Protest gegen Abholzung: Fecher wird geräumt
In Frankfurt am Main sollen Hunderte Bäume für zwei Autobahnkilometer fallen. KlimaaktivistInnen protestieren.
Mehr als ein Jahr lang hatten Umwelt- und KlimaaktivistInnen hier ein Dutzend Baumhäuser und Plateaus in großer Höhe besetzt. Die Polizei forderte nun per Megafon, den Wald freiwillig zu räumen. Seit einer Woche gibt es bereits ein Betretungsverbot. Die ersten Baumhäuser fielen schon am Vormittag. Ihre BewohnerInnen wurden abgeseilt und aus dem Wald getragen. Einzelne „Aktivisti“ kletterten in die Baumwipfel, um die Räumung zu verzögern.
Nach Abschluss der Bauarbeiten soll hier die Autobahn A 661 vierspurig durch den umstrittenen Riederwaldtunnel an die A66 Richtung Fulda angebunden werden. Die Autobahn GmbH will nun zunächst Platz für eine Baustraße schaffen. Für den Nachmittag war eine Demonstration auf dem Gelände angemeldet.
Seit Tagen hatte das Aktionsbündnis Fecher bleibt! den „Tag X“ vorbereitet. Auch der streng geschützte Große Heldbockkäfer, der im vergangenen Jahr in dem ehemaligen Auenwald entdeckt worden war, hatte nur für ein paar Tage Aufschub sorgen können. Mit Eilanträgen vor den Verwaltungsgerichten wollten Umweltverbände und Einzelpersonen die Rodung in letzter Minute stoppen.
Heldbockkäfer und Eichen sind gefährdet
Ein Baumbesetzer klagte auf Zugang zu seinem Baumhaus, weil sich dort sein Hab und Gut befände. Der Verband NaturFreunde Deutschland legte ein weiteres Gutachten zum streng geschützten Bestand des Eichenheldbockkäfers vor. Nicht nur die mächtigen Eichen, die zunächst stehen bleiben sollen, seien für das Überleben des Käfers entscheidend; auch die Rodung kleiner Eichen und Buchen gefährde den Bestand, argumentierten die ExpertInnen. Doch der hessische Verwaltungsgerichtshof wies die Eilanträge allesamt zurück.
Die Landtagsfraktion der Grünen verteidigte am Mittwoch erneut die Rodung des Waldes. Grundsätzlich sei man zwar gegen den Neubau von Autobahnen, der Rechtsweg sei aber ausgeschöpft. Kein Gewinnerthema: Im Laufe des Tages fanden sich einige FrankfurterInnen am Fecher ein, um den GegendemonstrantInnen den Rücken zu stärken. Oder den BeamtInnen – so Ministerpräsident Boris Rhein und Landesinnenminister Peter Beuth, beide CDU. Rhein nannte den Einsatz „politisch aufgeheizt“, für die „Durchsetzung der demokratischen Grundordnung“ jedoch zwingend notwendig. Er lobte die insgesamt besonnene und friedliche Auseinandersetzung.
Die Kampagne Fecher bleibt – keine A66! kritisierte dagegen die Durchsetzung „einer völlig überholten Bauplanung aus dem vergangenen Jahrhundert“. Der Einsatz richte sich gegen engagierte junge Menschen, gegen zahlreiche Gruppierungen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung, die sich um Artenvielfalt, Klima, Mobilitätswende und um die Lebensqualität sorgten, erklärte Simone Kühn vom Aktionsbündnis unmenschliche Autobahn (AUA).
Harry Unger vom Bündnis Wald statt Asphalt nannte die Baustraße überflüssig. „Der Baustellenverkehr könnte über die Borsigallee abgewickelt werden. Der Wald verliert durch diese Schneisen jedoch seinen ökologischen Wert als Erholungsraum, als Lebensraum und als ‚Klimaanlage‘.“
Alexis Passadakis von Attac Frankfurt nannte die Kosten für zwei Kilometer Autobahn unverhältnismäßig. „Mit über 270.000 Euro pro Meter Asphaltfläche und Tunnel ist dieses Autobahnprojekt schon jetzt das teuerste in ganz Deutschland“, so Passadakis. „Die Klimaschädlichkeit dieses Vorhabens steht allen nur allzu deutlich vor Augen. Die Pariser Klimaschutzziele werden mit Füßen getreten“, bilanziert das Bündnis.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlkampf in Deutschland
Rotzlöffeldichte auf Rekordniveau
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA entwerfen UN-Resolution zum Krieg in der Ukraine ohne jede Kritik an Russland
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“