Propalästinensische Demos in Berlin: Immer wenn es nicht regnet
Seit Tagen eskalieren die „Free Palestine“-Demos in Neukölln. Es kursieren Fake News über einen getöteten Demonstranten.
Wie am Abend zuvor, als Palästina-Unterstützer:innen sich hier sammelten und „Viva Palästina“ schrien, „Free Palestine“, „Allahu Akbar“, vereinzelt auch „Israel – Kindermörder“. Flaschen, Steine, Böller flogen auf die Polizei, die sprühte Tränengas. So berichteten es verschiedene Medien.
Demonstrierende wurden verletzt, Unbeteiligte. Müllcontainer brannten, später fünf Autos. Nicht tödlich zwar, aber mit Wucht schlägt sich der Nahostkonflikt in Deutschland nieder, besonders in der Hauptstadt. Angeheizt durch den Raketeneinschlag auf einem Klinikgelände in Gaza, der vorschnell Israel zugeschrieben wurde.
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Früher am Mittwoch hatte es vor dem Außenministerium in Berlin-Mitte schon eine propalästinensische Sitzblockade gegeben. Trotz Verbot. „Free Palestine from German guilt“ wurde dort gerufen. Und: In der Nacht davor hatten zwei bislang Unbekannte Molotowcocktails in Richtung eines jüdischen Gemeindehauses mit Kita geworfen. Ein Schock. „Die antijüdische Gewalt auf den Straßen Berlins hat damit eine neue Dimension erreicht“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde.
„Für das Angreifen jüdischer Gebetsstätten gibt es keine Rechtfertigung“, hieß es von der propalästinensischen Gruppe „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“, die in den letzten Tagen immer wieder an Palästina-Demos beteiligt war. Und weiter: „Der Kampf um jüdische Befreiung ist untrennbar vom Kampf palästinensischer Befreiung. Lasst euch das nicht von Rechtsextremisten ausreden.“
Fake News über einen getöteten Jugendlichen machen die Runde
Andere wie die Hamas-nahe Gruppe Samidoun posteten nichts zu dem versuchten Brandanschlag, nur zu Repression, Rassismus und Polizeigewalt bei ihren verbotenen Versammlungen. Tatsächlich warnen auch anerkannte Antirassismus-Stellen wie Reachout vor Vorverurteilungen.
In den sozialen Medien zeigten viele Nutzer jedoch nicht nur tatsächliche Gewalt, sondern deuteten auch fälschlich an, ein Jugendlicher könnte in Polizeihand umgekommen sein. Das war am Mittwoch.
Am Donnerstagabend strahlt von hohen Polizei-Masten Flutlicht über die Sonnenallee. 30 Mannschaftswagen säumen die Straße, die Fernsehkameras laufen, genauso wie die Handykameras der Jugendlichen in den Hauseingängen. Spannung, ob es heute wieder knallt.
Beamte kontrollieren Flugblätter. Aufgereiht am Bürgersteig halten sie vier Zwanzigjährige fest, die ihnen auffällig erscheinen. Und einen 15-Jährigen mit Palituch, der Victory-Finger gezeigt hatte. Zwölf Beamte führen ihn in Handschellen zu ihrem Bus.
Skurrile Ukraine-Vergleiche und zertretene Kerzen
Ins Flutlicht tritt ein Mann, ebenfalls mit schwarz-weißem Tuch, er nickt den Beamten an der Ecke zu. „Die Gewalt der Polizei ist erschreckend“, sagt der Mittvierziger, der nicht mit Namen genannt werden will. Er ist im Westjordanland geboren, seit 20 Jahren in Berlin. Ein Intellektueller aus einem anderen Stadtteil, Vorbeilaufende erkennen ihn und grüßen.
Er zeigt ein Video vom Vorabend: Eine Gruppe hatte statt Müllcontainern Kerzen angezündet, in Trauer um die Toten in Gaza. Die Polizisten im Video zertreten die Kerzen. „Ich habe das heute früh gesehen und geweint. Darüber, wie mit den Menschen umgegangen wird“, sagt der Mann.
Was ist mit der Trauer um die Hamas-Opfer in Israel? „Wenn das ein Angriff von Ukrainern auf Russland gewesen wäre, hätten sich die Deutschen gefreut“, sagt er. Ein mehr als schiefer Vergleich.
„Jeder steht unter Generalverdacht, dass er Antisemit ist, wenn er protestiert“, sagt er. Was ist der Unterschied zwischen propalästinensisch und antisemitisch? „Es macht keinen Unterschied, ob der Unterdrücker Jude ist oder nicht“, sagt er. Israel sei ein Staat, der Menschenrechte breche. Die Palästinenser seien auch nicht anders als andere Gesellschaften, es gebe auch da Rassisten. „Aber hier kommt der Großteil des Judenhasses von Biodeutschen.“ Er wolle keinen Staat ohne Juden, aber auch keinen jüdischen Staat.
Zur Großdemo kommt es nicht an diesem Abend. „Weißt du, wo das Problem ist“, sagt ein Teenager zu seinem Freund: „Das Wetter ist beschissen.“ Morgen dann, sagt der andere.
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