Protest gegen AfD-Demo: Viel Zuspruch für die Drag-Queen-Lesung
Am Tag der Kinderrechte lud das Humboldt-Forum zu einer Bilderbuchlesung von Drag Queens. Die AfD protestierte, Besucher*innen lobten die Aktion.
Die Demonstrant*innen schwenken Flaggen aus silberner und goldener Folie, sie knistert leicht im eisigen Wind vor dem Humboldt-Forum. „Schützt die Kinder vor der AfD“, schallt es aus der Gruppe. Rund 220 Menschen protestieren hier am Sonntagmittag gegen eine zeitgleich stattfindende Kundgebung der AfD.
Die AfD wiederum hat sich von einer Bilderbuch-Lesung im Humboldt-Forum triggern lassen. Dort lesen am Sonntag die beiden Drag-Queens Kaey und Vivienne Lovecraft bei der Drag Story Hour für Kinder vor. Das Humboldt-Forum hat die beiden eingeladen, Anlass ist der Kinderrechte-Tag am 23. November, an dem auch die dortige Berlin Global-Ausstellung die UN-Kinderrechtskonvention und die in ihr niedergelegten Kinderrechte zum Thema macht.
Bei der AfD-Kundgebung haben sich rund 60 Personen versammelt, etwas verdruckst stehen sie an einem Nebeneingang des Stadtschlosses. Die Plakate tragen AfD-Logos, sie wurden offensichtlich mit vorgefertigten Slogans von der Partei bereitgestellt. Ein AfD-Bezirkspolitiker schürt Angst, behauptet, dass „hinter jeder Ecke“ jemand „lauere, der Kindern etwas antun“ wolle. Er stellt die Drag-Queen-Lesung in eine Reihe mit den schwersten Vorfällen sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche der vergangenen Jahrzehnte, er nennt etwa die Verbrechen an der Odenwaldschule und den sogenannten Kentler-Fall.
Was eine Lesung aus Kinderbüchern damit zu tun hat, in denen es um Freundschaft und Akzeptanz geht, lässt der Redner offen. Das Stadtmuseum Berlin, verantwortlich für Berlin Global und den Thementag, hat sich schon im Vorfeld gegen die AfD-Behauptungen verwehrt. „Drag ist eine künstlerische Ausdruckform des Verkleidens und Übertreibens – vergleichbar mit Theater, Märchenfiguren oder Kostümfesten, was Kindern sehr vertraut ist“, schreibt das Museum in einem umfangreichen Statement. „Kinder sollen erleben, dass sie in ihrer Persönlichkeit respektiert werden – und dass auch andere Menschen Respekt verdienen.“
Ähnlich sehen es auch die Teilnehmer*innen der Gegendemo. „Wann wirst du Drag? Doch meistens als Kind. Viele Kinder lieben es, sich zu verkleiden“, sagt eine Demo-Teilnehmerin. „Uns ist wichtig, dass Kinder die Vielfalt der Welt und der Menschen kennenlernen, und gerade Drag Queens können das sehr gut vermitteln“, sagt eine Frau, die später noch mit ihrem sechsjährigen Sohn zur Lesung gehen will. „Sie lesen sehr schön vor, sind professionelle Performerinnen und erzählen ihre eigene Geschichte.“
Auch die Omas gegen Rechts sind dabei
Gerade Familienpolitik sei ein Thema, das die Rechten gern für sich vereinnahmen würden, sagt ihre Begleiterin – weil es angeblich privat sei. „Daher ist es wichtig, dagegen auch im öffentlichen Raum vorzugehen und zu zeigen, dass wir uns verbünden und das, was wir erkämpft haben, nicht aufgeben.“ Die Omas gegen Rechts sind gleich in größerer Gruppe gekommen. „Unerträglich“ finde sie es, dass die AfD „hier mitten in unserer Stadt aufmarschiert“, sagt eine Demonstrantin.
Drag Queens lesen in Berlin regelmäßig Bilderbücher vor, etwa bei Vorlese-Aktionen in Bibliotheken. Auch am Sonntag ist die Lesung laut Veranstalterin gut besucht. „Ganz zauberhaft“, sagt eine Frau, die mit ihrem vierjährigen Sohn zur Lesung gekommen ist. Nur dass so viel schwer bewaffnete Polizei im Museum präsent ist, findet sie beängstigend, auch wenn sie die Notwendigkeit einsehe.
Draußen packt die AfD nach etwa einer Stunde ein. Der Gegenprotest, an deutlich besser sichtbarer Stelle, ist weiterhin stabil zu hören.
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