piwik no script img

Protest für den Hambacher WaldDer ganz persönliche Kohleausstieg

Die geplante Abholzung des Hambacher Walds kostet den Energiekonzern RWE Kunden. Die wechseln im großen Stil zu Ökostrom-Anbietern.

So schön kann Ökostrom sein: Ein Windrad bei Sonnenuntergang Foto: dpa

Plötzlich schnellt die Nachfrage nach Ökostrom in die Höhe. Die Auseinandersetzung um den Hambacher Wald hat offenbar viele Stromkunden motiviert, sich einen neuen Anbieter zu suchen. „Viermal mehr Kunden als normalerweise üblich“ wechselten aktuell zu Greenpeace Energy, teilte der Ökostromer kürzlich mit. Besonders seit Beginn der Räumung der Baumhäuser sei die Nachfrage nach sauberem Strom spürbar angestiegen.

Der Großteil der Neukunden sei zuvor bei den mit dem Essener Energiekonzern RWE verbundenen Versorgern Innogy, Eprimo und Rheinenergie sowie bei deren konventionellen Wettbewerbern Eon und Vattenfall unter Vertrag gewesen, analysierte die Hamburger Energiegenossenschaft.

Der Zusammenhang mit dem umstrittenen Braunkohleabbau liegt damit auf der Hand. Die Kunden vollzögen mit dem Anbieterwechsel „ihren persönlichen Kohleausstieg“, sagt Nils Müller, Vorstand bei Greenpeace Energy. Also als Protest gegen den RWE-Konzern, der durch seine Pläne, im Hambacher Wald durch Abholzungen Fakten zu schaffen, die in Berlin tagende Kohlekommission unterminiere.

Unterdessen beobachten auch die anderen Ökostrom-Anbieter steigende Neukundenzahlen. „Vor allem bei den Online-Verträgen ging es zuletzt deutlich nach oben“, sagt ein Sprecher von Naturstrom. Dass die Entwicklung den Vorgängen am umkämpften Tagebau Hambach geschuldet sei, zeige die Auswertung der Postleitzahlen: „Ein Drittel der Neukunden kommt aus einem Umkreis von 50 Kilometer um den Hambacher Forst.“

Mehr als doppelt wo viele Ökostrom-Wechsler

Auch bei den Elektrizitätswerken Schönau sind es vor allem Kunden von RWE-Gesellschaften, die sich neu anmelden. „Der Anteil der Neukunden von diesen Lieferanten liegt aktuell bei 13,5 Prozent, durchschnittlich liegt er sonst bei 5 Prozent“, sagt Geschäftsführer Sebastian Sladek. Die Wechsel finden vor allem über das Internet statt: „Als wesentliche Stimulatoren sehen wir die sogenannten Social Media, aber auch und zunehmend die Online-Berichterstattung der Presse.“

So ergibt sich überall das gleiche Bild: „Wir haben hohe Zugriffszahlen online, da passiert gerade viel“, sagt ein Unternehmenssprecher von Lichtblick. Beim Münchener Ökoenergieversorger Polarstern sagt Geschäftsführer Florian Henle: „Die Anzahl der Ökostrom-Wechsler hat sich bei uns allein in der letzten Woche mehr als verdoppelt.“

Von der „größten Wechselwelle zu Ökostrom seit Fukushima“ ist gar bei den Bürgerwerken die Rede, einem Zusammenschluss von mehr als 85 Bürgerenergiegenossenschaften aus ganz Deutschland. Aktuell gingen fünfmal so viele Menschen wie sonst zu einem neuen Anbieter, heißt es am Firmensitz in Heidelberg. „Mit der geplanten Waldrodung sägt RWE buchstäblich am eigenen Ast“, sagt Bürgerwerke-Vorstand Kai Hock.

Welche Macht aufgebrachte Kunden haben, hatte im Jahr 1995 der Energiekonzern Shell erleben müssen. Als er die ausgediente Ölplattform Brent Spar im Meer versenken wollte, brachen nach einer Greenpeace-Aktion die Umsätze an den Shell-Tankstellen so drastisch ein, dass der Konzern einlenkte. Nicht auszuschließen, dass nun der Hambacher Wald für RWE zur Brent-Spar-Erfahrung wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Vielleicht ziehen die in einem anderen taz-Artike genannten 75% der Bevölkerung, die gegen den Kahlschlag des Hambacher Forstes sind, ebenfalls persönliche Konsequenzen!

  • Netzbetreiber sind noch viel empfindlicher und leichter unter Druck zu setzen, da sie direkt am Kunden sitzen und auf unkoordinierte statistische Zu- und Abhnahme der Last angewiesen sind.



    Wenn du den Anbieter wechselst, entscheidest du, wofür dein Geld ausgegeben wird.

  • Alle Normalsterblichen finanzieren den grünen Strom mit der EEG-Umlage nicht zu knapp. Was damit getan wird, steht nicht in unserer Macht. Mir ist nicht klar, woher grüner Strom in der gewünschten Größenordnung kommen soll, wenn kein Wind wehr und die Sonne nicht scheint. Grüne Zertifikate vom norwegischen Wasserkraftwerk zu kaufen halte ich für modernen Ablasshandel. Der Strom ist ja nicht dumm und kommt vom nächsten Kohle-Kraftwerk. Das Zertifikat kümmert den Strom wenig. Nun ich kann mir mit Solarzellen uns Windrädern alles zupflastern, soweit meine Nachbarn das mitmachen. Dann habe ich für viel Geld Strom wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Es braucht schon ein ordentliches und ausgewogenes Konzept, Vertragswechsel bzw. Maschienenstürmerei bringt nur zusätzlichen Aufwand und Umweltverschmutzung.

    • @zpFuchs:

      Maschinenstürmerei, lieber ZFUCHS, richtete sich gegen damals modernste Technik. Heute geht es darum, völlig veraltete Technik endlich abzuschalten. Merkwürdiger Vergleich.

    • @zpFuchs:

      Sehr wichtig ist, was mit meinem Geld passiert und wo das hinfließt. Bei Ökostromanbietern eben auch in die Wasserkraftwerke und vor allem in hiesige Wind- und Sonnenenergie. So lange das Geld für meinen Strom nicht in Kohle und Kernkraft geht, stärke ich diese auch nicht.

    • @zpFuchs:

      Such mal nach Kombikraftwerk 2. Da hast dein ordentliches Konzept

    • @zpFuchs:

      Ich finde es bei der Diskussion um Energiewende wichtig, nicht nur die Art der Energieerzeugung zu betrachten, sondern auch, wofür Energie aufgewendet werden soll und wie hoch der Energieverbrauch bisher ist. Was letzlich zu der Frage führt, wer produziert was bzw. wer was produzieren soll. Wie sind die Einflussmöglichkeiten? Wie sind die Produktionsverhältnisse? ... Die Systemfrage stellen!

    • 9G
      98589 (Profil gelöscht)
      @zpFuchs:

      Es gibt genügend Strom, auch ohne die Kohlekraftwerke . einfach mal Frau Claudia Kemfert in die Suchmaschine Ihres Vertrauens eingeben und lesen, was sie zu sagen hat.

      Natürlich ist gekaufter Strom mittels Zertifikat kein echter Ökostrom, sondern eine Mogelpackung.

      Es gibt genügend echte Ökostromanbieter, sie sind auch in dem Artikel genannt.

      Jeder Schritt zählt. Vertragswechsel bringt Umweltverschmutzung.



      Das wäre mir neu. Der Wechsel geht ganz einfach, versprochen!



      Einige Ökostromanbieter sind sogar günstiger als die herkömmlichen Anbieter.

      • @98589 (Profil gelöscht):

        Bei Lichtblick wäre ich vorsichtig. Da gibt es Kritik.



        Allerdings mir sind die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) symphatisch. Aus einer Bürger*innenbewegung in Reaktion auf Tschernobyl heraus entstanden. Sie schafften es, ein Stromnetz zu kaufen und verwenden die Beträge von der Bundesnetzagentur aber auch die Einnahmen durch die Kund*innen ("Sonnencent") für neue Projekte/Anlagen. Einfach mal auf deren Seite schauen ...

        • @Uranus:

          Die Details für alternative Stromanbieter sind doch eher was für Stiftung Warentest.

  • Wie kann man denn den Netzbetreiber wechseln?

    Der Anbieter ist letztlich auch wieder darauf angewiesen, dass die Netzbetreiber (und da ist afaik RWE z.B. über EnBW dicke drin) letztendlich den Strom durchleiten.

    Ich weiß ja nicht, ob es solche Geräte auch für RWE-Strom spezifisch gibt:



     

    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an unsere Netiquette. Die Moderation

    • @Age Krüger:

      Den Netzbetreiber kann man nur beim Mobilfunk wechseln. Bei Strom ist jedes Gebäude an das Netz eines Verteilnetzbetreibers (VNB) angeschlossen, dies sind oft Stadtwerke, Kommunen oder industrielle Anbieter. Zwischen den Verteilnetzen sorgen die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) für die Stromversorgung und die Einhaltung der 50 Hz-Frequenz. In D gibt es vier ÜNB, die ihr festgelegtes Gebiet haben. Einer davon ist Amprion, eine Tochter der RWE. Die Netzentgelte, die die ÜNB verlangen dürfen, müssen sich die ÜNB von der Bundesnetzagentur genehmigen lassen (das soll dem Missbrauch des Monopols vorbeugen).

    • 9G
      98589 (Profil gelöscht)
      @Age Krüger:

      Natürlich fliesst auch der Ökostrom durch die Netze.



      Stellen Sie sich einen großen See vor, in den alle Anbieter Strom einspeisen, Kohle-, Atom- und auch Ökostrom.

      Wenn nun mehr Kunden Ökostrom beziehen wird dieser eingespeist und verdrängt längerfristig den Kohle- und Atomanteil.

      So würde dies nach Fukushima in den Stromwechselcafes bildhaft erklärt und ist einfach nachvollziehbar.

      Jede kann was tun.

      • @98589 (Profil gelöscht):

        Mir wäre eben eine Konkurrenz auch bei den Netzbetreibern lieber. Ich weiß zwar auch noch nicht, wie das aussehen kann (Wenn jeder Netzbetreiber seine eigenen Leitungen baut, würde wahrscheinlich jede Straße wie ein Umspannwerk aussehen), aber bei nur vier Netzbetreibern in Deutschland glaube ich auch nicht an wahren Wettbewerb.

  • 9G
    91690 (Profil gelöscht)

    Wir haben es doch alle tausendfach jeden Tag in der Hand Firmen abzustrafen deren Anstandsempfinden von unsrem eigenen abweicht.... keiner muss Autos ,Müsli, Strom ,Gas . MineralWasser in Plastikflaschen , Billigfleisch kaufen wenn er den Hersteller unseriöser Methoden für schuldig hält .. er muss nur hingehen und etwas ANDERS machen .. und möglichst nicht indem er / sie nichts ändert und nur AFD wahlt und glaubt die würden sich dann genau dafür engagieren :-).. Einfach mal machen... Stromvertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt ( auch wenn das in 11 Monaten ist ) kündigen .. email schreiben mit dem Tenor.. solange Ihr Wälder abholzt kauf ich den Strom anderswo ..

    • @91690 (Profil gelöscht):

      An sich haben Sie recht, ICH kann das machen.



      Aber eigentlich bezahle ich genau dafür eine Regierung: damit die sich mit sowas herumschlagen und ich das nicht machen muss. Das ist doch das Problem.



      So muss ich zum einen die Regierung fürs nichts-tun bezahlen und dann die Arbeit auch noch selber machen... verständlich, wenn man da "verstimmt" ist.

      • 9G
        91690 (Profil gelöscht)
        @Franz Georg:

        Ach du je .. da soll sich die Regierung kümmern ??? und was macht der mündige Bürger ????

      • 9G
        98589 (Profil gelöscht)
        @Franz Georg:

        Es gibt so etwas wie Eigenverantwortung und diese soll jeder auch nutzen, denke ich.



        Unsere Regierung ist eine Kohleregierung, also ist selbst Handels angesagt.

        Jeder Ökostromkunde sorgt dafür, dass diese Baggerei, Abholzung, Umweltverschmutzung ein klein wenig abnimmt.

        Natürlich gehen bei einem Wechsel keine Lichter aus und der Strom kommt wie gehabt aus der Steckdose.