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Protest gegen DenkmalpolitikTabula rasa in Berlins Mitte?

In Mitte könnte nicht nur das „Trostfrauenstatue“ weichen müssen. Auch andere Erinnerungsorte sind gefährdet. Linke und SPD sind alarmiert.

Ist Kunst und soll nicht weg: Die Installation „Memorias Urbanas“ in Berlin-Mitte Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Berlin taz | Bleiben die Stelen stehen? Oder soll auch das Denkmal für den Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld am gleichnamigen Ufer in Tiergarten verschwinden – so wie das für die „Trostfrauen“ in Moabit?

Wie die taz berichtete, sind mehrere Denkmäler im Bezirk Mitte von Abriss bedroht. Der Grund: Privat initiierte Erinnerungsorte sollen nach dem Willen des Bezirkes nur temporär stehen. Zu diesem Ergebnis kam das Bezirksamt, als der Korea-Verband gegen den geforderten Abbau der „Trostfrauenstatue“ vor Gericht klagte.

Der Queerbeauftragte des Senats, Alfonso Pantisano, hat nun in einem Brief an den Bezirk nach dem Verbleib der Stelen am Magnus-Hirschfeld-Ufer gefragt. Auch der Lesben- und Schwulenverband LSVD würde den Abriss der Stelen nicht einfach so hinnehmen, heißt es. Die Stelen erinnern an die erste homosexuelle Emanzipationsbewegung, die mit dem Namen des Sexualwissenschaftlers verbunden ist.

Die Stelen sind nicht das einzige Denkmal, das von der neuen Praxis betroffen wäre. Auch „Memoria Urbana“ – eine Stahlkonstruktion an der Mauerstraße, die an die hier einst stehende und in der DDR abgerissene Betlehemkirche erinnert – soll nach Ansicht des Bezirksamts verschwinden. Aktuell liegt der Fall beim Berliner Verwaltungsgericht.

SPD: „Jeden Einzelfall prüfen“

Der Bezirk Mitte argumentiert, dass in Mitte privat initiierte Kunstwerke nur temporär im öffentlichen Raum stehen dürfen – es sei denn, sie sind Ergebnis eines künstlerischen Wettbewerbs, was weder auf die Stelen am Magnus-Hirschfeld-Ufer noch auf die „Trostfrauenstatue“ zutrifft, und eben auch nicht auf das Kirchenkunstwerk an der Mauerstraße.

Manuela Schmidt, die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, bedauert, dass „so wichtige Initiativen aus formalen Gründen einfach gecancelt werden“. Ihrer Meinung nach müsse Mitte ein Gremium aus Vertretern des Bezirkes und der Zivilgesellschaft einsetzen, das über die Zukunft von Denkmälern entscheide. Dies sei in anderen Bezirken bereits Praxis.

Auch Schmidts Fachkollegin in der SPD-Fraktion, Melanie Kühnemann-Grunow, sagt, dass ihre Partei den Ansatz der dezentralen Erinnerungskultur in den Bezirken wie auch bürgerschaftliches Engagement vor Ort schätze. „Die Bezirke sind angehalten, Denkmäler nicht einfach abzureißen, sondern jeden Einzelfall zu prüfen und nach einer dauerhaften Lösung zu suchen“, so Kühnemann-Grunow.

Beide Politikerinnen setzen sich auch für einen Verbleib der „Trostfrauenstatue“ ein, die die Auseinandersetzung in Mitte ausgelöst hatte und an die Zwangsprostitution asiatischer Frauen im Zweiten Weltkrieg erinnert. Manuela Schmidt sagt: „Der Korea-Verband hat den Finger in die Wunde gelegt, indem er das Thema sexualisierte Gewalt in kriegerischen Auseinandersetzungen öffentlich thematisierte. Das ist ein schöner Erfolg.“

Unterdessen hat der Landesbeirat für Partizipation in einem Antrag an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gefordert, das „Trostfrauendenkmal“ sowie das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma unter Denkmalschutz zu stellen. Letzteres ist wegen des Baus der neuen S-Bahnstrecke zum Hauptbahnhof an seinem jetzigen Standort nahe des Brandenburger Tors gefährdet.

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