Prostitution in Bremen: Erregung über käufliche Liebe
Der geplante Bau eines Großbordells in der Neustadt sorgt für Protest. Obwohl Prostitution legal ist, liegen die Positionen der Bremer Parteien bei diesem Thema weit auseinander
Einig sind sich alle nur in einem Punkt: Zwangsprostitution und Gewalt gegen Sexarbeiter*innen müssen unterbunden werden. Dafür sollte eigentlich das Prostituiertenschutzgesetz sorgen. Bordelle benötigten danach eine Betriebserlaubnis, es gibt eine Kondompflicht und Prostituierte müssen sich registrieren.
In Bremen allerdings verläuft das schleppend. Ende 2018 hatten sich gerade einmal 115 Sexarbeiter*innen registrieren lassen, erklärte der Senat. Das ist nur ein Bruchteil der Prostituierten, die schätzungsweise in Bremen arbeiten: Die Polizei geht von bis zu 950 Prostituierten aus, der Verein Nitribitt, der in Bremen für die Rechte von Sexarbeiter*innen eintritt, spricht von bis zu 500 Sexarbeiter*innen.
Die Bremer Linke schreibt nun in ihrem Wahlprogramm, dass das Gesetz die Prostituierten eher überwache als schütze. Frauen, die illegal in Deutschland sind, rutschten besonders häufig aus Not in die Prostitution. Ziel müsse es sein, dass der Staat die Selbstbestimmung von Prostituierten fördere.
Damit entspricht die Linke in etwa der Position, die auch Nitribitt vertritt. Die Regelungen des Gesetzes seien nicht im Sinne der Prostituierten, sagt der Verein und fordert einen offenen Umgang mit dem Thema Sexarbeit statt Restriktion.
Die FDP fordert hingegen in ihrem Wahlprogramm eine konsequentere Kontrolle durch die Polizei. Dabei solle durch Dolmetscher*innen und regelmäßigen Kontakt Vertrauen aufgebaut werden, um Opfer von Zwangsprostitution zu erkennen. Gleichwohl wollen die Liberalen die Selbstbestimmung von Prostituierten unterstützen.
Thea Kleinert sieht das alles anders. Sie ist Sprecherin der „Bremer Initiative Stop Sexkauf“ und kandidiert für die Freien Wähler zur Bürgerschaftswahl. Wegen ihrer Position zur Prostitution war sie bei den Linken ausgetreten. Kleinert und ihre Mitstreiter*innen setzen sich für ein Sexkaufverbot nach schwedischem Vorbild ein, bei dem die Freier bestraft werden. „Der größte Teil der Prostituierten befindet sich in einer Abhängigkeit“, sagt sie. Hinter Prostitution verberge sich in der Regel ein Netz aus organisiertem Verbrechen.
Protest gegen Großbordell
Das Prostituiertenschutzgesetz trat im Juli 2017 in Kraft.
In der Stadt Bremen wurden bis Ende 2018 nur 53 Anträge auf Betreiben eines Prostitutions-Gewerbes eingereicht. Darunter 39 Zimmervermietungen, acht Massage- und vier SM-Studios.
Für 115 Sexarbeiter*innen wurden bis Ende 2018 Anmeldungen bescheinigt, darunter sind zwei Männer.
Die Polizei geht von bis zu 950 Prostituierten und rund 310 Prostitutionsstätten in Bremen aus, der Verein Nitribitt hingegen, der für die Rechte von Sexarbeiter*innen eintritt, spricht von bis zu 500 Sexarbeiter*innen.
Zuständig für die Gewerbeanmeldungen ist das Wirtschaftsressort. Gesundheits- und psychosoziale Beratung laufen in Kooperation mit dem Gesundheits- und Sozialressort.
Kleinert protestiert mit ihrer Initiative auch gegen den Bau eines „Großbordells“ in der Duckwitzstraße 69. Einen Bauantrag konnte sie jedoch nicht verhindern – das Anmelden einer Prostitutionsstätte ist in Deutschland eben legal.
Tim Cordßen, Sprecher des Wirtschaftssenators, erklärte dazu, ein Antrag auf Genehmigung eines Bordellbetriebs liege vor. „Über diesen Antrag ist noch nicht abschließend entschieden worden, da seitens des Antragstellers noch nicht sämtliche angeforderten Unterlagen beigebracht wurden.“
Eine Mitstreiterin Kleinerts hatte auf dem Onlineportal „abgeordnetenwatch.de“ auch die Position der Bremer Parteien zu dem Bordell und zur Prostitution abgefragt. Carsten Sieling (SPD) verwies dabei darauf, dass Studien von Amnesty International ergeben hätten, dass eine Kriminalisierung von Sexkauf wie in Schweden, die Verfolgung von Zwangsprostitution erschwere, da die Hürde für eine Anzeige für Betroffene größer werde.
Auch Maike Schaefer, Spitzenkandidatin der Grünen, sieht eine Bestrafung von Freiern kritisch, da Prostitution dann nur noch illegal stattfindet. Stattdessen fordert sie mehr Beratungsangebote und Unterstützung für Aussteiger*innen.
Nur CDU-Spitzendkandidat Carsten Meyer-Heder konnte sich vorstellen, auf die Forderung der Aktivist*innen einzugehen: Zunächst solle man alle Mittel der momentanen Rechtslage nutzen,um größere Prostitutionsstätten zu verhindern. Sollte das nicht ausreichen, müsse ein Verbot für Sexkauf her. Dieses könne dann aber nur durch „massive Repression“ umgesetzt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins