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Problemzone FahrradstraßeRad in schlechter Gesellschaft

Sie heißen „Fahrradstraßen“, aber hier fahren und parken viele andere Verkehrsteilnehmende. Das birgt viele Probleme. Zeit für eine radikale Lösung.

Anlieger frei: Hier auf der Oberwallstraße in Berlin-Mitte soll eine Fahrradstraße entstehen Foto: Reto Klar/imago

#x201E;Fahrradstraßen“ sind diese Dinger, vor denen ein blaues Schild mit Fahrrad steht. Leider ist das Rad auf dem Schild meist in schlechter Gesellschaft: Direkt darunter ist fast immer ein weißes „Anlieger frei“-Emblem. Oder ein Auto-und-Motorrad-Piktogramm mit dem Hinweis, dass die auch in der Radstraße fahren dürfen. Und Lieferwagen natürlich. Und E-Roller. Also eigentlich alle. Ein Anliegen, Mobilität auszuleben, fühlt schließlich jeder irgendwie. Und man kann ja nicht gleich überall wohnen, wo man gerade langfahren will.

Fahrradstraßen sind also die Straßen, in denen alle fahren dürfen. Und parken. Denn wer wird den Autofahrenden Parkplätze wegnehmen, wo die ganze Fahrbahn eh schon irgendwie den Radfahrenden gehört? Die dürfen da ja sogar nebeneinander fahren! Zumindest in der Theorie.

Praktisch empfehle ich eine kurze Testtour durch eine beliebige Fahrradstraße. Ich nehme mal die Berliner Linienstraße im Bezirk Mitte. Immerhin hat man hier durch beherzte Ein-Richtungs-Führung zumindest einen Großteil des typischen automobilen Abkürzungsschleichverkehrs aus der Straße geleitet.

Hier, wie in jeder Fahrradstraße handelsüblicher Bauart, finde ich mich beidseitig von Stehzeugen eingefasst wieder. Auf der Fahrbahn kann genau ein Rad pro Richtung sicher fahren – also abzüglich des Raums, den möglicherweise aufgerissene Autotüren beanspruchen.

Schwanger und verletzungssensibler im Verkehr

Den Abstand hätte ich früher vielleicht enger bemessen, habe meinen Miss-Offensiv-Fahrstil aber mittlerweile abgelegt: Der dank Schwangerschaft durchlebte Crashkurs „Wie bedrohlich fühlt sich mangelnder Überholabstand auch durch andere Radfahrer an“ hat zu einem verletzungssensibleren Verkehrsauftritt geführt: Alles, was von hinten nach Kind aussieht, oder alt, mit Taschen beladen und jedenfalls nicht wie ein Fahrradkurier im Pausenmodus, überhole ich auch mit Rennrad und Eile nur mit mindestens einem Meter Abstand.

Das geht in einer Fahrradstraße ausschließlich auf der Gegenfahrbahn – also zu Hauptverkehrszeiten gar nicht. Nebenbei werden rechts und links Autotüren geöffnet, andere Autoinsassen wollen ihr Gefährt erst noch loswerden und schleichen suchend umher, womit sie den radelnden Rest ins Stocken bringen.

Soweit das Problem. Und hier die ganz einfache Lösung: Autos dürfen künftig auch auf Radstraßen nicht mehr geparkt werden – genau wie auf Autobahnen. Das wäre nur demokratisch: Schließlich hat im Umfeld innerstädtischer Fahrradstraßen nur eine Minderheit der Anwohner ein Auto (in Mitte sind 818 von 1.000 Menschen autofrei).

Also sollte sich die Mehrheit an einer für sie passenden (leisen, sicheren, bepflanzten, geruchsneutralen) Infrastruktur erfreuen. Alternativ könnte ein Drive-In-Day helfen: Dann steigen alle Radfahrenden aufs (Miet-)Auto um. Die dadurch ausgelösten Staus dürften die Sympathie für Radinfrastruktur sprunghaft steigen lassen.

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Kerstin Finkelstein
Dr. phil, Journalistin und Buchautorin, Expertin für Verkehrspolitik und Migration. Studium in Wien, Hamburg und Potsdam. Volontariat beim „Semanario Israelita“ in Buenos Aires. Lebt in Berlin. Bücher u.a. „Moderne Muslimas. Kindheit – Karriere - Klischees“ (2023), „Black Heroes. Schwarz – Deutsch - Erfolgreich“ (2021), „Straßenkampf. Warum wir eine neue Fahrradpolitik brauchen“ (2020), „Fahr Rad!“ (2017).