Prostituiertenschutz ohne Wirkung: Sexarbeiterinnen in der Illegalität
Eine Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes in NRW zeigt: Es verschlimmert die Lage. Das Bundesgesetz wird erst in 3 Jahren bewertet.
Zwei Jahre nach der bundesweiten Einführung des sogenannten Prostituiertenschutzgesetzes zieht eine NRW-Studie eine weitgehend vernichtende Bilanz der Auswirkungen des Gesetzes. Für die Frauen bestehe nun „eine größere Gefahr, in Armut oder Illegalität zu rutschen“, heißt es in der Studie der Kommunikations- und Beratungsstelle Kober für Prostituierte und Frauen in prekären Lebenslagen, die vom Gleichstellungsministerium Nordrhein-Westfalen gefördert wurde. Nur wenige Frauen fühlten sich durch das Gesetz „geschützt oder unterstützt“. Eine wesentlich größere Anzahl von Sexarbeiterinnen in dem Bundesland beschreibe hingegen, sich deshalb „kontrolliert, entmündigt, stigmatisiert und kriminalisiert“ zu fühlen.
Mit Einführung des Gesetzes 2017 sollte das Selbstbestimmungsrecht von Menschen in der Prostitution gestärkt werden, so die Bundesregierung damals. Menschenhandel, Gewalt und Zuhälterei sollten bekämpft werden. Nun stellt die nordrhein-westfälische Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) in einem Bericht der Landesregierung, der sich auf die Kober-Studie stützt, fest: Es bestünden „begründete Zweifel, ob das Gesetz in der Praxis seinem ursprünglichen Schutzgedanken jemals gerecht werden kann“.
Die Studie ist Expertinnen zufolge die erste in einem Bundesland, die das Gesetz evaluiert. Sie umfasst knapp 50 Seiten und beruht auf einer „Lebensweltanalyse“ vor allem aus teilnehmenden Beobachtungen der Arbeit von knapp 900 Prostituierten in knapp 300 Prostitutionsstätten wie Bordellen oder Wohnungen. Sexarbeiterinnen würden weiter ausgebeutet, schreiben die Forscherinnen. Durch die Gefahr des Abrutschens in die Illegalität seien sogar neue Möglichkeiten geschaffen worden, sie zu erpressen. Auch Menschenhandel scheine nicht unterbunden zu werden. Und die Szene werde durch das Gesetz „in sich diffuser“, was eine Beobachtung wesentlich erschwere.
Von den 300 Prostitutionsstätten wurden im Erhebungszeitraum 2018 rund 50 geschlossen. Das Gesetz fordert bauliche Maßnahmen von BetreiberInnen, die viele offenbar nicht erfüllen konnten oder wollten. Zwar wurden durch die Umbauten, wenn sie denn stattfanden, etwa Aufenthaltsräume geschaffen, die Frauen als angenehm empfanden. Zugleich aber verloren viele Frauen durch die Schließung kleinerer Betriebsstätten ein sicheres, vertrautes Arbeitsumfeld. Für manche bedeute das den „kompletten Wegfall“ des Einkommens, wodurch sie leichter erpressbar würden.
Die Ängste im Zusammenhang mit der verpflichtenden Anmeldung und des Ausweises mit Lichtbild sind unter Sexarbeiterinnen offenbar enorm. Viele fürchten, etwa durch Briefe des Finanzamts, in ihrem Umfeld „enttarnt“ zu werden. Vor allem Beschaffungsprostituierte seien aber überhaupt nicht in der Lage, die drohenden Sanktionen bei Nichteinhaltung der Vorgaben zu bezahlen, und liefen Gefahr, inhaftiert zu werden: „Die Chance, sich zu kriminalisieren oder kriminalisiert zu werden, steigt.“
Die Evaluation des Gesetzes auf Bundesebene beginnt erst im Juli 2022. Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, sagte der taz, sämtliche Befürchtungen in Bezug auf das Gesetz hätten sich bestätigt. Was man jetzt brauche, sei „eine Stärkung der Rechte von Sexarbeitenden, die Verbesserung der sozialen Situation und einen umfassenden Schutz der Opfer von Menschenhandel“. Auch Scharrenbach will zumindest „Fehlentwicklungen frühzeitig entgegenwirken“. Doch eine Absicht des Bundes, das Gesetz „in absehbarer Zeit zu ändern, sei „derzeit nicht erkennbar“, heißt es in Scharrenbachs Bericht.
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