Pro Reli hat Erfolg: Religion wird Wahlfach für alle
Der Senat geht davon aus, dass der Volksentscheid über den Religionsunterricht kommt. Die Initiative "Pro Reli" hat viel mehr Unterschriften gesammelt als nötig. Möglicher Termin: die Bundestagswahl.
Die Initiative "Pro Reli" hat offenbar den zweiten Berliner Volksentscheid erzwungen. "Wir haben bis Donnerstag 195.000 Unterschriften beim Landeswahlleiter abgegeben", sagte Kampagnenleiter Matthias Wambach der taz. Für einen Volksentscheid sind lediglich 170.000 gültige Unterschriften notwendig. Die Überprüfung zuletzt eingegangener Listen steht zwar noch aus, bislang waren aber nur 8 bis 10 Prozent der Unterschriften ungültig. Bleibt es dabei, wäre das Begehren erfolgreich, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Mögliche Termine für den Entscheid wären die Europa- oder die Bundestagwahl.
Der für die Prüfung zuständige Landeswahlleiter wollte sich mit einer Bewertung zwar zurückhalten, er räumte aber ein, dass zu den bis vergangene Woche eingegangenen 155.000 Unterschriften "noch weitere" hinzugekommen seien. Zudem endet die sechsmonatige Sammelfrist erst am 21. Januar. Von den bisher 76.000 durch den Wahlleiter überprüften Unterschriften waren rund 70.000 gültig. Wann das offizielle Ergebnis kommt, ist unklar.
Die von weiten Teilen der evangelischen und katholischen Kirche getragene Initiative will erreichen, dass Schülerinnen und Schüler ab der siebten Klasse auch Religion statt des Pflichtfachs Ethik wählen können. Seit 2006 lässt sich Religion nur zusätzlich belegen. Kritiker werfen der Initiative vor, in einer Stadt der 100 Religionen Ethik als zentrales, alle Schüler erreichendes Instrument für gegenseitige Toleranz zu sabotieren.
Unterstützer des Volksbegehrens hatten sich auch umstrittener Maßnahmen bedient. So sammelten einzelne Aktivisten ohne Erlaubnis in S- und U-Bahnen Unterschriften.
Der Volksentscheid zu "Pro Reli" ist der zweite in der Berliner Geschichte. Der erste zum Erhalt des Flughafens Tempelhof war im April 2008 gescheitert. Zwar gab es damals deutlich mehr Stimmen für die Offenhaltung als dagegen. Für einen Erfolg hätte aber mindestens ein Viertel aller Wahlberechtigten - rund 600.000 Berliner - mit "Ja" stimmen müssen. Tatsächlich waren es wegen der niedrigen Wahlbeteiligung von 36,1 Prozent kaum 22 Prozent.
Aus diesem Grund kommt dem Termin des Entscheids große Bedeutung zu: Findet er parallel zu einer großen Wahl statt - was sich aus Kostengründen anbietet -, liegt eine höhere Beteiligung nahe. Die Entscheidung trifft der Senat. Die entsprechenden Gesetze geben lediglich vor, binnen vier Monaten nach Ergebnisbekanntgabe des Volksbegehrens abzustimmen - es sei denn, in den darauf folgenden vier Monaten steht ohnehin eine Wahl an.
In diesen Zeitraum fällt 2009 zum einen die Europawahl in Juni, an der sich 2004 kaum mehr Berliner beteiligten als an der Tempelhof-Abstimmung. Zum anderen ist in dieser Spanne auch die Bundestagswahl am 27. September angesetzt, an der letztes Mal mehr als drei Viertel aller Bürger teilnahmen. Kommt der Volksentscheid an diesem Tag, kann er kaum an zu geringer Beteiligung scheitern. Das würde den rot-roten Senat als Gegner von "Pro Reli" - anders als bei Tempelhof - von Anfang an zu einer echten Gegenkampagne nötigen.
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