Pro-europäische Kräfte in der Ukraine: Es wird eng für Poroschenko
Sie sind beide für eine Öffnung nach Europa: Arseni Jazenjuk und Petro Poroschenko. Und sie liefern sich ein knappes Rennen. Russland hat die Wahl anerkannt.
KIEW ap/dpa | Bei der Auszählung der Stimmen zur Parlamentswahl in der Ukraine liefern sich die Parteien von Präsident Petro Poroschenko und Ministerpräsident Arseni Jazenjuk ein Kopf-An-Kopf-Rennen. Nach Auszählung etwa eines Drittels der Stimmen lag Jazenjuks Volksfront mit 21,7 Prozent am Montag knapp vor Poroschenkos Block mit 21,6 Prozent. Zuvor hatten Prognosen Poroschenkos Partei vorn gesehen. Vorläufige Ergebnisse sollten im Laufe des Tages verkündet werden. Die ebenfalls neue pro-europäische Kraft Samopomoschtsch (Selbsthilfe) erhielt demnach rund 10,9 Prozent.
Obwohl Poroschenko und Jazenjuk gegeneinander antraten, stimmen sie in ihren Zielen und Reformplänen weitgehend überein. Es wird deshalb erwartet, dass die beiden Parteien gemeinsam mit anderen reformorientieren Gruppierungen eine breite proeuropäische Koalition bilden werden. Poroschenko hatte schon am Wahlabend schnelle Koalitionsverhandlungen reformorientierter Parteien angekündigt. Die ebenfalls neue proeuropäische Kraft Samopomoschtsch (Selbsthilfe) erhielt demnach rund 10,9 Prozent.
In einer möglichen Koalition könnte auch die Vaterlandspartei der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko vertreten sein, die laut ersten Ergebnissen bei 5,7 Prozent der Stimmen landete. Der Oppositionsblock erhielt demnach 9,7 Prozent der Stimmen. Die Radikale Partei des Populisten Oleg Ljaschko kam auf rund 7,5 Prozent. Unsicher war zunächst, ob die rechte Partei Swoboda den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schafft.
Russland erkannte die Abstimmung an, kritisierte aber zugleich einen „schmutzigen und harten Wahlkampf“. Die Führung in Kiew könne sich mit der Machtkonstellation nun „ernsthaft um die Lösung der Kernprobleme der Gesellschaft kümmern“, sagte der russische Vize-Außenminister Grigori Karassin der Agentur Interfax.
Separatisten: „Farce“
Die pro-russischen Separatisten in der umkämpften Ostukraine kritisierten die Abstimmung vom Sonntag als „Farce“. Die Wahl sei in einer „Atmosphäre der Verängstigung der Leute, in einer Kriegsatmosphäre“ abgehalten worden, sagte der Separatistenführer Andrej Purgin in Donzek. In weiten Teilen der Gebiete Donezk und Lugansk hatten die Aufständischen die Abstimmung nicht zugelassen.
Die Separatisten wollen an diesem Sonntag (2. November) gegen den Protest Kiews eigene Wahlen in ihren selbst ernannten "Volksrepubliken" abhalten. Es war auch die erste Parlamentswahl, nachdem Russland sich die Schwarzmeerhalbinsel Krim einverleibt hatte.
Deutsche Politiker und Wahlbeobachter sprachen von einem Sieg der Demokratie und der Chance für einen echten Neuanfang in der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik. Der Weg Richtung Westen verlange den Ukrainern aber auch viel ab, sagte Gernot Erler (SPD), der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, dem Radiosender WDR 5. Es seien Reformen und viele neue Gesetze notwendig. „Das bedeutet harte und auch unpopuläre Arbeit“, sagte Erler.
Chance auf eine Regierung
Die Forderung gegenüber Russland müsse weiterhin sein, dass das Waffenstillstandsabkommen für die Ostukraine konsequent umgesetzt werde. „Russland hat ein Interesse daran, zu einer Normalisierung des Verhältnisses zum Westen zu kommen“, sagte Erler.
Die Grünen-Politikerin Marieluise Beck beurteilte als Wahlbeobachterin den Verlauf im rbb-Inforadio positiv: „Es gibt jetzt die Chance auf eine Regierung, die sich aus einem legitimierten Parlament bildet, während man sonst immer sagen konnte, diese Regierung hat ja überhaupt keine Legitimierung.“
Neben dem Krieg in der Ostukraine seien die Herausforderungen für das Land riesig, sagte Beck: Die Wirtschaft liege am Boden, die Korruption habe das Land zerfressen, jetzt müsse ein Rechtsstaat aufgebaut werden.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kündigte für den Nachmittag eine Bewertung zu der ersten Parlamentswahl nach dem Sturz des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im März dieses Jahres an.
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