Deutschland, dann schon in Frankreich blockiert.

    Jetzt wurde das Demonstrieren in Paris verboten, Hausarrest gegen Aktivisten verhängt.

    Wir werden ganz sicher noch andere, dezentrale Aktionen erleben.

    @Kurt-Horst: Wer eine solche punktgenaue Aktion zustandebringt, weiß um die Gefahren der 15kv-Oberletung. Die Leute haben das ganz sicher sehr sorgfältig bedacht.

    In Gefahr,oft Lebensgefahr! werden Aktivisten immer wieder durch Polizebeamte gebracht.

    • @Wagenbär:

      Auf einem glatten, gekrümmten Waggondach bedarf es nur eines kleinen Ausrutschers, um in den tödlichen Bereich der Oberleitung zu kommen. Es ist Wahnsinn. Das Motiv der Aktion ist richtig, aber m.E. muß niemand dafür draufgehen.

  • Worüber wundert sich diese Umweltministerin noch??

     

    Ihr Parteikollege und Wirtschaftsminister ist verantwortlich dafür, dass die Bundesregierung Griechenland eine Exportbürgschaft und ein Darlehen gewährt, damit Griechenland ein riesiges Kohlekraftwerk bauen kann, das es sonst nie gegeben hätte und das das Klima noch über 35 Jahre mit CO2 "versorgen" wird. Es geht um "deutsche Arbeitsplätze", so Gabriel.

     

    Ihr Parteikollege Gabriel ist dafür verantwortlich, dass bei PKW weiterhin nicht der reale Verbrauch, sondern Phantasiewerte als Grundflage der Umweltbewertung und Steuereinstufen dienen und der SUV-Wahn weitergeht. Alle Versuche der EU, den realen Verbrauch zur Grundlage zu machen, werden von der Bundesregierung Arm in Arm mit den Lobbyisten der Autoindustrie verhindert. Es geht - man ahnt es - um deutsche Arbeitsplätze - allerdings sind diese Autos bald nicht mehr zu verkaufen, weil die Entwicklung von anderen Technologien zur Serienreife verschlafen wurde.

     

    Ihr Parteikollege Gabriel gestaltet die Energiewende so, dass die Investitionen nur noch von den Energiekonzernen übernommen werden können. Die Motoren der Energiewende - die Bürger/innen - bekommen gar keine Gelegenheit mehr, sich an neuen Windparks zu beteiligen, weil die Abschreibungsmöglichkeiten für Großkonzerne unschlagbar sind und Projektentwickler an diese verkaufen, weil die Vergabe an Bürger/innen viel zu aufwendig wäre.

     

    Wofür ist Frau Hendricks eigentlich Umweltministerin?

  • Wahnsinn, sich solcher Lebensgefahr auszusetzen!

     

    Inhaltlich haben sie aber absolut Recht, wovon Hendricksens Ausspruch Zeugnis gibt: „Eine Diskussion war nicht möglich“, sagte Hendricks. „Sie haben mich zum Rücktritt aufgefordert und erklärt, wir wären nicht legitimiert, überhaupt zu verhandeln.“