Pro Bahn über DB und Sturm „Xavier“: „Das kann man besser machen“
Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn kritisiert die Informationspolitik der Bahn während des Sturms „Xavier“.
taz: Herr Naumann, die Bahn hat ihren Verkehr am Donnerstag wegen der Sturmwarnung in Norddeutschland vorsorglich eingestellt. War das richtig?
Karl-Peter Naumann: Im großen und ganzen ja, es sind ja an vielen Stellen wirklich Bäume umgekippt. Wenn ein Zug auf offener Strecke vor so einem Baum haltmachen muss, muss die Bahn die Passagiere im Zweifel evakuieren – da bleibt der Zug besser im Depot.
Echt? Flächendeckend? In Berlin zum Beispiel fuhr ja gar nichts mehr…
Na ja, warum die S-Bahn auf den innerstädtischen Strecken nicht mehr gefahren ist, verstehe ich auch nicht so ganz. Da stehen doch zum Teil gar keine Bäume. Auf den sicheren Strecken hätte man den Verkehr aufrecht erhalten können. Den Fahrgästen hilft das ja oft schon, wenn sie einige Stationen weiterkommen – den letzten Kilometer geht man dann zu Fuß.
Wenigstens einen Schienenersatzverkehr hätte die S-Bahn einrichten können…
Nein, das wäre nicht möglich gewesen. Der Sturm kam in Berlin zur Hauptverkehrszeit, da waren alle Busse im Einsatz. Die S-Bahn muss ja auf die Busse der Berliner Verkehrsgesellschaft BVG zurückgreifen, und die waren alle auf der Straße, und standen dabei übrigens meistens im Stau.
Im Fernverkehr gab es auch keine Alternative?
Die Frage ist, ob die Bahn intensiv genug über alternative Strecken nachgedacht hat. Wenn beispielsweise die Schnellstrecke zwischen Berlin und Hamburg nicht funktioniert, kann man vielleicht über Magdeburg oder Rostock fahren. Das dauert natürlich deutlich länger und ist auch nicht toll, wäre aber doch besser gewesen als gar nichts.
Jahrgang 1960, ist Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, dessen Bundesvorsitzender er von März 1996 bis März 2012 war. Außerdem ist er Vize-Vorsitzender der Allianz pro Schiene.
War die Bahn fair zu gestrandeten Kunden?
In der Regel ja, obwohl sie natürlich immer Ausnahmen finden werden, in denen es nicht geklappt hat. Aber dass die Kunden Hotel- und Taxigutscheine bekommen oder in den eingerichteten „Hotelzügen“ wenigstens trocken und warm sitzen können, ist ja immerhin etwas. Allerdings gab es wieder eine unglaublich schwache Informationspolitik. An vielen Bahnhöfen gab es gar keine Infos, die S-Bahn forderte Reisende auf, „alternative Verkehrsmittel“ zu nutzen. Einem Ortsfremden hilft das gar nichts. Am Freitag meldete der DB-Navigator mir, mein Zug nach Hamburg fahre wieder, dann gab es aber eine kleine Anmerkung, er fahre doch nicht – da bin ich hinterher genauso schlau wie vorher. Das kann man besser machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier