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Profiteure der GlobalisierungUngerechte Verteilung

Globale Verflechtungen führen zu billigeren Waren. Doch die süßesten Früchte ernten die Reichen. Nachteile werden zu wenig berücksichtigt.

Der Wettbewerb mit Niedriglohnländern hat Nachteile Foto: Ahmed Salahuddin/imago

D ie Globalisierung ist unter Druck: zwei Jahre Pandemie, Lieferkettenstörungen wie die Suezkanal-Blockade, Russlands Krieg gegen die Ukrai­ne und, mit Blick auf die zunehmende Systemrivalität mit China, die Diskussion, wie viel wirtschaftliche Verflechtung und mit welchen Ländern überhaupt noch gut ist. Bei alldem sollten wir nicht vergessen, dass die Globalisierung den weltweiten Wohlstand erhöht und Millionen Menschen aus der Armut befreit hat.

Bild: Katrin Christiansen
Cora ­Jungbluth

ist Senior Expert China and Asia-­Pacific bei der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh, ihr Arbeitsschwerpunkt sind Wirtschafts­themen mit China- und Asienbezug.

Allerdings sind mittlerweile auch zwei Dinge klar: Erstens, der Wohlstandsgewinn, den die Globalisierung mit sich bringt, kommt nicht allen gleichermaßen zugute; zweitens, ihre ökologischen und sozialen Folgen werden nicht angemessen berücksichtigt. Die Globalisierung, also die ökonomische, soziale und politische Verflechtung verschiedener Länder, bietet viele ökonomische Vorteile: Wenn Länder die Waren und Dienstleistungen herstellen, die sie am besten können, erzielen sie Spe­zia­li­sie­rungs­ge­winne.

Bild: Steffen Krinke
Thieß Petersen

ist Senior Advisor bei der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh und dort spezia­lisiert auf makroökonomische Fragestellungen.

Die internationale Mobilität von Arbeitskräften und Kapital lässt Produktionsfaktoren dort zum Einsatz kommen, wo sie am effizientesten sind. Mehr Wettbewerbsdruck fördert Innovationen und Produktivität in den Unternehmen, um sich international behaupten zu können. Produzieren sie für einen größeren Markt, können sie Größenvorteile nutzen und ihre Stückkosten senken. Günstige Vorprodukte aus Niedriglohnländern verringern in entwickelten Volkswirtschaften zusätzlich die Produktionskosten.

Diese Faktoren führen zu einem Mehr an günstigen Waren und Dienstleistungen. Für die Ver­brau­che­r:in­nen bedeutet das: billigere Konsumgüter. Dadurch haben sie mehr frei verfügbares Einkommen, womit sie ebenfalls konsumieren oder das sie sparen können. Dieser Kaufkraftgewinn ist vor allem für einkommensschwache Haushalte bedeutsam.

Ungleich große Kuchenstückchen

Das wird sehr deutlich, wenn umgekehrt günstige Importe ausbleiben wie aktuell aufgrund der Versorgungsengpässe durch den Krieg gegen die Ukraine und weltweite Lieferkettenstörungen, die erhebliche Preis­steigerungen zur Folge haben. Diese wiederum treffen die Einkommensschwächeren besonders hart.

Der Wettbewerb mit Niedriglohnländern hat jedoch auch Nachteile: Wenn ein deutsches Unternehmen Vorprodukte aus Asien bezieht, kauft es weniger bei lokalen Zulieferern. Beschäftigung und Lohneinkommen in entwickelten Volkswirtschaften wie Deutschland gehen so zurück. Darunter leiden vor allem Geringqualifizierte. Sie stehen in Konkurrenz zu Arbeitskräften aus Asien, deren Löhne spürbar niedriger sind. Chinas Aufstieg zur „Fabrik der Welt“ ist hierfür stellvertretend.

Für Beschäftigte in exportierenden Unternehmen sind hingegen Lohnzuwächse möglich. Diese „Exporteur-Lohnprämie“ lässt sich so erklären: Der Exporterfolg der Unternehmen basiert nicht auf niedrigen Löhnen, sondern auf einer hohen Produktivität. An dieser beteiligen die Unternehmen ihre Beschäftigten. Bildlich gesprochen bedeutet die Globalisierung also: Der Kuchen wird größer, aber die Kuchenstücke werden nicht für alle Personengruppen größer – auch innerhalb eines Landes gibt es Globalisierungsverlierer.

Dabei handelt es sich oftmals um bereits marginalisierte Gruppen. Ein weiteres gravierendes Problem der Globalisierung besteht darin, dass nicht all ihre Kosten in den Marktpreisen enthalten sind. Das gilt besonders für die Nutzung natürlicher Ressourcen. Der Einsatz fossiler Energien wie Erdöl, Erdgas und Kohle in der internationalen Arbeitsteilung führt über Treibhausgasemissionen zur Erderwärmung und zum Klimawandel.

Die Ökolast wird unfair verlagert

Die Folge sind Schäden an der Gesundheit der Menschen, an Gebäuden und Infrastruktur sowie für die Ökosysteme. Auch diese Folgen sind ungleich verteilt: Beim Aufbau globaler Lieferketten haben multinationale Konzerne nicht nur die arbeits-, sondern auch die umweltintensive Produktion aus den Industrieländern in Entwicklungs- und Schwellenländer verlagert. So konnten sie die zum Teil niedrigeren lokalen Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards ausnutzen.

Damit tragen die Unternehmen zur Umweltbelastung und zu den CO2-Emissionen in diesen Ländern bei, ohne dass sie dafür aufkommen müssen. Das führt zur Übernutzung der natürlichen Lebensgrundlagen. Die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt sinkt. Wenn die Globalisierung die Wohlfahrt der Menschen insgesamt steigern soll, müssen die Globalisierungsgewinne breit gestreut werden. Zudem müssen alle damit verbundenen sozialen und ökologischen Zusatzkosten wirtschaftspolitisch adressiert werden.

Viele Politikbereiche sind aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen: die sozialen Sicherungssysteme ebenso wie die Struktur- und Re­gio­nal­po­li­tik, das Bildungssystem sowie das Steuer- und Transfersystem.

Weil die internationale Arbeitsteilung den materiellen Wohlstand der beteiligten Volkswirtschaften erhöht, können die Globalisierungsgewinner eines Landes die Verlierer – zumindest im Prinzip – kompensieren und dennoch ihre eigene Einkommenssituation verbessern. Ökologische Kosten der Globalisierung müssen in den Marktpreisen abgebildet werden, beispielsweise durch höhere CO2-Preise.

Allerdings reduziert das die Kaufkraft der privaten Haushalte – besonders wieder der einkommensschwachen. Diese geben überdurchschnittlich viel ihres Einkommens für emissionsintensive Energie und Lebensmittel aus. CO2-Preise müssen daher sozialpolitisch flankiert werden. Ansonsten drohen soziale Spannungen und politische Widerstände.

Globalisierung ist nach wie vor ein wichtiger Wohlstandstreiber. Aber sie braucht die richtigen Rahmenbedingungen. Ihre ökonomischen, so­zia­len und ökologischen Kosten müssen angemessen berücksichtigt werden.

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5 Kommentare

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  • Die angebliche Minderung der globalen Armut ist totaler Blödsinn. www-theguardian-co...hl=de&_x_tr_pto=sc

  • Die Worte "Unfair" und "Ungerecht" werden sehr gerne benutzt, wenn es keine rationalen Gründe gibt. Es ist auch unfair, daß in einigen Gebieten der Erde Öl und Gas liegen und diese den Ländern kostenlos zur Verfügung stehen. Warum werden immer nur die Gesellschaften an die Fairness erinnert, die sich einen Vorteil erarbeitet haben und diesen nicht geschenkt bekommen haben ?

  • Hallelujah.

    Nun kommen Ökonom*innen auch auf den Trichter.

    Lassen Sie mich was dazu sagen: der Schaden ist noch viel grösser, als Sie ihn sehen.

    Nur ein Beispiel: die Wirschaft sucht sich den global günstigsten Weg, zur Not durch Korruption und... nennen wir es "regulatory capture" (was eigentlich nur ein Euphemismus für das Erste ist).

    Steueroasen sind das eine. Das andere... schauen Sie sich an, was Glencore in Afrika das letzte halbe Jahrhundert so veranstaltet hat, um einen Eindruck zu gewinnen. So machen's "unsere" Grosskonzerne so ziemlich alle.

    Das alles ist bei Ihrem eigentlich einsichtsreichen Artikel ganz einfach unter den Tisch gefallen.

    Einigermassen enttäuscht.

  • Welch ein theoretisches Gedankenspielchen einer "Wettbewerbs Ideologie".



    Die Vermachtung der internationalen Märkte sowie deren politischer Einfluss in Regierungshandeln, wo bekannterweise Gesetze durch Konzerne sogar mitgeschrieben



    werden, wird außeracht gelassen. Bertelsmann eben..... Also fröhliches Sitzen im Glashaus.....

  • Das System funtioniert nur durch Sozialgefälle. So wie Wasserkraft - Es kann nur funktionieren wenn das Wasser von oben nach unten strömt und dabei soviel Energie abgibt dass unten nichts mehr ankommt.



    Genauso funktioniert das Wirtschaftssystem auch.