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Probleme bei BildungsgutscheinenKiel sackt Scheine ein

Sie sollen Kindern finanzschwacher Familien zugute kommen - doch in Kiel dürfen Bildungsgutscheine nur bei städtischen Einrichtungen eingelöst werden. Private Anbieter haben das Nachsehen.

Die Mutter von Lena hat sich auf einen Sportverein eingelassen. Bild: Esther Geißlinger

KIEL taz | Kinderturnen, Musik und Pekip - Marlies Wiemann (Name geändert) tut viel, um ihrer Tochter Lena einen guten Start zu verschaffen. Bis die Zweijährige einen Krippenplatz hat, bezieht ihre Mutter Hartz IV, hat also Anspruch auf die Bildungsgutscheine aus dem "Teilhabepaket" des Bundessozialministeriums - nur bekommen hat sie trotz mehrerer Anläufe noch nichts. Denn in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel scheint der Weg dahin besonders kurvenreich.

So misslang bislang der Versuch der Mutter, im Voraus gezahlte Beiträge für den Sportverein zurück zu erhalten. "Wenn ich als Akademikerin daran scheitere, frage ich mich, wie andere Leute das schaffen sollen", sagt die Alleinerziehende, die demnächst wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt.

Noch mehr aber stößt ihr auf, dass Gutscheine nur in städtischen Einrichtungen gelten. Wiemann ärgert, dass sie offenbar keine Wahl hat, wohin sie ihre Tochter schickt: "Nur zur Volkshochschule oder zur Musikschule Kiel, obwohl es viel mehr und teilweise bessere Angebote gibt."

So machen es andere

Hamburg: In Hamburg können Vereine, Kulturzenten und andere Anbieter relativ formlos am Programm teilnehmen, wenn sie sich bei der Sozialbehörde akkreditiert haben. Auf der Homepage der Stadt heißt es: "Die Freie und Hansestadt Hamburg prüft nicht die Qualität und Zuverlässigkeit der Anbieter. Sie ist dazu gesetzlich nicht verpflichtet."

Bremen: "Diese Leistung kann nach Wunsch eingesetzt werden", teilt die Stadt im Internet mit. Genannt wird ein breites Spektrum von Aktivitäten "aus den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit".

Neumünster, wie Kiel eine kreisfreie Stadt in Schleswig-Holstein: Alle Vereine können Gutscheine einreichen, sogar für einzelne Aktivitäten des Ferienprogramms "Sommerspaß".

Die Homepage der Stadt Kiel, auf der das Verfahren erklärt wird, bestätigt das. "Lernförderung", also alle Arten von Nachhilfeunterricht, werden über die Schulen abgewickelt. Für Sport haben sich Eltern an einen der Vereine aus dem Projekt "Kids in die Clubs" zu wenden, Musikunterricht macht die Musikschule, wer "andere kulturelle Angebote" möchte, geht zur Volkshochschule.

Die Frage, ob die Stadt so für Umsatz in ihren eigenen Einrichtungen sorgen will, verneint Kathrin Seifert, Referentin des Sozialdezernenten der Stadt. Es sei nur um die leichtere Abwicklung gegangen: "Wir haben uns an die Netzwerke gewendet, die wir haben." Eltern hätten durchaus die Möglichkeit, unter diesen den "Anbieter ihrer Wahl" zu finden.

Auch für andere Gruppen und Anbieter sei das Programm offen, betont Seifert: "Sie müssen einen Antrag stellen, wir prüfen, ob es qualitativ in Ordnung ist." Schließlich sollten keine unseriösen Gruppen gefördert werden, auch auf Kinderschutz käme es an. Das entwickle sich nicht von heute auf morgen, erklärt Seifert. "Wir sind jetzt gerade dabei, alles zu überarbeiten."

Einen Antrag gestellt hat die Geschäftsführerin einer entsprechenden Einrichtung bereits im Januar, passiert ist bis heute nichts. "Wir sind bestens bekannt in der Stadt, an unserer Qualifikation hat nie jemand gezweifelt, schließlich erhalten wir Fördermittel", sagt die Chefin, die anonym bleiben möchte.

Immer wieder würden Eltern anfragen, ob das Haus Bildungsgutscheine einlöse: "Würden wir aktiv Werbung machen, kämen noch mehr. Für die Familien wäre das sicher gut." Aber auch auf die jüngste Anfrage, wie weit die Prüfung denn sei, lautete die Antwort der Stadt, es sei noch nicht alles geklärt. Zurzeit gilt: "Es können nur Leistungen über städtische Anbieter in Anspruch genommen werden." Wann sich das ändert, lässt das Schreiben im Ungewissen.

"Wir sehen das sehr kritisch", sagt Thomas Richert vom Büro der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten in Schleswig-Holstein. Es gebe keine Gründe, warum private Anbieter, etwa Nachhilfeschulen, nicht beteiligt werden. "Man hat fast den Eindruck eines Konjunkturprogramms für die eigenen Einrichtungen."

Richert glaubt, dass die Position der Stadt einer Prüfung nicht standhielte: "Wenn ein Fall vor Gericht gebracht wird, hätte der gute Chancen."

Im Sportbereich ist eine Reihe von Vereinen beteiligt. Doch für sie bringt der Gutschein eher Verlust: "Ich zahle zehn Euro Monats-Beitrag für meine Tochter", berichtet Wiemann. "Doch als ich die Kosten für das erste Vierteljahr rückwirkend erstattet haben wollte, hieß es, dass die Stadt an die Vereine nur sieben Euro zahlt."

Kathrin Seifert vom Sozialdezernat erklärt, dass Stadt und Vereine sich auf diese Summe geeinigt hätten. Für die Eltern sei das gut, sie könnten das eingesparte Geld anderweitig einsetzen. Das bereits ausgelegte Geld "wird natürlich erstattet", so Seifert. Gesehen hat Marlies Wiemann davon zwar noch nichts, aber sie wird es weiter versuchen.

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2 Kommentare

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  • BI
    Bertram in Mainz

    Hier scheitert eine Idee: die Vorstellung, mit immer mehr Bürokratie letztlich die perfekte Gerechtigkeit zu schaffen. Die Bildungsgutscheine übertreffen das Bisherige noch mal. Ein relativ geringer Betrag wird mit riesigem Aufwand verwaltet. Wann haben wir endlich genug von dieser Art von "Gerechtigkeit"?

  • G
    guntherkummerlande

    Die Stadt Kiel diskriminiert damit

    FachlehrerInnen, die als Selbstständige

    nicht in den Volkshochschulen organisiert sind

    und schwingt sich als Kapitalgeber für

    die Bildungsinstitute auf, obwohl

    sie das vom Bund genehmigte Geld nur

    zweckrichtig an die adäquaten Stellen

    durchreichen soll.

    Das ist ein ganz klarer Fall von Amtsanmaßung.

    Hier wollen Behörden auf die Bildungslandschaft

    Macht ausüben und das ist verboten.

    Sie sind gehalten den Bundesbeschluss

    umzusetzen ohne eigene Machtbefugnis.

     

    Der private Bildungsmarkt hat seine

    grundgesetzlich garantierte Existenzberechtigung

    und als solche die gleichen Chancen

    am Bildungsmarkt zu haben, wie die gesetzlichen

    Bildungsinstitute. Natürlich dürfen die Privaten,

    aber auch nicht mehr Geld bekommen, wie die

    staatlichen Lehrinstitute oder Fachlehrer.