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Pro-kurdische Opposition in der Türkei30 Jour­na­lis­t*in­nen und Ak­ti­vis­t*in­nen inhaftiert

Die pro-kurdische Opposition gerät weiter ins Visier der Justiz. Kri­ti­ke­r*in­nen sprechen von gezielter Einschüchterung.

Im Zentrum der Kampgne gegen die Opposition: Istanbuls Oberbürgermeister İmamoğlu, schärfster Konkurrent von Präsident Erdoğan Foto: Umit Bektas/reuters

Die Welle an Festnahmen und Verhaftungen von Mitgliedern oppositioneller Parteien, kritischer JournalistInnen, Medienschaffenden und anderen AktivistInnen reißt in der Türkei nicht ab. Bis Ende letzter Woche wurden wieder 30 Menschen aus prokurdischen Organisationen und kleineren linken Partien verhaftet und in Untersuchungshaft gesteckt.

Dem vorausgegangen waren Razzien in zehn Provinzen, die alle das Umfeld des „Demokratischen Kongresses des Volkes“ (DTK) einer Vorfeldorganisation der kurdischen DEM-Partei zum Ziel hatten. Dabei wurden insgesamt 52 Personen festgenommen und nach und nach dem Haftrichter vorgeführt.

Am letzten Mittwoch fand dagegen eine Protestveranstaltung vor dem Justizpalast in Çağlayan, einem Stadtteil in Istanbul statt, an der sich mehrere Hundert Personen beteiligten und wo die Festnahmen und anschließenden Verhaftungen angeprangert wurden.

Unter den Festgenommenen befinden sich zwei Personen aus dem Parteivorstand der DEM und die Vorsitzende der Istanbuler Sektion der linken EMEP-Partei, Sema Barbaros. Außerdem verhängte ein Richter U-Haft gegen die JournalistInnen Yıldız Tar, Elif Akgül und Ercüment Akdeniz. Allen wird die Mitgliedschaft oder Unterstützung der PKK vorgeworfen.

Die Repression gegen politisch aktive KurdInnen findet just zu einem Zeitpunkt statt, zu dem die Regierung Gespräche mit dem historischen Gründer der PKK, Abdullah Öcalan, führt, der seit nunmehr 25 Jahren in Isolationshaft auf der Gefängnisinsel İmralı eine lebenslange Haftstrafe verbüßt.

Bekannte Filmproduzentin verhaftet

Doch die Repression richtet sich nicht nur gegen kurdische Organisationen und Parteien, sondern betrifft die gesamte Opposition in der Türkei. So wurde vor einigen Wochen die bekannte Filmproduzentin Ayşe Barım verhaftet, angeblich wegen der Teilnahme an einem versuchten Regierungsumsturz. Man wirft ihr heute, 12 Jahre nach den sogenannten Gezi-Protesten vor, sie hätte an führender Stelle daran teilgenommen.

Die Verhaftung war völlig willkürlich, weshalb Barım bei einem Haftprüfungstermin letzte Woche auch freigelassen wurde. Die Reaktion der Regierung zeigt, unter welchem politischen Druck auch die Justiz steht. Der Richter, der Barıms Freilassung verfügte, Fatih Kaplan, wurde selbst angeklagt und von seinem Amt suspendiert und die Filmproduzentin erneut verhaftet.

„Kein Wort der Kritik ist mehr erlaubt“, beschreibt ein Journalist der oppositionellen Zeitung Birgün die Situation. Die Zeitung ist selbst von Festnahmen dreier Manager des Verlags betroffen, die zwar wieder freigelassen wurden, sich aber nun dreimal in der Woche bei der Polizei melden müssen.

Vor allem aber ein Mann steht im Zentrum der mithilfe der Justiz geführten Kampagne gegen die Opposition: Ekrem İmamoğlu, der Istanbuler Oberbürgermeister und schärfster Konkurrent von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Gegen ihn hat die Justiz bereits fünf Verfahren angestrengt, alles wegen angeblicher Beleidigung von Staatsbediensteten.

Am letzten Samstag kam noch ein Verfahren dazu. İmamoğlu, der sich derzeit in einer parteiinternen Abstimmung der CHP darum bewirbt, von seiner Partei als Präsidentschaftskandidat bei den kommenden Wahlen aufgestellt zu werden, wird nun vorgeworfen, er hätte seinen Universitätsabschluss gefälscht. In der Türkei dürfen nur Hochschulabsolventen Präsidenten werden.

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