Projekt Wiederaufstieg beim HSV: Der alte Schlendrian
Der Hamburger SV hat in sieben Spielen nur sieben Punkte geholt. Sind das bloß Formschwankungen oder eine Krise? Neuzugänge sollen es richten.
Heckings aktueller Klub, der Hamburger SV, hat in den vergangenen Wochen einigen Anlass dazu geliefert, dass sich Heckings Augenbraue nach oben zieht. Für den Zweitligisten läuft es nicht mehr so gut wie zu Anfang der Saison, als die Leistungen und Ergebnisse für einen ungefährdeten Durchmarsch in die Bundesliga sprachen. Der Höhepunkt dieser Phase war ein berauschender 6:2-Sieg gegen den Absteiger VfB Stuttgart, Hamburgs vermeintlich größtem Konkurrenten im Rennen um die Meisterschaft in der Zweiten Liga.
Das war Ende Oktober 2019 – seitdem läuft es nicht mehr. In den letzten sieben Spielen vor der Winterpause holte der HSV nur sieben Punkte und steht momentan auf Platz zwei. Eine normale Formschwankung innerhalb einer langen Saison oder doch schon ein Vorzeichen für eine sich anbahnende weitere Krise?
„Es fing gut an, aber nun sehen wir wieder den alten Schlendrian“, kritisiert beispielsweise Investor Klaus-Michael Kühne in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt, der mit seiner Skepsis in der Vergangenheit seltener daneben lag als mit seinen Investitionen in den Klub. „Das ist schon ein Phänomen: In der letzten Saison begann die Krise erst in der Rückrunde, nun geht es schon früher los“, sagte Kühne. Fachleute betonten, das sei vorübergehend. „Ich bin aber sehr skeptisch. Die Mannschaft wirkt auf mich nicht mehr so homogen und motiviert. Das quält mich doch sehr, als Fan und Anteilseigner.“
Das Geraune im Umfeld konterte Hecking auf seine Art. Erst kritisierte er die allgemeine, aus seiner Sicht überzogene Erwartungshaltung („Genau das sind Dinge, die den HSV in der Vergangenheit immer umgebracht haben“), dann die harsche Kritik einiger Fans („Ich finde es sehr anmaßend, was sich einige Leute rausnehmen, die wahrscheinlich 50 Kilogramm Übergewicht haben und vorm Computer sitzen“), und schließlich erwischte es noch den eigenen Aufsichtsrat, der offenbar ein paar Infos über die Transferpläne im Winter an Medien durchsteckte („Wenn aus dem Aufsichtsrat jemand meint, etwas weitergeben zu müssen, ist das seine Meinung. Aber hier entscheiden drei Leute“).
Damit hat sich der Cheftrainer etwas Ruhe verschafft und den Fokus von der Mannschaft auf sich gelenkt. Die sportlichen Probleme sind aber nicht behoben: eklatante Schwächen bei Standards und Luftduellen, fehlende Konsequenz vor dem Tor sowie ein teils zu körperloses Spiel beim Verteidigen.
Um das Saisonziel Wiederaufstieg in die Bundesliga zu erreichen, will sich Hecking mit Neuzugängen verstärken. Sportvorstand Jonas Boldt muss auf dem schwierigen Wintertransfermarkt mit wenig Geld neue Spieler verpflichten, die sowohl qualitativ als auch mental dazu in der Lage sind, dem Druck im Rennen um die ersten beiden Tabellenplätze standzuhalten.
Eine Aufgabe, an der man durchaus scheitern kann. Hecking soll es deshalb auf zwei Routiniers abgesehen haben, die er aus seiner Zeit als Trainer von Borussia Mönchengladbach kennt. Fabian Johnson, 32 Jahre alt, könnte das Problem auf den defensiven Außenbahnen lösen, das durch die langwierigen Verletzungen des Rechtsverteidigers Jan Gyamerah und seines Vertreters Josha Vagnoman entstanden ist.
Tobias Strobl, 29, wäre ein Mann für das zentral-defensive Mittelfeld, in dem Hecking mehr Aggressivität und Zweikampfhärte fordert. Wahrscheinlich ist allerdings, dass erst gegen Ende der Transferperiode am 31. Januar etwas passiert. Der Markt im Winter gilt als deutlich weniger dynamisch als im Sommer, weil die meisten Fußballklubs sich mitten im Wettkampf durch Abgänge nicht schwächen wollen. Hecking wird sich in Geduld üben müssen, ehe er mit neuen Spielern planen kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“